Comdex/Apachecon: Die Alphas wissen es besser

Einen Häuserblock entfernt von der Comdex öffnete am Dienstagmorgen die Apachecon 2002. Verleger Tim O'Reilly eröffnete die Veranstaltung mit einer optimistischen Keynote.

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Von
  • Detlef Borchers

In der ersten Ausgabe der Comdex-Messezeitung "Show Daily" konnte man am Montag einen Hilferuf lesen. "Save the conferences!", appellierte da der Chefredakteur David Kirkpatrick von fortune.com an die Leser und die schmählich davongelaufenen Aussteller, weiterhin die Comdex zu unterstützen. Anders als viele Kommentatoren führte Kickpatrick nicht den Terrorismus als Grund für das Platzen der Comdex-Blase an: "Es hat zu einem Teil damit zu tun, dass die PC-Industrie am Anfang eine Gegenkultur war. Die ersten Hobbyisten und Programmierer, die sich hier trafen, waren eine technologische Gegenkultur. Sie kamen zusammen, um sich gegenseitig den nötigen Support zu geben."

Der nostalgische Seufzer von Kickpatrick ist unbegründet, denn jede Zeit hat ihre eigene Gegenkultur. Einen Häuserblock entfernt von der Comdex öffnete am Dienstagmorgen die Apachecon 2002 ihre Pforten, eine Veranstaltung, die das Wissen und den Support rund um den Webserver Apache mit einer gegenseitigen Schulung weiterreichen soll. Vor etwa 350 Programmierern legte Tim O'Reilly, Verleger von Computerbüchern, eine Keynote hin, die von einem Optimismus getragen war, den die vom Marketing geprägten Ansprachen der Comdex vermissen ließen. Unter Berufung auf den Wissenssoziologen Thomas Kuhn analysierte O'Reilly das Phänomen der "Alpha Geeks". Sie sorgen in der Computerindustrie für das, was Thomas Kuhn in der Wissenschaft als "Paradigmenwechsel" bezeichnet hat, den radikalen Bruch mit vorgefertigten Meinungen. Einen solchen Bruch produzierten nach O'Reilly die Hacker vom Homebrew Computer Club, die dem Mainframe den Stinkefinger zeigten. Auf die Hacker folgten die "Entrepreneure" vom Schlage eines Bill Gates, Adam Osborne oder Mitch Kapor. Sie machten aus dem PC ein Geschäft und sorgten dafür, dass nach dem Mainframe eine Plattform entstand, auf der es sich wirtschaften ließ.

Von der Geschichte erfolgte der direkte Sprung in die Gegenwart: "Was Hacker uns heute vorleben, wird in fünf Jahren von jedermann benutzt", erklärte Tim O'Reilly. Drahtlose Netze, so genannte no-CAT-Commmunities, die von Hackern mit "Homebrew Technology" zu vermaschten, flächendeckenden Systemen zusammengeführt werden und Web Services seien für die Hacker von heute längst Realität. Längst hätten die Entrepreneure Reaktionen gezeigt, wie es das Beispiel der APIs von Google und Yahoo zeigen würde. Andere Auswirkungen der Arbeit von Alpha Geeks seien beim Digital Hub von Apple zu sehen. Betriebssysteme würden Allgemeingut; Killerapplikationen wie eBay, Google oder Amazon seien weit mehr als einfache Anwendungen, sondern Plattformen für einen Lebenstil, der zuvor von Hackern geprägt worden sei. Längst arbeiten Hacker an der universalen Verbreitung des Internet Operating Systems, der Verbindung von billigem, im Überfluss vorhandenen lokalen Speicher und ständiger Vernetzung. Nur Microsoft verstünde, was wirklich passiert und versuche, mit .NET dagegen anzugehen. Mit der Mahnung, dass die Architektur des Netze eine politische Angelegenheit ist, schloss O'Reilly seinen Vortrag, nicht ohne die Hacker zu ermahnen, kleine, modulare Anwendungen zu schreiben, die gut dokumentiert sind: die Politik braucht handliche Waffen, die jeder Kundige reparieren kann. Die versammelten Alpha Geeks dankten mit freundlichem Applaus. ( Detlef Borchers) / (wst)