Comdex: Appliances - null problemo

Appliances sind der Renner auf der Comdex. Und die Amerikaner scheinen einen Narren an ihnen gefressen zu haben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Appliances sind der Renner auf der Comdex. Selbst eine harmlose Computermaus wird als Appliance gefeiert, nicht ganz zu Unrecht, denn der einfache Benutzer kann nichts anderes machen als die Maus anzuschließen und ihre Tasten zu klicken.

Es steht außer Zweifel, dass die Amerikaner einen Narren an den Appliances gefressen haben. Da wäre die Mailstation von Cidco für 150 US-Dollar. Das spartanische Terminal kann Mail senden und empfangen, dazu Yahoo-Nachrichten und das Yahoo-Wetter abrufen. Spätestens nach zwei Wochen ist die Mailbox voll und die alte Mail wird gelöscht. Dennoch erzählt mir Erin Bolton, Marketing Manager von Cidco, dass die Firma in Spitzenzeiten bis zu 50.000 Mailstations im Monat verkauft.

Nahe der Comdex befindet sich Best Buy, ungefähr das Gegenstück zu unserem Media Markt. Ich frage einen Käufer der Mailstation, ob er nicht mal Mail archivieren möchte, oder Dateianhänge einer Mail sehen möchte. Er schaut mich verständnislos an: "Warum? Das ist ein Anrufbeantworter für das Internet. Gibt es bei euch in Deutschland keine Anrufbeantworter? Speichert ihr eure Anrufer für alle Ewigkeit?" Ich versuche, das Konzept zu erklären. Wenn seine Tochter vom College aus Fotos im Anhang schicken wird, dann werde er sich halt was kaufen müssen, das diese Fotos ausdruckt. Wo ist das Problem?

In der Tat: Best Buy bietet den New Internet Computer (NIC) der gleichnamigen Oracle-Tochter für 155 US-Dollar ohne Monitor an. Dazu gibt es für den ehemaligen Network Computer von Larry Ellison eine "PC-Upgrade Option": ein ZIP-Laufwerk. Mit dem Laufwerk sei es ein PC, ohne Laufwerk, nur mit der eingebauten CD-ROM, sei es ein Internet-Computer, erklärt der Verkäufer. So einfach ist das.

Im Weihnachtsangebot von Best Buy ist bereits das Foto Wallet von Videochip Technologies, das auf der Comdex gezeigt wird: Ein LCD-Schirm in Palm-Größe mit einem Einschub für FlashCards, der als Fotorahmen funktioniert. Käufer nehmen eine Digitalkamera, einen Fotodrucker und den Leuchtrahmen. Viele besitzen keinen Computer und finden die Ausrüstung ausreichend.

Und wer hat Angst vor dem PC? Vielleicht die, die schon einmal mit einem Computerformular kollidiert sind: Die Firma Bidpath stellt auf der Comdex eine modifizierte Kamera von Kodak vor. Sie ist ein eBay-Appliance: Man kann mit ihr Fotos schießen und wird dann stumpf abgefragt: Minimalgebot, eBay-Kategorie, Verkäuferdaten, alles muss mit einem Hilfscursor und einem winzigen LCD beantwortet werden. Irgendwann ist die Kamera mit einem Computer verbunden und der wiederum mit eBay. Dann werden die Daten für die Auktion übermittelt und das fröhliche Bieten kann losgehen. Die Kamera verspricht den totalen Auktionserfolg. Natürlich kann man mit der Kamera auch seine Kinder fotografieren und das Mindestgebot auf 0 Mark setzen, doch dafür gibt es von Kodak ein billigeres Modell.

Appliances kann offensichtlich derjenige genießen, der sich vom Eindruck entfernt hat, einen Verlust zu erleiden, wenn ein Gerät nur eingeschränkte Funktionen bietet – und nicht wie der PC behauptet, alles zu können. MP3-Player demonstrieren, dass es Märkte für Computerelektronik gibt, die nur eine Aufgabe richtig lösen kann. Wobei auch der Player als Appliance zu haben ist: Auf der Messe stellte die Firma SmartDisk ihr MP3-Appliance vor, das zum Fotorahmen von Videochip passt: Flashtrax sieht aus wie eine handelsübliche Musikcassette, nur hat sie hinten einen Einschub für Flashcards, die mit MP3-Dateien gefüllt sind. Spannend wird die Sache dann, wenn Fotos und MP3-Dateien verwechselt werden. Und das ganz ohne Personal Computer. (Detlef Borchers) / (jk)