Corona-Infodemie: Social Media meistgenutzte Informationsquelle in der Pandemie

Von Februar bis April haben Heilbronner Forschende gut zwei Millionen Tweets analysiert, die die Coronavirus-Pandemie thematisieren.

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Herkunft der Tweets zum Thema Coronavirus in Europa im Februar bis April 2020.

(Bild: GECKO-Institut für Medizin, Informatik und Ökonomie an der HHN)

Lesezeit: 4 Min.

"Fake News verbreiten sich schneller und einfacher als dieses Virus, und sie sind genauso gefährlich." Diese Äußerung des WHO-Chefs Tedros Adhanom Ghebreyesus von Mitte Februar 2020 haben Forschende der Hochschule Heilbronn nun mit Fakten unterfüttert. Durch die Analyse von 22 Millionen Tweets aus dem Zeitraum Februar bis April haben sie ermittelt, dass Informationen zum Coronavirus zumeist aus Quellen in sozialen Medien geteilt werden.

Dabei verwundert es wohl nicht, dass die meisten Tweets zum Thema Coronavirus Tweets teilen. An zweiter Stelle wird auf Youtube verweisen, es folgen Instagram, Paper.li, Facebook und Linkedin. Als erste Quelle, die kein soziales Medium ist, taucht in der Rangliste der Forschenden die britische Zeitung The Guardian auf.

Die am weitesten verbreitete Kategorie unter den Top 50 war "Mainstream- oder Lokalnachrichten", haben die Forschenden des GECKO-Instituts für Medizin, Informatik und Ökonomie an der HHN ausgezählt. Für die Kategorie "Regierung und öffentliche Gesundheitspflege" fanden sich unter den Top 50 mit den Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) der USA und der WHO zwei Informationskanäle.

Das Fachmagazin Nature ist auf Rang 116 die am weitesten verbreitete wissenschaftlichen Publikation; sie tauchte in 6043 Tweets auf. "Interessant hieran ist, dass wissenschaftliche Originalquellen selten direkt geteilt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung von Medien bei der Vermittlung von komplexen Sachverhalten in allgemeinverständlicher Sprache für die breite Öffentlichkeit", sagt GECKO-Mitarbeiterin Monika Pobiruchin. Wichtig sei daran, dass fortlaufend neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden und dass die Herkunft und Seriosität von Informationen zum Thema Covid-19 beachtet werden müsse.

Für die Studie, die im Journal of Medical Internet Research veröffentlicht wurde, haben die Forschenden ab dem 9. Februar über die Twitter Streaming API Tweets gesammelt, die mit den 16 vorherrschenden Hashtags zu dem Thema versehen waren. Ausgewertet wurden sie mit einer Java-Software, die doppelte Tweets und Retweets ausfilterte, Text der Tweets, die Metadaten und Profilinformationen extrahierte und in einer PostgreSQL-Datenbank ablegte. Statistisch ausgewertet wurden die Daten mit der Software R auf einem Ubuntu-Rechner. Dabei griffen die Heilbronner Forschenden auf Methoden und Kategorien zurück, die der Sozialmediziner Gunther Eysenbach 2009 anlässlich der H1N1-Pandemie angewandt hatte.

Der häufigste Hashtag war #coronavirus, gefolgt von #covid19 und #COVID-19. 11,8 Millionen der untersuchten Tweets waren auf Englisch verfasst, 3 Millionen auf Spanisch. Deutschsprachige Tweets gab es rund 450.000. Fast doppelt so viele Tweets waren auf Italienisch verfasst. "Bemerkenswert ist, dass die Bevölkerung im Norden von Italien frühzeitig, bereits Ende Februar, Informationen zu Covid-19 verstärkt auf Twitter verbreitet hat", erläutert der Heilbronner Forscher Martin Wiesner. "In den Wochen danach trat dieser Effekt auch in anderen europäischen Ländern deutlich erkennbar auf.”

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Tweets mit geografischen Koordinaten wurden unteranalysiert und in einem Sieben-Tage-Intervall in eine Europakarte abgebildet und animiert. Dabei ist erkennbar, dass es zu Anfang des Untersuchungszeitraums gehäufte Covid-Tweets in dichtbesiedelten Regionen in Großbritannien und den Benelux-Ländern sowie in Italien gab. Dabei waren für eine Million oder 4,4 Prozent der Tweets Geolokalisierungsdaten verfügbar. Die Forschenden räumen auch ein, dass ihre Ergebnisse wohl nicht auf andere Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Reddit übertragbar sind. Die relativ dünne Datenlage für Osteuropa könnte darauf zurückzuführen sein, dass Twitter dort wenig oder zurückhaltend genutzt wird.

(anw)