Computer ins Museum: 20 Jahre "Informatik und Automatik"

Seit dem 7. Mai 1988 zeigt das Deutsche Museum in München historische Automaten, Rechengeräte und Computer.

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Von
  • Ralf Bülow

Die Münchner Museumsinsel [Foto: Maximilian Kühn]

München leuchtete. In den 1980er Jahren war Westdeutschlands heimliche Hauptstadt noch das Zentrum von Kultur, Geld und Prominenz, und ein wenig Glanz kriegte auch das Deutsche Museum ab, das damals seine letzten freien Ausstellungsflächen füllte. Nach dem eindrucksvollen Start der Luftfahrthalle 1984 und der Neueinrichtung der Autoschau 1986 eröffnete vor genau zwei Jahrzehnten, am 7. Mai 1988, die Abteilung "Informatik und Automatik", die bis dato größte deutsche Präsentation von Rechen- und Computertechnik.

Schon in den 1950er Jahren hatte das Museum kleinere Rechengeräte gezeigt, und 1968 richtete es im 1. Stock ein düsteres Areal zur Nachrichtentechnik ein, das auch einige Quadratmeter der Informationsverarbeitung widmete. Kernstück war die Replik von Konrad Zuses erstem Relaisrechner Z3, die der Pionier selbst anfertigte. Außerhalb Bayerns gab es seit 1982 in Altenholz bei Kiel eine Ausstellung mit Zuse-Nachkriegscomputern und seit 1983 im Berliner Technikmuseum einen Informatikbereich, doch schlug München die Konkurrenz mit einer Fülle von Objekten und einer Flut von Daten und Fakten.

"Informatik und Automatik" umfasste 700 Exponate, belegte 1050 Quadratmeter und zerfiel in vier farblich getrennte Abschnitte. Rot stand für mathematische Instrumente vom Rechenstab bis zu Hilfsgeräten zum Integrieren und Differenzieren sowie für Analogrechner, Blau für klassische Rechenmaschinen und Rechentafeln. Beige bezeichnete Anwendungen von einfacher Programmsteuerung und edles Metallic zierte das weite Feld der Universalrechner.

Schöpfer der Ausstellung war nicht der zuständige Konservator des Deutschen Museums, sondern der externe Berater des Hauses, TU-Professor Friedrich L. Bauer. Seine enzyklopädische Fachkenntnis führte zu der wissenschaftlich besten Informatikschau des Planeten, deren Didaktik aber irgendwo in den 1960er Jahren stehen blieb. Die Besucher, die sich im 3. Stock des Hauses einfanden, merkten das schnell und liefen im Normalfall recht zügig an den Vitrinen vorbei.

Was eigentlich schade war, denn hinter den Glas- und Aluminiumflächen verbargen sich Meisterwerke der Informatikgeschichte, ein Astrolabium aus dem späten 16. und eine Rechenmaschine aus dem frühen 18. Jahrhundert, der einzige humanoide Automat aus Deutschland und die Z4, der älteste im Original erhaltene Digitalrechner mit Programmsteuerung.

Weiterhin bot "Informatik und Automatik" Einblicke in heute größtenteils vergessene Logikmaschinen und die sogenannte mittlere Datentechnik, zeigte auch schon Chiffriergeräte und einen Cray-Supercomputer. An frühen Elektronengehirnen traf man neben dem ersten deutschen Röhrenrechner von Walter Sprick, gebaut 1951 in Kiel, die Münchner PERM, die Frankfurter UNIVAC und die letzte in Bad Hersfeld produzierte Zuse Z22.

Die 1988 schon weit verbreiteten Kleincomputer wurden dagegen nur naserümpfend zur Kenntnis genommen. Friedrich L. Bauer beschränkte sich auf einen IBM-PC, einen Commodore PET und einen von der Außenverkleidung befreiten NCR, darüber hinaus stellte er elektronische Büro- und Taschenrechner bereit. Ein schwacher Ersatz bedeutete die 1989 eröffnete Zusatzfläche zur Mikroelektronik und Chip-Produktion, die von "Informatik und Automatik" über zwei Treppen zugänglich und meistens frei vom Publikum ist.

Wer heute die Computerschau besucht, findet in der Nachbarschaft thematisch verwandte Abteilungen für Geodäsie, mathematische Spiele, Kommunikationstechnik und als Zeichen der neuen Zeit ein Internetcafé. Der Gesamteindruck des Ensembles ist unterkühlt aber nicht unfreundlich, und Experten freuen sich über die schiere Masse der mitgeteilten Informationen. Wem diese nicht reichen, der kann im Museumsarchiv vertiefende Fotos und Unterlagen studieren, darunter den wissenschaftlich-technischen Nachlass von Konrad Zuse.

Zwanzig Jahre nach ihrem Start ist "Informatik und Automatik" nicht nur ein Schnelldurchlauf durch die IT-Geschichte, sondern auch Denkmal einer Museumsepoche, die Wert auf konzentrierte Wissensvermittlung aus erster Hand legte. Die Abteilung wird uns sicher noch eine Weile erhalten bleiben, als Ergänzung entsteht gerade im 2. Stock des Deutschen Museums eine kleine Ausstellung über Automatisierungs-, Regelungs- und Robotertechnik, die bis Ende 2008 eröffnet werden soll. (Ralf Bülow) / (jk)