Computer.Gehirn.Geschichte

Eine Tagung zu Geschichte und Zukunft der Künstlichen Intelligenz eröffnete im Heinz Nixdorf MuseumsForum die sehenswerte Sonderausstellung "Computer.Gehirn".

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

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(Bild: mit freundlicher Genehmigung des Heinz Nixdorf MuseumsForum)

Mit einer Tagung zur Geschichte und Zukunft der Künstlichen Intelligenz (KI) wurde im Heinz Nixdorf MuseumsForum die sehenswerte Sonderausstellung "Computer.Gehirn" eröffnet. Mit 330 Exponaten dokumentiert die bis zum 1. März 2002 geöffnete Austellung die Bemühung, mit Computern und Robotern den neuen Menschen zu bauen. Ausgangspunkt der Austellung ist das Buch Homo S@piens des KI-Propheten Ray Kurzweil. In dem Werk entwickelt Kurzweil ausgehend von Moore's Law die These, dass mit dem unaufhaltsamen Wachstum der Chip-Leistungen die Computer Ersatzorgane der Menschen werden. Sie übernehmen immer weitere Funktionen, bis sie vollends Mensch-Maschinen sind -- aber eben spirituelle Maschinen. "Was bleibt vom Menschen?", fragt ängstlich der Untertitel der deutschen Übersetzung. Darauf antwortet Kurzweil fröhlich: Die Software natürlich!

Neben Moore's Law spielen Implantate, Prothesen und überhaupt das menschliche Sinnesvermögen eine große Rolle im Denken von Kurzweil. Entsprechend haben die Ausstellungsmacher die Sinne, die Bewegung und die Intelligenz zum Mittelpunkt ihrer familienfreundlichen Ausstellung gemacht, die einfache Fragen stellt: "Was machen Roboter und Computer eigentlich? Was können sie nicht? Die Konferenz zur Ausstellung bildete den denkbar schärfsten Gegensatz zur der "Zwischenbilanz der Evolution zum Beginn des dritten Jahrtausend", wie das HNF sie nennt. Alle Referenten erkannten ohne Umschweife an, dass Computer eines Tages den Menschen ablösen können. Nuancen gab es bei der Frage, ob dies wünschenswert ist.

Rodney A. Brooks, Direktor des AI Labs am MIT, gab einen Abriss der Roboter- und KI-Geschichte, die bei Spiel-Analyse wie Nimrod begann, über Planungs und Expertensysteme führte, bis sie bei Systemen wie Brooks' Kismet-Projekt beim Menschen anlangte. Passend zu Kismet stellte Fumio Hara von der Universität Tokio den Gesichtsroboter Mark II vor und referierte über Emotional Computing, die naturgetreue Abbildung menschlicher Emotionen in den Furbys und Tamagotchis von morgen.

Im Gespräch mit heise online erklärte Hara, dass der japanische Markt für Entertainment-Robots bald den der Spielconsolen übertreffen könnte. "Die Frage ist nicht, wie sie sich bewegen, sondern welche Werte sie verkörpern". Ähnlich äußerte sich Brooks in seinem Vortrag: "Natürlich können wir Roboter bauen, die uns überlegen sind. Die Frage ist, ob wir das wollen." Im selben Gedankengang erklärte Brooks die Frage für erledigt: In kleinen Schritten, mit jedem computeriserten Implantat nähert sich der Mensch der Maschine an.

Helge Ritter, Neuroinformatiker von der Universität Bielefeld, machte auf das Paradox der KI-Forschung aufmerksam. So, wie sich unsere Evolution vom stereoskopischen Sehen über den aufrechten Gang, die Sprache, die Mathematik und das Schachspiel entwickelt habe, so müsse sich die KI-Forschung rückentwickeln. Dabei müsse die akademische, kopflastige Evolution der KI aufgegeben werden, zu Gunsten von Anwendungen, die im Alltag eingesetzt und durch den Überlebensdruck ständig verbessert werden. Die Zukunft der Roboter und KI-Systeme ist nach Ritter von immer weitreichenderen Implantaten und vor allem von virtuellen Informationsrobotern geprägt, die verschleißfrei eng mit dem Menschen zusammenarbeiten.

Da KI-Kritiker "vom Fach" nicht nach Paderborn geladen waren, übernahm der Mainzer Philosoph Thomas Metzinger die Rolle des Zweiflers. Er charakterisierte den Menschen als Wesen mit der Fähigkeit zu leiden, der das eigene Lebens als Verfall erleben muss. Zwangsläufig müssten wirklich intelligente Maschinen als Subjekte ebenfalls leiden. "Aus Solidarität aller leidensfähigen Wesen gegen das Leiden in dieser Welt sollten wir sie nicht bauen", folgerte Metzinger.

Den schwächsten Vortrag lieferte der Mann, der die Ausstellungsmacher zur bisher größten KI-Show inspirierte: Ray Kurzweil wurde in einer Videoübertragung aus Amerika dazugeschaltet, eine Technik, die er als wichtigen Schritt in die Virtualität feierte. In einer eintönigen Abfolge von Folien zur Leistungsexplosion bei Computern, Datenübertragung und Internet "bewies" Kurzweil den kommenden Quantensprung der Intelligenz vom Menschen zur Maschine. Dabei wirkte er, als sei er mit dem häufig beschworenen Brainscanning schon auf einer Festplatte gespeichert. In seinem Buch hat Kurzweil übrigens schon die Lösung auf das Problem der Philosophen formuliert: Wenn Maschinen traurig sind oder leiden, sei es ein Leichtes, ein Antidepressionsalgorithmus zu programmieren. Den ersten Besuchern der Sonderausstellung war keine Depression anzumerken. Sie experimentierten fröhlich mit ihren Nachfolgern: "Wir sind von der Evolution geschaffen worden. Wir hätten niemals vor irgendeiner Ethik-Komission dieses Universums bestanden," bemerkte Helge Ritter in der Abschlussdiskussion. Genau so verhalten wir uns. (Detlef Borchers) / (jk)