"Corporate Governance" für die Internet-Verwaltung

Kritiker sehen in einem Vorschlag von ICANN zur "Corporate Governance" bei der Internet-Verwaltung eine Schwächung der Aufsichtsrolle, die die ehrenamtlichen Direktoren gegenüber den fest angestellten Mitarbeitern und dem CEO ausüben sollen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet- und DNS-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names (ICANN) will das Verhältnis zwischen hauptamtlichem Büro und ehrenamtlichen Direktoren klarer fassen. Gutes Management und eine effektive Aufsicht über mögliche Fehlentwicklungen, amerikanisch kurz gefasst "Corporate Governance", gehören seit den Skandalen um Enron und Worldcom zum guten Ton bei US-Unternehmen. Parallel zur Veröffentlichung der Rangliste der .net-Bewerber hat die ICANN daher einen Entwurf zu Richtlinien für die Corporate Governance bei der Internet-Verwaltung vorgestellt.

In dem Dokument werden Maßnahmen zur Absicherung der Unabhängigkeit des Direktoriums, zu den Mechanismen und der Evaluierung der Arbeit des Direktoriums selbst, zu Anforderungen an die Direktoren, zum Verhältnis von Direktoren und Hauptamtlichen und der Bezahlung der hauptamtlichen Führungsriege gemacht. Beispielsweise sollen die Direktoren mindestens einmal im Jahr ohne den CEO zusammentreffen. Die Direktoren und auch das mit Gehaltsfragen betraute Komitee des Direktoriums -- das übrigens komplett mit "unabhängigen", das heißt nicht von Unternehmen kommenden Direktoren besetzt sein soll -- müssen nach den Vorschlägen die Arbeit des CEO regelmäßig überprüfen. Möglichst viele Direktoren sollen demnach aus dem nicht-kommerziellen Bereich kommen.

Die Debatte, ob die Arbeit des hauptamtlichen ICANN-Büros ausreichend transparent ist, spiegelt sich besonders in der Forderung eines unbeschränkten Zugangs der Direktoren zu Dokumenten und den Managern von ICANN, die als Unternehmen ohne Gewinnabsicht organisiert ist. Kritiker erinnern sich an den Rechtsstreit, den der ehemalige ICANN Nutzer-Direktor Karl Auerbach geführt hatte, um Einsicht in eine Reihe von Dokumenten, darunter Abrechnungen mit der ICANN-Hauskanzlei Jones Day zu bekommen.

Ob die Direktoren über das Dokument allerdings so begeistert sein werden, ist fraglich. Obwohl sie in gewisser Weise in ihrer Wächterrolle bestärkt werden, geht es in vielen Punkten vor allem um ihre Verpflichtungen gegenüber ICANN -- bis hin zu den zeitlichen Festlegungen. Der gesamte Schlussabschnitt befasst sich damit, wie sich die Direktoren gegenüber der Geschäftsführung zu verhalten haben: "Direktoren müssen sicherstellen, dass völlig klar ist, wie viel Autorität an den CEO abgegeben ist. Regeln und Strategien, auf die sich die Direktoren geeinigt haben, sollten unzweideutig und praktisch umsetzbar formuliert sein, sodass CEO und Personal, die für die Umsetzung verantwortlich sind, klar wissen, was zu tun ist", heißt es in dem Vorschlag. Und wenn dem CEO etwas übertragen worden sei, sollten die Mitglieder des Direktoriums diese Autorität nicht durch Worte oder Taten unterminieren.

ICANN-Kritiker reagierten mit Skepsis auf den Vorschlag. Bret Fausett bezeichnet die Warnung vor der Unterminierung des CEO als Widerspruch zur der Idee zur Aufsichtsrolle. Kritiker Auerbach warnt gar vor einem Kotau, den die Direktoren vor dem Management zu machen hätten. Die Direktoren selbst, die ihre Unterschrift unter diese Prinzipien setzen sollen, werden beim nächsten Treffen in Mar del Plata Gelegenheit zu Kritik bekommen. (Monika Ermert) / (jk)