Cochstedt: Nationales Testzentrum soll die Drohnenökonomie beflügeln

Das DLR hat in Sachsen-Anhalt das Nationale Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme eröffnet, um etwa Lufttaxis in den Verkehr zu integrieren.

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Der Tower des Nationalen Erprobungszentrums für Unbemannte Luftfahrtsysteme

(Bild: DLR (CC-BY 3.0))

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Im sachsen-anhaltinischen Cochstedt soll der Markt für hochwertige Drohnen aus Deutschland vorangetrieben werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat dazu am Mittwoch auf dem ehemaligen Flughafen Magdeburg-Cochstedt das Nationale Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS) offiziell eröffnet. Es handle sich um das "erste Reallabor" für Drohnen, erklärte die DLR-Vorstandsvorsitzende Anke Kaysser-Pyzalla. Man wolle damit "die Tür aufmachen für das unbemannte Fliegen".

Das DLR wolle von dem neuen Standort rund 35 Kilometer südlich von Magdeburg aus einen "wichtigen Beitrag zum Luftverkehr der Zukunft leisten", betonte Kaysser-Pyzalla. Aerodynamik, Systemtechnik und Flugführung seien dabei wichtige Punkte. Damit bestehe auch die Chance, über alternative Antriebe und Treibstoffe auf dem Weg zur Klimaneutralität des Luftverkehrs voranzukommen. Konzepte wie das unbemannte Fliegen gehörten hier unweigerlich dazu. Als offene Plattform stehe Cochstedt auch Unternehmen und anderen Forschungsinstitutionen zur Verfügung.

Auf "Hightech made in Cochstedt" freut sich Thomas Jarzombek (CDU), Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Die "Drone Economy" sei weltweit ein Wachstumsmarkt. In Deutschland habe sie im vorigen Jahr 840 Millionen Euro generiert, 14.000 Beschäftige seien in diesem Bereich tätig. Drohnen hälfen dabei, Gewebeproben zu transportieren, Präzisionslandwirtschaft zu betreiben oder Waldbrände frühzeitig zu bekämpfen. Von Cochstedt aus sei es nun möglich, den Markt für hochwertige Drohnen zusammen mit Startups weiterzuentwickeln.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, zeigte sich erleichtert, ein jahrelanges Sorgenkind weniger auf der Liste zu haben. Der Flugplatz sei insolvent gewesen, einen Rückbau habe er gerade noch verhindern können. Insgesamt würden nun 82 Millionen Euro an staatlicher Gesamtförderung in das Projekt fließen, die zu 90 Prozent der Bund bezahle. Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt, dass Cochstedt als Arbeitsplatzgenerator fungieren und neue Ideen für technische Anwendungen voranbringen werde.

Insgesamt sollen nun in einem ersten Schritt bis Ende 2022 rund 15 Millionen Euro für den Aufbau wissenschaftlicher sowie betrieblicher Infrastrukturen investiert werden. Ziel ist es, bis Ende 2022 insgesamt rund 60 Mitarbeitende in Forschung und Betrieb am Standort zu beschäftigen. Auch der Verkehrsflughafen soll bereits Anfang August in kleinerem Umfang wieder in Betrieb gehen.

So soll es an dem Flughafen bald aussehen.

(Bild: DLR (CC-BY 3.0))

Einer der Forschungsschwerpunkte ist es, von dem geschützten Umfeld aus Drohnen sowie Lufttaxis in den normalen Flugverkehr zu integrieren. Von Cochstedt aus will das DLR zudem sein Alaady-Projekt (Automated Low Altitude Air Delivery) vorantreiben: Dabei geht es um den automatisierten Lufttransport mit verhältnismäßig großem Fluggerät mit mehr als einer Tonne Nutzlast in niedrigen Höhen unterhalb von 150 Metern. Auch mit dem unbemannten Kleinhubschrauber Superartis sind verschiedene Flugversuche im Lauf des Jahres geplant.

"Wir müssen Navigationssysteme aufbauen, um Drohnen zu überwachen", erläuterte Andreas König, der für die Planung des Standorts zuständig ist. Es gelte etwa, Messdaten zuverlässig auszutauschen, und ein Tracking-System für UAS zu konzipieren. Im Falle eines Zwischenfalls sei es wichtig, ein solches Fluggerät "sicher und zuverlässig" zu stoppen. Dazu kooperiere man etwa im Projekt City-ATM für das Verbinden realer und virtueller Drohnen mit Standorten wie Braunschweig. In Cochstedt selbst werde das Terminal zum Hauptgebäude des Zentrums umfunktioniert, die Abfertigungshalle zur Werkstatt.

Zum Einzug Künstlicher Intelligenz (KI) in Drohnen sieht Stefan Levedag vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik keine Alternative, da eine Fernführung vom Boden aus via Funk nicht zuverlässig genug sei. Ein "Alleinstellungsmerkmal von Cochstedt" sieht er, da dort für ein solches autonomes Fliegen Sicherheitsfunktionen jenseits des zivilen Flugverkehrs nachweisbar gemacht werden könnten. Dirk Kügler vom Flugführungsinstitut ergänzte, dass ein sicherer, effizienter Parallelbetrieb mit "alten Verkehrsteilnehmern" zu gewährleisten sei. Aus Zulassungsgründen ist es generell nötig, neue unbemannte Luftfahrtsysteme unter realen Bedingungen in einer kontrollierten Umgebung zu testen und zu qualifizieren.

Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz von Drohnen sei noch jede Menge zu tun, gab Jens Strackeljan von der als Partner beteiligten Uni Magdeburg zu bedenken. Der Anwendungsschwerpunkt von Drohnen werde "nicht die Lieferung von Pizza auf die Balkons" sein, stellte Volker Thum vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, daher klar. Der Trend auf dem Sektor "Air Mobility System" gehe in Richtung autonomes, klimaneutrales Fliegen mit Drohnen und Lufttaxis. Deutschland dürfe sich hier "nicht von China und den USA den Schneid abkaufen lassen", sondern müsse "neue Produkte entwickeln und auf dem Weltmarkt platzieren".

(mho)