"Computer.Medizin": Vom Herz-Handy bis zur intelligenten Toilette

Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten, die der Computer in der Medizin hat, zeigt das Heinz Nixdorf MuseumsForums in einer neuen Ausstellung - und die krause Fantasie der Entwickler.

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Von
  • Thomas Strünkelnberg
  • dpa

Und sie funktioniert doch: Kaum ein Patient denkt noch an die elektronische Gesundheitskarte, doch an einem Ort in Deutschland kann sie in Aktion bestaunt werden: Kurt Beiersdörfer, Geschäftsführer des weltgrößten Computermuseums, des Paderborner Heinz Nixdorf MuseumsForums, lässt sich mit der Karte ein elektronisches Rezept ausstellen und löst es nebenan in der Apotheke ein. All das ist natürlich noch Theorie, nämlich in der "weltweit einmaligen" Paderborner Ausstellung Computer.Medizin über den Einsatz von Computern in der Medizin, sagt Beiersdörfer am Freitag. Erstaunlich, dass kein Roboter die Medikamente des elektronisch ausgestellten Rezepts aus dem Schrank holt. "Das wollten wir sogar noch einbauen." Doch es gab Zweifel an der Robustheit der Technik.

"Die ganze Ausstellung ist extrem unterhaltsam", betont Beiersdörfer. Was an der Medizin Laune macht? Vor allem die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten der Computer – und die krause Fantasie der Entwickler: Eine aus Japan stammende "intelligente Toilette" misst Gewicht, Körperfett und Blutdruck sowie den PH-Wert und den Zuckeranteil im Urin. "Es wird mehr und mehr der Fall sein, dass Menschen ihren Gesundheitszustand messen", meint der Geschäftsführer. Doch nicht in diesem Fall und nicht in der Ausstellung. Denn die kluge Toilette "ist mit Panzerglas gesichert".

Auf einem raffinierten Laufband können die Besucher der Ausstellung mit dem Marathon-Weltrekordler Paul Tergat um die Wette laufen. Etwa 20 Stundenkilometer sei er schnell, sagt Kurator Jochen Viehoff. Der Weltrekordler läuft auf einem Bildschirm mit, doch meist in Zeitlupe, bis der Läufer auf dem Laufband das richtige Tempo erreicht. "Wir hatten schon jede Menge Kids hier, die haben das als Wettbewerb aufgefasst." Einige hätten es sogar geschafft –"aber nur eine Minute". Doch auf dem Weg zum Weltrekord-Tempo gibt es noch einige Zwischenstationen. Bei einer Geschwindigkeit von etwa elf Stundenkilometern erfährt der Tester, nun etwa so schnell zu sein wie der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne).

Die Ausstellung Computer.Medizin wird am 24.Oktober eröffnet und läuft vom 25. Oktober bis zum 1. Mai 2007 (Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags und freitags 9.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs 9.00 bis 20.00 Uhr, samstags, sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr, montags geschlossen). In dieser Zeit werden rund 100.000 Besucher erwartet, sagt Beiersdörfer. Seit zweieinhalb Jahren arbeite das Museum an dem Ausstellungsprojekt, das künftig auch auf die Reise gehen soll. Es gebe bereits Anfragen aus Übersee, Interessenten stammten aus Singapur und Toronto. 2008 sei eine große Ausstellung Computer.Sport geplant.

Doch neben den eher unterhaltsamen technischen Gags bietet die Schau auch Technik, die Leben retten kann. Mobile Techniken erlaubten die Fernüberwachung etwa nach Herzinfarkten, sagt Kurator Michael Mikolajczak. Bei Schwierigkeiten: Einfach das "Herz-Handy" an die Brust halten, das Gerät sendet die Daten an den Arzt. Umgekehrt kann der Mediziner über ein solches Gerät Einstellungen von Herzschrittmachern aus der Ferne verändern.

Auch der "Operationssaal der Zukunft" sei "ohne Computer nicht denkbar", sagt Kuratorin Margret Schwarte-Amedick. Entscheidend seien moderne bildgebende Verfahren wie etwa Computertomographie (CT), deren dreidimensionale Daten zeigten, wo die Schnitte zu setzen seien. Beispiele seien Leberoperationen – extrem schwierig, weil die Leber stark durchblutet und das Gewebe weich sei. Im vergangenen Jahr seien siamesische Zwillinge mit einer gemeinsamen Leber auf diese Weise getrennt worden, sagt Schwarte-Amedick. "Man kann am individuellen, virtuellen Patienten die Operation simulieren."

Überflüssig wird der Chirurg aber nicht. Der Computer diene als Assistent, als Navigator des Operateurs, erklärt die Kuratorin. Der Traum vom unabhängig operierenden Roboter sei aber trotz großer Euphorie Mitte der 90er Jahre erst einmal ausgeträumt – wegen der vielen Patientenklagen nach Fehlbehandlungen. (Thomas Strünkelnberg, dpa) / (jk)