Computerkunstpioniere in Hamburg und Berlin
Die Pioniere der Computerkunst haben Konjunktur: Die etablierte Kunstszene eröffnet der Allgemeinheit einen Blick auf die Kunst der Wissenschaftler. Und die Computerfreaks der Hobbycomputer-Generation begreifen die Leistung der Pioniere.
Die Pioniere der Computerkunst haben Konjunktur. Zum Teil ist dafür die etablierte Kunstszene verantwortlich, die der Allgemeinheit einen Blick auf die Kunst der Wissenschaftler eröffnet, die mit den Möglichkeiten ihrer Apparate zu spielen begannen. An erster Stelle ist hier die Kunsthalle Bremen zu nennen, die nacheinander Computer-Künstler wie Frieder Nake, Georg Nees und Otto Beckmann mit Ausstellungen würdigt. Zum anderen Teil sind es die Computerfreaks der Hobbycomputer-Generation, die die Leistung der Pioniere begreifen und ganze Bücher über Pioniere wie Herbert W. Franke im Netz veröffentlichen. Schließlich muss die Ars Electronica erwähnt werden, die in diesem Jahr eine Ausstellung zu den Künstlern zeigte, die vor ihrer Zeit lagen. Denn mit dem Beginn der Linzer Show im Jahre 1979 endete die Zeit der Pioniere.
Vor diesem Hintergrund ist die Ausstellung "Pioniere der Computerkunst" zu sehen, die am gestrigen Montagabend in der Bibliothek des Fachbereichs Informatik an der Universität Hamburg eröffnet wurde und bis zum 23.12. von 9 bis 19 Uhr zu sehen ist. 160 Exponate aus der Pionierzeit sind in den Gängen der Bibliothek versammelt, fachgerecht mit Drähten und Lüsterklemmen gesichert.
Die Spannbreite reicht vom Abfotografieren eines Ozilloskopen, mit dem Herbert W. Franke begann, bis zu dem eigens für die Kunstproduktion entwickelten Atelier-Computer von Otto Beckmann und der österrreichischen Gruppe ars intermedia. Sie fütterten Anfang der siebziger Jahre Rechner mit Markoff-Ketten, stellten die Resultate mit Helium-Neon-Laser dar und filmten sei ab, komplett mit passend errechneten Tönen. Noch vor ihnen beschäftigte sich Frieder Nake damit, auf einem der ersten Plotter, einem Zuse Graphomat Z64.
Die Hamburger Ausstellung beruht auf einer Ausstellung, die während der diesjährigen Ars Electronica in Linz vier Tage lang gezeigt wurde. Grundstock ist eine Sammlung von Bildern, die der Universität Hamburg geschenkt wurden. Nach einiger Recherche stellte sich heraus, dass es sich um Exponate der epochalen Ausstellung "Impulse Computerkunst" handelte, die die hannoversche Galeristin Käthe Schröder besorgte und die von 1970 bis 1972 mehrfach um die ganze Welt ging, bis sie in einem Hamburger Keller verschwand. "Historisches wird leicht vergessen", bedauerte der Kurator der Ausstellung, der Informatik-Professor Horst Oberquelle. In seinem Eröffnungsvortrag bemühte er sich, den Zuhörern weniger die Kunsttheorie von Max Bense und Abraham Moles zu vermitteln, auf der fast alle Arbeiten der frühen Computerkunst fußten, sondern mehr einen Eindruck von den Schwierigkeiten zu verschaffen, mit denen die Pioniere konfrontiert waren. Denn diese Kunst entstand nicht interaktiv und multimedial vor einem Bildschirm, sondern vor der Erfindung von Sutherlands Sketchpad auf Zuse-Rechnern oder dem Telefunken TR4.
Programme wurden auf Lochkarten oder Lochstreifen geschrieben und häufig genug war das gedruckte Ergebnis, das Zusammenspiel von Algorithmus und Zufall, schlichtweg nicht ansehnlich. Bisweilen gab es aber auch bemerkenswerte Resultate. So erzeugte Frieder Nake mit ein paar Algorithmen ein Bild, das von Kunstkennern Paul Klee zugeordnet wurde – und die dann empört waren, dass ein Computer sich an einem Künstler "vergriff". Auf dem Bild "Hommage an Paul Klee" fußt eine multimediale Installation namens "Spannung" aus dem Jahre 2004, die in Berlin zu sehen ist: Wer nicht die Bibliothek des Fachbereiches Informatik in Hamburg-Stellingen aufsuchen kann, hat vielleicht die Möglichkeit, andere Exponate in der Bundeshauptstadt zu besichtigen. Dort läuft seit Samstag die Ausstellung CompArt, Algorithmus und Zufall mit Werken von Frieder Nake. (Detlef Borchers) / (jk)