Cogent: Führender US-Internetprovider wirft russische Kunden aus seinem Netz
Mit Cogent hat einer der größten Backbone-Betreiber weltweit seinen Kunden aus Russland wegen des Ukrainekriegs gekündigt. Große Telcos vor Ort sind betroffen.
Cogent Communications, ein in den USA sitzender Betreiber wichtiger globaler Internetinfrastrukturen, hat am Donnerstag die Geschäftsbeziehungen zu all seinen Kunden in Russland beendet. In einer E-Mail unterrichtete der Provider die Betroffenen über die fristlose Kündigung aufgrund des russischen bewaffneten Angriffs auf Ukraine.
Rechner abgeschaltet und eingelagert
"In Anbetracht der ungerechtfertigten und grundlosen Invasion in Ukraine stellt Cogent alle Dienste mit Wirkung vom 4. März 2022 um 17 Uhr GMT ein", hieß es in dem Schreiben, aus dem der US-Netzwerkbeobachtungsdienst Kentik zitiert. Die im Anschluss verhängten Wirtschaftssanktionen und die zunehmend gefährliche Sicherheitslage machten es für das Unternehmen unmöglich, in Russland weiterhin Services anzubieten. Dazu kam die Klarstellung: "Alle von Cogent zur Verfügung gestellten Ports und IP-Adressräume werden zum Zeitpunkt der Kündigung zurückverlangt."
Betroffen sind demnach auch russische Kunden, denen Cogent bislang Rechenzentrumsflächen zur Verfügung stellte. Bei diesen "Colocation"-Verträgen "werden die Geräte abgeschaltet und im Rack aufbewahrt, damit sie abgeholt werden können". Werde die Ausrüstung nicht innerhalb von dreißig Tagen übernommen, komme sie ins Lager. Wer IT-Dienstleistungen gebucht habe, werde keinen Zugang mehr zu den Servern haben: Die Rechner "werden abgetrennt und von Cogent auf unbestimmte Zeit eingelagert".
Cogent gehört zu den größten Betreibern des auf leistungsstarken Glasfaserleitungen bestehenden Internet-Backbones. Solche Netze bilden das Rückgrat des Netzes. Sie stellen im Hintergrund die Hauptverbindungen für Datenströme bereit, die dann von nationalen und lokalen Telekommunikationsfirmen an Endkunden und Besitzer einzelner Domains weitergeleitet werden.
Das in Washington beheimatete Unternehmen verfügt über eine physische Netzwerklänge von über 100.000 Kilometern. Über seine Netze werden rund ein Viertel des weltweiten Internetverkehrs abgewickelt. Aufgrund seiner Größe muss die Firma als Mitglied der sogenannten Transit-freien Zone für die Nutzung anderer Backbones nichts zahlen.
In der Internetgeschichte "ohne Beispiel"
In Russland hat Cogent mehrere Dutzend Kunden. Von diesen stehen viele – wie etwa der staatliche Telekommunikationsriese Rostelecom – der Regierung nahe. Auch der zweite nationale Backbone-Betreiber, Transtelecom, ist bislang an den US-Provider angedockt. Dies gilt auch für zwei der größten russischen Mobilfunkprovider, den Suchmaschinenbetreiber Yandex und die IT-Sicherheitsfirma StormWall.
Der weitreichende Schritt sei "in der Geschichte des Internets ohne Beispiel", kommentiert der Analyst Doug Mandory von Kentik. Damit werde die für internationale Verbindungen zur Verfügung stehende Bandbreite insgesamt deutlich verringert, was zu Engpässen führen dürfte.
Regierung fernhalten – nicht die russischen Bürger
Cogent-Chef Dave Schaeffer erläuterte gegenüber der Washington Post, man wolle keine herkömmlichen russischen Bürger vom Internet fernhalten. Es gehe darum, die Regierung des Landes daran zu hindern, die Netze des Providers zu nutzen, um Cyberangriffe zu starten oder Propaganda zu verbreiten.
Das Unternehmen begann laut dem Bericht am Freitagmittag schrittweise damit, erste russische Vertragspartner vom eigenen Netz abzuknipsen. Einige Kunden hätten um einen Aufschub von mehreren Tagen gebeten, um andere Internetverbindungen knüpfen zu können, berichtete Schaeffer der Zeitung. Man versuche, diesen Wünschen entgegenzukommen: "Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir niemanden daran hindern, Informationen zu beziehen."
Nicht wählerisch sein beim Internet-Zugang
Der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow, hatte in dieser Woche unter anderem Amazon-Gründer Jeff Bezos und Cloudflare-Chef Matthew Prince aufgefordert, keine Cloud-Dienste und Services zum Schutz von Online-Infrastrukturen mehr in Russland anzubieten. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor gab derweil bekannt, Facebook vor Ort blockieren zu wollen. Sie warf auch TikTok und der YouTube-Mutter Google vor, "den freien Informationsfluss nach Russland" zu blockieren. Beide hatten zuvor angekündigt, russische Staatsmedien wie RT in Europa zu sperren und verstärkt Faktenchecks durchzuführen.
Andrew Sullivan, Präsident der Internet Society (ISOC), hält derweil nichts von Forderungen, Russland aus dem Domain Name System (DNS) zu entfernen. "Eine ganze Bevölkerung vom Internet abzuschneiden, stoppt die Desinformation, die von dieser Bevölkerung ausgeht", schrieb er in einem Blogbeitrag. "Aber es stoppt auch den Fluss der Wahrheit." Menschen, die von einer fremden Macht überfallen werden, "haben ein Recht auf Internet. Aber wir können nicht wählerisch sein, wer Zugang hat."
(tiw)