Cloud-Anwender fordern faire Softwarelizenzen

Wissenschaftler und Branchenvertreter sehen Unternehmen als erpressbar durch Softwarehersteller und fordern gesetzliche Abhilfe.

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(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Hans-Peter Schüler

Der Cloud-Anbieterverband CISPE fordert auf einer am heutigen Donnerstag veröffentlichten Website zehn Grundsätze für faire Software-Lizenzierung ein, darunter das Recht zur Mitnahme bereits erworbener Software in die Cloud, und zwar in die Cloud nach Wahl des Kunden. Außerdem sollten Softwareanbieter Kunden, die in die Cloud eines anderen Anbieters umsteigen, weder durch vermehrte Software-Audits noch durch Preissteigerungen benachteiligen.

In einem Roundtable-Gespräch demonstrierten akademische Juristen und Ökonomen sowie Vertreter der Cloudwirtschaft einhellig die Einschätzung, so gut wie alle größeren Unternehmen seien erpressbar durch große IT-Anbieter. CISPE-Generalsekretär Francisco Mingorance kritisierte Oracle, Microsoft und SAP als besonders unfaire Marktteilnehmer. Er ging speziell darauf ein, dass SAPs Interessen ein Motiv für die bisher sehr zögerliche Mitwirkung der deutschen EU-Vertretung an gesetzlichen Abhilfen sein könnten.

Das Problem resultiere nur mittelbar aus der marktbeherrschenden Position einiger Software-Anbieter, erläuterte Stefan Wagner, Professor für Betriebswirtschaft an der European School of Management and Technology. Etwa am schnell wachsenden, hochprofitablen Markt für Clouddienste sei Microsoft eher ein kleiner Player und eindeutig nicht marktbeherrschend. Sehr wohl dominiere es aber den Markt an Office-Anwendungen, und diese Vormachtstellung nutze es, um sich Vorteile am Cloud-Markt zu verschaffen. Genau diese Wahrnehmung hatte den Konkurrenten Nextcloud veranlasst, Ende November eine Beschwerde beim Bundeskartellamt einzureichen.

Nextcloud sieht sich nicht nur deshalb im Nachteil, weil Microsoft zum Beispiel alle Nutzer von Webspeicherdiensten durch die Integration zum Beispiel von OneDrive in Windows abfischt. Alle Gesprächsteilnehmer beklagten außerdem die sogenannte Aftermarket-Doktrin, dass Unternehmen eine einmal getroffene Softwarewahl später nicht mehr mit vertretbarem Aufwand revidieren könnten. Weder sei klar, wie sie Metadaten zu ihren Informationen aus der bestehenden Softwarelandschaft exportieren könnten, noch gebe es überhaupt Anwendungen, die etwa die Strukturen eines SharePoint-Datenbestands identisch abbilden könnten. ″Die Entscheidung, MS-Systeme zu verwenden, ist eine finale Entscheidung″, resümierte Nextcloud-Chef Frank Karlitschek.

″Die Anwender haben eine Gegenwehr selbst behindert″, räumte Hans-Joachm Popp, stellvertretender Vorsitzender des Anwenderverbands Voice, ein: In der Vergangenheit hätten die Interessenvertreter viel zu wenig Druck für offene Standards gemacht, sondern vielmehr die Parole beherzigt ″Never touch a running System″. Gegen einseitige Lizenzanpassungen durch Softwarehersteller gebe es praktisch keine rechtlichen Einsprüche und folglich auch keine Rechtsprechung.

Vorstellbare Gerichtsverfahren kosten sehr viel Geld und dauern typischerweise ein Jahrzehnt. Wenn ein Softwarehersteller in der Zwischenzeit mit vermehrten Software-Audits und dem Widerruf gewährter Rabatte droht, bläst sogar Dax-notierten Großkonzernen der Wind ins Gesicht. Für einzelne Kunden seien gerichtliche Klärungen deshalb nicht praktikabel, stattdessen einige man sich abseits der Öffentlichkeit meist außergerichtlich.

Auf diese Art und Weise verhandelbare Kompromisse gebe es aber nur zum Preis aufwendiger Lizenzberatungen und Gutachten, die einen Großteil der Einsparungen schon im Voraus auffressen. ″Das ist verbranntes Geld″, erklärt Popp; solche Ausgaben zu vermeiden, sei ein wesentliches Argument für Open-Source-Software mit offenen Standards. Für eine Trendwende dazu könne man nur auf gesetzliche Hilfestellung durch die neue deutsche Bundesregierung hoffen.

Ins selbe Horn stößt heute die Open Source Business Alliance mit einem Manifest für digitale Souveränität. (hps)