Coronavirus: Was einen guten mRNA-Impfstoff ausmacht

Coronaviren forderten schon in der Steinzeit Opfer. Heute bekämpft man sie mit Impfungen. Aber warum fiel der CureVac-Impfstoff bei klinischen Tests durch?​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1251 Kommentare lesen

(Bild: creativeneko /Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Weltweit wurden seit dem Start der Impfkampagne im Dezember 2020 innerhalb von sechs Monaten rund 1,7 Milliarden Menschen gegen das grassierende Coronavirus SARS-CoV-2 gemipft – das klingt nach viel und ist doch nicht genug. Denn ein Großteil der Weltbevölkerung außerhalb von Industrienationen ist dem Virus schutzlos ausgeliefert und dient ihm laufend als Vermehrungsreservoir.

Das birgt erhebliche Risiken, denn je länger der Krankheitserreger im Umlauf ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund von zufälligen Mutationen seines Erbguts neue Varianten entstehen, gegen die die aktuellen Impfstoffe nicht helfen. Dann könnten an den mutierten Viren auch Geimpfte Personen gehäuft erkranken. So könnte sich die Pandemie über Jahre und Jahrzehnte selbst befeuern.

Dass ein solches Szenario nicht unwahrscheinlich ist, belegen Ergebnisse von Forschern der Universitäten in Adelaide, Australien, und Tucson, USA. Die Gruppe hat bei vergleichenden Analysen des menschlichen Erbguts Hinweise auf mehrere und länger anhaltende Coronavirus-Pandemien im Verlauf der Menschheitsgeschichte gefunden. Das älteste und zugleich stärkste gefundene Signal weist auf eine Coronavirus-Epidemie vor rund 20.000 bis 25.000 Jahren zurück. Sie hielt den Analysen zufolge mehrere Menschengenerationen an (also mindestens Jahrzehnte) und führte zu signifikanten Anpassungen im menschlichen Erbgut.

Vor 20.000 bis 25.000 Jahren wütete in Ostasien eine vermutlich durch Coronaviren verursachte Epidemie. Darauf deutet eine Ansammlung spezifischer Mutationen von 42 Genen, die nachweislich mit Coronaviren interagieren. Sie haben sich über mehrere Generationen in den Genomen der betroffenen Bevölkerungsgruppe akkumuliert, weil sie während der Epidemie das Überleben der Träger begünstigt haben.

(Bild: The Cell, Current Biology)

Berechnungen zufolge kommt die aktuelle Pandemie zum Erliegen, wenn 60 bis 70 Prozent der Individuen einer Population immun gegen das Virus sind – sei es durch eine Impfung oder durch eine überstandene Infektion. Das Virus findet dann zunehmend weniger anfällige Personen und kann sich nicht mehr ausbreiten. Mithin werden die Chancen, die Pandemie zu beenden, um so größer je schneller die Impfungen voranschreiten. Deshalb gelten Impfstoffe, die man leicht transportieren und lagern kann, als Hoffnungsträger im Wettlauf gegen das Coronavirus, weil sich damit die Impfrate beschleunigen lässt.

Eine Hürde, die Impfungen abseits der Industrienationen entgegensteht, ist die aufwendige Kühlung und Lagerung. Zum Beispiel muss der von BioNTech und Pfizer entwickelte Impfstoff BNT162b2 auf -60° bis -80° Celsius gekühlt werden, wenn er für längere Zeit aufbewahrt werden soll. Dem wollte das ambitionierte Tübinger Unternehmen CureVac einen eigenen Impfstoff hinzufügen, der sich selbst bei 5° Celsius monatelang im Kühlschrank hält.

Im ersten Anlauf scheiterte CureVac jedoch. CVnCov, der erste Vakzinkandidat der Firma, erreichte in einer klinischen Studie nur 47 Prozent Schutzwirkung gegen eine COVID-19-Erkrankung jeglichen Schweregrads und verfehlte damit die Zulassungsanforderungen. Die Weltgesundheitsorganisation fordert eine Schutzwirkung von mindestens 70 Prozent. BNT162b2 und das von Moderna entwickelte Vakzin mRNA-1273 erreichen in verschiedenen Untersuchungen 80 bis 95 Prozent.

Alle drei Impfstoffe, BNT162b2, mRNA-1273 und CVnCov gründen auf strangförmigen mRNA-Molekülen und enthalten den Code (das Gen), anhand dessen menschliche Zellen das typische Spike-förmige Oberflächenprotein des SARS-CoV-2-Virus im Do-it-yourself-Verfahren nachbauen. Den mRNA-Code kann man sich daher auch als Bauanleitung für das Spike vorstellen. Die massenhaft hergestellten Spikes dienen im Weiteren als Attrappen, anhand denen der lernfähige Teil des menschlichen Immunsystems gegen das vollständige Virus trainiert wird.

Im Detail gibt es aber erhebliche Unterschiede zwischen den drei Impfstoffen. Beispielsweise fällt auf, dass der Code des CureVac-Impfstoffs rund 200 Bausteine kürzer ist. Der Unterschied kommt durch verschiedene, für die Spike-Produktion bedeutsame regulatorische Elemente zustande. Jeder Hersteller von mRNA-Impfstoffen fügt solche Steuerelemente vor und hinter dem Spike-Gen ein. Sie können die Lebensdauer (Halbwertszeit) einer mRNA beeinflussen oder auch die Menge der produzierten Spike-Proteine. Welche Elemente ein Hersteller verwendet, liegt in seinem eigenen Ermessen.

Weiter fällt auf, dass CureVac für seine mRNA ausschließlich die vier üblichen RNA-Bausteine verwendet (Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil, abgekürzt A, G, C und U). Mehrere Forschungsgruppen haben aber schon vor Jahren experimentell belegt, dass seltene Bausteine (auch modifizierte RNA genannt), die Abwehrreaktion des angeborenen Immunsystems drosseln. Das ist für Impfstoffe von Vorteil, denn normalerweise zerlegt das angeborene Immunsystem fremde mRNA im Rahmen der körpereigenen Virusabwehr in Einzelteile.

Genetische Impfstoffe lassen sich am Reißbrett konstruieren. Die Hersteller modifizieren ein Gen des Erregers (z. B. das Spike-Gen von SARS-CoV-2) und ergänzen es mit zusätzlichen regulatorischen Elementen, um etwa die Anheftung an die Protein-Printer (Ribosomen) zu verbessern. Welche Ergänzungen und Modifikationen ein Hersteller einfügt, liegt in seinem Ermessen. Eine detaillierte Beschreibung der hier grafisch dargestellten Code-Unterschiede finden Sie in der c't-Ausgabe 18/21.

(Bild: c't-Magazin)

Fremde RNA (also etwa mRNA-Impfstoffe) wird sogar eher attackiert, wenn sie nur die üblichen RNA-Bausteine enthält. Und umgekehrt verwenden viele Organismen in ihren eigenen mRNAs seltene (modifizierte) Bausteine. Erste harte Belege dafür lieferte bereits in den 2000er Jahren die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó an der Universität Pennsylvania. Sie arbeitet inzwischen für BioNTech. Die Uni Pennsylvania hat sich ihr Verfahren patentieren lassen und zu den Lizenznehmern gehören BioNTech und Moderna. Einzelheiten dazu haben wir in einem umfassenden Artikel beschrieben, der in der c't-Ausgabe 18/21 erscheint.

Unterm Strich verwundert es, dass CureVac keine seltenen Bausteine in CVnCov verwendet. Einiges deutet darauf hin, dass ein alarmiertes Abwehrsystem fremde mRNA-Moleküle zerstört und je weniger davon in die Zellen gelangen, desto geringer fällt die Spike-Produktion aus. Die Ribosomen in den Zellen (Protein-Printer im Nanoformat) synthetisieren mangels mRNA-Bauanleitungen nur wenige Spikes. Die Folge ist dann eine nur schwache Immunantwort.

Umgekehrt haben verschiedene Arbeitsgruppen in Experimenten gezeigt, dass mRNA, die seltene Bausteine enthält, besser gegen den Abbau geschützt ist und eine höhere Proteinproduktion bewirkt. Entsprechend setzen BioNTech und Moderna seltene RNA-Bausteine in ihren mRNAs ein (namentlich 1-Methylpseudouridin anstatt Uracil).

Wir haben CureVac gebeten zu erklären, weshalb das Unternehmen keinen der seltenen Bausteine in CVnCov verwendet. In ihrer ausführlichen Stellungnahme schreibt die Firma, dass sie die Wirkung seltener (modifizierter) RNA-Bausteine in eigenen Experimenten bisher nicht nachvollziehen konnte und stattdessen auf einen anderen Weg vertraut, um mit CVnCov eine Immunantwort hervorzurufen. Bemerkenswert finden wir, dass CureVac in der Stellugnahme erstmals ankündigt, künftig im Rahmen der Kooperation mit dem Partner GlaxoSmithKline auch Impfstoffkandidaten auf Basis von "modifizierter mRNA" prüfen zu wollen.

Die komplette Stellungnahme finden Sie in der kommenden c't-Ausgabe 18/21. Dort sind auch detaillierte Beschreibungen weiterer Code-Unterschiede zwischen CVnCov und BNT162b2 aufgeführt. Abonnenten von heise+ können den Beitrag "Code-Vergleich: Warum der CureVac- Impfstoff durchgefallen ist" bereits heute lesen. Der Artikel gehört zu einer unregelmäßigen Serie über Bioprogrammierung und knüpft an den Beitrag "Zielwasser – Mit programmierbarem Impfstoff gegen SARS-CoV-2" an.

c’t Ausgabe 18/2021

In c’t 18/2021 nehmen wir die Technik aktueller E-Bikes unter die Lupe, testen Räder und zeigen legale Tuning-Tricks. In einem Schwerpunkt beschreiben wir die Tücken von VPN und erklären, wie Sie sich sicher im Internet bewegen können. Wie beleuchten, warum der Impfstoff von CureVac (bislang) durchgefallen ist und beschreiben, wie Sie Daten von verschlammten Festplatten retten können. Ausgabe 18/2021 finden Sie ab dem 13. August im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk.

(dz)