Computer in Schulen: "Mehr Schaden als Nutzen"

Gemeinsam mit der Kinderschutzbewegung "Alliance for Childhood" sprechen sich namhafte amerikanische Pädagogen gegen den Einsatz von Computern an Schulen.

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Von
  • Maria Benning

Gemeinsam mit der Kinderschutzbewegung Alliance for Childhood haben sich rund 80 namhafte amerikanische Pädagogen, Mediziner und Kinderrechtsexperten gegen den Einsatz von Computern an öffentlichen Schulen in den USA ausgesprochen. In einem in Kalifornien veröffentlichten Report sprach sich die Allianz dafür aus, die Computerisierung an Schulen zu stoppen und die Umsetzung bereits aufgestellter Pläne auszusetzen.

"Die Vernetzung und Computerisierung amerikanischer Schulen ist ein dringendes Anliegen – aber nicht für die Kinder, sondern für die High-Tech-Firmen, die ein vitales Interesse daran haben, neue Märkte zu erobern", heißt es in dem Report. Eine Vielzahl von Studien habe bereits erwiesen, dass Rechner weder den Lernfortschritt noch die soziale Kompetenz der Kinder verbesserten. Dennoch würden weiter Milliarden Dollar für die Rechnerausstattung und das Vernetzen von Klassenräumen ausgegeben, kritisiert der Report.

Insbesondere für jüngere Schüler im Vor- und Grundschulalter berge das rechnerunterstützte Lernen sogar Risiken. So sei der Anteil an fettleibigen Kindern deutlich gestiegen, seit vermehrt Computer an Schulen eingesetzt werden. Zudem würden Kleinteiligkeit und Textlastigkeit vieler Computer-Aufgaben die kindliche Aufnahmefähigkeit überfordern. Die ständige Konfrontation mit vorgefertigten Computer-Produkten unterdrücke die kindliche Kreativität. Da Rechner nur in Einzelarbeit eingesetzt werden können, würden die sozialen Fähigkeiten der Heranwachsenden verkümmern. Allein der Umstand, dass der frühzeitige kritische Umgang mit dem Medium Computer trainiert werden könne, spreche für den Einsatz von Computern in der Schule.

"Mit Bauklötzen zu spielen ist für kleinere Kinder eine wesentlich größere intellektuelle Herausforderung als ein Computer", erklärte Alison Gopnik, Psychologe an der Wittenberg University of California-Berkeley, anlässlich der Veröffentlichung des Reports. "Viele halten die Kritik an der Computerisierung der Erziehung angesichts unseres Wirtschaftswachstums für unzulässige Blasphemie. Doch im Interesse unserer Kinder müssen wir uns diesem Vorwurf aussetzen", so die Pädagigikdozentin Lowell Monke aus Ohio.

Der Report empfiehlt den Grundschulen, zur traditionellen Lernweise zurückzukehren. Ältere Schüler hingegen sollten beim Umgang mit Rechnern auch die ethischen und sozialen Auswirkungen des Mediums reflektieren. Dazu gehöre es, sich bewusst zu machen, dass die meisten Menschen auf der Erde keinen Zugang zum Internet haben.

Vertreter der High-Tech-Industrie werten die Ablehnung des rechnergestützten Lernens als eindimensionale Technik-Dämonisierung. "Kindliche Computer-Fertigkeiten und Kreativität müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen", sagte etwa Larry Carr von der Silicon Valley Manufacturing Group. "Wir brauchen die Rechnererziehung an Schulen, damit wir später ausreichend qualifizierte Studenten haben, die problembewusst mit Computern umgehen können", so Carr. Die Vize-Präsidentin von Sun Microsystems, Kim Jones, widersprach dem Vorwurf, das Engagement von High-Tech-Firmen im Erziehungssektor sei profitorientiert. Ihre Firma habe bei Aktionen wie dem Netztag von 1996, bei dem 12000 kalifornische Schulen vernetzt wurden, keinen Gewinn erzielt, erklärte sie.

Ein ums andere Mal wird die Auseinandersetzung um die Schulrechner auch als Beitrag zum amerikanischen Wahlkampf angesehen. Immerhin gehörten die "Classroom Computer" zum Programm des derzeit noch amtierenden Präsidenten Bill Clinton. Die Ausgaben für Technik in Schulen haben sich während seiner Amtszeit verdreifacht. Der Report prangert jedoch vor allem die Ausgaben für teure unerprobte Technik an. (mbb)