Computex: VIA-Bugs und VIAs Antworten

Die Ansammlung aller wichtigen Mainboard-Hersteller auf der Computex in Taipeh bot Gelegenheit zum Sammeln von Erkenntnissen über den Bug in der VIA-Southbridge 82C686B.

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Die Ansammlung aller wichtigen Mainboard-Hersteller auf der unterdessen zu Ende gegangenen Computex in Taipeh bot manche Gelegenheit zum Sammeln von Erkenntnissen über den Bug in der VIA-Southbridge 82C686B. Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Ezra-Prozessors begegnete dem Optimismus versprühenden VIA-CEO Wen Chi Chen das unangenehme Thema freilich nur in einer Andeutung. Sie war verpackt in eine höflich formulierte Frage zur künftigen Qualitätssicherung bei Design und Herstellung der Chips. In seiner gewohnten Redseligkeit antwortete Chen, er plane die Einstellung zusätzlicher Ingenieure speziell für den Testbereich und wolle weitere Anstrengungen in diese Richtung unternehmen.

Später standen Wen Chi Chen, VIAs Marketingdirektor Eric Chang und der Pressesprecher Richard Brown heise online Rede und Antwort. Laut Chang liegt der 686B-Bug, den er weiter lieber "Kompatibilitätsproblem" nannte, in Lücken der PCI-Spezifikation begründet. In modernen Systemen, so Chang, kämpften etliche schnelle und bandbreitenhungrige Geräte um den PCI-Bus. Das rufe Konflikte bei der Busarbitrierung hervor, an die beim Entwurf der PCI-Standards niemand gedacht habe. So müsse jeder Hersteller von PCI-Geräten und -Chipsätzen eigene Strategien für Aufgaben wie die Prioritätsvergabe entwerfen, weil der PCI-Bus den Anforderungen moderner Hardware nicht komplett gewachsen sei. Dabei träten immer wieder Probleme auf, die im besten Fall nur eine Leistungseinbuße bedeuteten, im schlimmsten Fall aber zu Abstürzen und Datenverlusten führten.

"Eine allgemeine Lösung gibt es für diese Konflikte nicht", sagte Chang. Jeder Einzelfall müsse individuell untersucht und gelöst werden. Speziell beim 686B-Bug helfe das Verändern der Priorisierung auf dem PCI: Bei viel Verkehr muss der Prozessor normalerweise drei Busmaster-Anforderungen lang warten, bis er selbst wieder zugreifen darf. Falls Busmaster den PCI-Bus zu lange in Beschlag nehmen, scheint das jedoch zu einem Pufferüberlauf und schließlich zu dem Datenverlust in der Southbridge zu führen. Abhilfe lässt sich nach Changs Angaben dadurch schaffen, dass nur zwei statt drei Busmaster-Anforderungen zugelassen werden. Diese Einstellung tauge jedoch nicht als generelle Lösung, weil sie den isochronen Datentransfer auf dem PCI-Bus behindern könne. Isochrone Transfers benötigen eine garantierte Mindestbandbreite, etwa für Audio- oder Video-Streams. Eine Unterschreitung macht sich bei Audiodaten besonders deutlich durch Knackser bemerkbar.

VIA betonte, dass ein Patch inzwischen verfügbar und in den aktuellen 4in1-Treiber integriert ist. Unter welchen Bedingungen der Patch die Prioritätenvergabe in der PCI-Bridge umschaltet, konnte Chang allerdings nicht sagen.

Wenige Tage vor Beginn der Computex hatten Berichte über einen weiteren VIA-Bug, dieses Mal in der Northbridge KT133A, die Runde gemacht. Brown bestätigte die Darstellung des Board-Herstellers MSI, dass in diesem Fall ein Produktionsproblem ursächlich sei: Eine Reihe von Chips liege knapp außerhalb der Spezifikationen und benötige zum Betrieb mit FSB266 (Frontside-Bustakt von 133 MHz) eine höhere Spannung oder funktioniere gar nicht. Bisher soll nur MSI betroffen sein, die meisten fehlerhaften Boards seien als OEM-Version in Rechnern von Siemens-Fujitsu gelandet.

Besonders ärgerlich: Per Software war bisher nicht zu erkennen, ob die Northbridge zur fehlerhaften Serie gehört. Man musste die Beschriftung ablesen, doch oft sitzt ein Kühlkörper auf dem Chip; er ist mit einer Klammer befestigt, die sich nur bei ausgebautem Mainboard lösen lässt, oder womöglich gar aufgeklebt. Beides bedeutet für große OEM-Kunden, die ihre Rechner schon zusammengebaut haben, massiven Ärger. Chang verriet nun, dass VIA über ein Programm zum Auslesen einer internen Revisionsnummer verfüge und damit die betroffenen Chips doch per Software identifizieren könnte. Man werde sich bemühen, Diagnosesoftware zur Verfügung zu stellen.

Angesprochen auf die sehr mageren Informationen, die VIA zu beiden Problemen veröffentlicht hat, gaben Chang und Brown Versäumnisse zu. Chang versicherte, VIA werde künftig die Ergebnisse interner Untersuchungen schneller veröffentlichen. Um die Kompatibilität mit Produkten anderer Hersteller zu verbessern, werde VIA Sample-Boards zur Verfügung stellen. VIA-Chipsätze haben einen Marktanteil von rund 40 Prozent.

Besonders problematisch ist auch die Informationspolitik der taiwanischen Board-Hersteller bei derartigen technischen Schwierigkeiten. Einige Firmensprecher wollten gegenüber heise online immer noch nicht bestätigen, dass überhaupt ein Problem mit der 686B-Southbridge existiert. Andere wiesen nur auf die neue Treiberversion hin, ohne das Wort Patch zu verwenden, und wechselten hastig das Thema.

VIA und die Mainboard-Hersteller müssen an den Standards messen lassen, die Intel im Umgang mit Fehlern setzt — auch wenn sie dort Specification Updates heißen. Diese Maßstäbe gelten nun auch für die "neuen Großen" wie VIA und AMD. Wer den Ruf gewinnen will, stabile und zuverlässige Hardware liefern zu können, muss die unvermeidbar auftretenden Fehler dokumentieren. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, braucht er sich über ein schlechtes Image nicht zu wundern und muss Spott ertragen – wie etwa VIA, die auf ihrer Pressekonferenz ein Leatherman-Taschenmesser verschenkten: Ob das wohl zur Selbsthilfe bei der Reparatur ihrer Chips gedacht sei, fragte ein Teilnehmer in die Runde. (jow/c't)/ (cp)