"Computing is too important to be left to men" - zum Tode von Karen Spärck Jones

Die Forschungsinteressen von Karen Spärck Jones reichten von Textanalyse über Sprachforschung bis zu Computersicherheit, Suchmaschinentechnik und Mensch-Computer-Kommunikation. Ihre Forschungen bildeten u.a. die Grundlage für die Suchmaschine Alta Vista.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Alter von 71 Jahren ist die einflussreiche britische Informatikerin Karen Spärck Jones nach einem langjährigen Kampf gegen den Krebs am gestrigen Mittwoch gestorben. Bis zuletzt hatte die emeritierte Professorin für Computing and Information an der Universität Cambridge gearbeitet. Für die ihr in den letzten Tagen angekündigten Auszeichnungen mit dem Nevell Award der Association for Computing Machinery (ACM) und dem Athena Award des ACM-Komittees Women in Computing sowie der Ada Lovelace Medal der British Computer Society nahm sie ihre Dankes- und Abschiedsrede auf Video auf, das in Kürze online verfügbar sein soll.

Die Forschungsinteressen von Karen Spärck Jones reichten von der Textanalyse und dem Information Retrieval über die Sprachforschung bis zur Computersicherheit, Suchmaschinentechnik und der Mensch-Computer-Kommunikation. Im Jahre 1972 veröffentlichte sie eine Arbeit über die Analyse von Worthäufigkeiten in großen Textmengen, die damals kein Computer speichern konnte. Im Jahre 1994 wurden ihre damaligen Erkenntnisse mit denen anderer Kollegen unter dem Titel "Simple proven approaches to text retrieval" noch einmal veröffentlicht. Der Text bildete die Programmier-Grundlage der ersten erfolgreichen Suchmachine Alta Vista. Zusammen mit Martin Porter und Stephen Robertson forschte sie über die statistischen Auswirkungen des bayesschen Wahrscheinlichkeitsbegriffes auf die Textanalyse: Verschiedene Spamfilter oder die Analyseprogramme der Cambridger Firma Autonomy können auf diese Forschungen zurückgeführt werden.

Mit der Arbeit "The analogy between mechanical translation and library retrieval" öffnete Karen Spärck Jones im Jahre 1958 ein wissenschaftliches Feld, das heute als Natural Language Processing (NLP) und Natural Language Retrieval Processing (NLRP) bekannt ist. Co-Autoren dieser Arbeit waren Roger Needham, ein Mitdoktorand, den sie 1958 heiratete, und Margaret Masterman, die betreuende Professorin. Wie Karen Spärck Jones in ihrem letzten Interview bekundete, war es Masterman, die sie ermutigte, als Frau ihren Weg in der sich entwickelnden Computerwissenschaft zu gehen. Sie prägte Jones in der Ansicht, dass Frauen eine andere Sichtweise in die Wissenschaft einbringen, der in ihrem Bonmot "Computing is too important to be left to men" zum Ausdruck kommt. Im Jahre 1964 promovierte Karen Spräck Jones mit der Arbeit "Synonymy and Semantic Classification" und war in der Grundlagenforschung an der Entwicklung des TF-IDF-Modells beteiligt. In den Folgejahren entwickelte sie eine rege Publikationstätigkeit auf dem Gebiet der Textanalyse.

Neben ihrer Professur an der Universität Cambridge, an der sie bis 2002 lehrte, arbeitete Karen Spärck Jones am US-amerikanischen TREC-Programm des National Institutes of Standards and Technology mit. Hier forschte sie in der zweiten Phase der NLP an statistischen Methoden, Texte besser zusammenzufassen. In der wissenschaftlichen Debatte meldete sie sich zuletzt mit der Kritik am semantischen Web zu Worte, dessen Ontologie sie gegenüber der Vielfalt sprachlicher Bedeutungen als ein naives Modell bezeichnete. In ihrem Abschiedsvideo skizziert Karen Spärck Jones die Zukunft der Forschung in diesem Bereich unter Rückgriff auf das Schichtenmodell der Computerei. So, wie es heute neben der Betriebssystemebene eine Ebene gibt, auf der die Anwendungen laufen, wird es in Zukunft eine Informationsebene (information layer) geben, die nah an der Ebene des Betriebssystems angesiedelt ist und für kritische Aufgaben wie dem Kampf gegen Spam zuständig ist. (Detlef Borchers) / (jk)