Craob X: Das Zu-gut-um-wahr-zu-sein-Notebook

Das flache und leichte Craob X soll das erste Notebook ganz ohne Anschlüsse werden, doch das Konzept wirft viele Fragen auf. Ein Realitäts-Check.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 81 Kommentare lesen

(Bild: Craob)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Das Start-up Craob will mit seinem schlicht X getauften Notebook den Markt aufmischen: Es soll einen leistungsstarken Core-i-Prozessor von Intel enthalten und vollständig ohne Anschlüsse auskommen. Dadurch fällt der Rumpf extrem flach aus. Herstellerbilder zeigen zudem einen fast randlosen Bildschirm mit abgerundeten Ecken und einer Punchhole-Webcam; das drahtlose Ladegerät soll magnetisch außen am Deckel halten.

Allerdings wirft diese Ansammlung vieler ungewöhnlicher Aspekte auch viele Fragen auf. Wir haben die Konzeptbestandteile deshalb einmal unter die c't-Lupe genommen und erklären, warum das Gerät mit heutiger Technik nicht gebaut werden kann – obwohl Craob ganz konkret CPUs der frisch vorgestellten zwölften Core-i-Generation benennt und "coming soon" auf seiner Website schreibt.

Rätselraten: Wo soll bei dem flachen Gehäuse das für den genannten Prozessor benötigte Kühlsystem sein? Und wo der Akku?

(Bild: Craob)

Dass es technisch möglich ist, ein Notebook drahtlos zu laden und sämtliche Peripheriegeräte ebenfalls ohne Kabel anzuschließen, hat Dell bereits vor rund zwölf Jahren mit dem Latitude Z600 bewiesen. Dieses teure Business-Notebook erhielt allerdings nie einen Nachfolger, und es hat sich zwischenzeitlich auch wenig getan, um die schon damals störenden Bandbreitenlimitierungen zu beheben.

Während drahtgebundene Schnittstellen seit dem Z600 in mehreren Iterationen flotter geworden sind und das praktische, universelle USB-C überhaupt erst debütierte, wurde Wireless USB alias UWB-Funk nicht weiterentwickelt – und schon damals gab es selbst im Optimalfall nicht mehr als USB-2.0-Geschwindigkeit. Das ist schon für USB-Sticks zu wenig, von Monitorbildern ganz zu schweigen. Für Präsentationen könnte man auf MiraCast oder Wireless Display setzen, was dann entsprechend bestückte Konferenzräume und TV-Geräte als Gegenstellen benötigt.

Craob verrät nicht, wie die rasanten Thunderbolt-Buchsen am Hub drahtlos an das Notebook angebunden werden.

(Bild: Craob)

Dass man als Notebooknutzer gar nicht komplett auf physische Schnittstellen verzichten will, gesteht übrigens auch Craob indirekt ein – weil es einen passenden Drahtlos-Hub als Dockingstation geben soll. Wir wüssten aber nicht, wie Craob die für den Hub versprochene Thunderbolt-Schnittstelle drahtlos an das Notebook koppeln will: Wenn das mit voller Bandbreite und geringer Latenz ginge, hätte das sicherlich schon mindestens ein etablierter Hersteller in Angriff genommen.

Der Hub soll gleichzeitig das Notebook drahtlos mit Energie versorgen, und zwar induktiv, wenn man einer Explosionsgrafik des Hubs folgt. Dass er dazu magnetisch außen am Deckel andockt, wäre machbar. Die Bilder zeigen als Hub allerdings einen kompakten Quader mit (anhand der USB-Buchsen geschätzt) bestenfalls 8 Zentimetern Kantenlänge, was dann auch die Größe der Primärspule vorgibt. Das ist nicht viel mehr als etwa beim etablierten Qi-Standard. Die darüber möglichen 7,5 bis 15 Watt reichen für ein Notebook aber nicht aus – und stärkere, proprietäre Lösungen sind aktuell nicht serienreif.

Explosionsrenderbild: Zum drahtlosen Laden kommt offensichtlich Induktionstechnik zum Einsatz.

(Bild: Craob)

Für ein praxistaugliches Notebook müsste Craob sogar eine noch bessere Technik in der Hinterhand haben als das, was Smartphone-Hersteller gerne als Prototypen auf Messen zeigen. Sonst lassen sich jedenfalls andere Versprechen nicht erfüllen: Weder wäre Schnellladen drin noch die "beast like performance" des explizit genannten Intel-Prozessors, der mindestens 28 Watt verheizt. Hinzu kommen weitere Verbraucher wie SSD, Bildschirm und der hypothetische Hochleistungsfunk, der die Schnittstellen am Hub ansteuert.

Proklamierte Notebook-Eckdaten wie der 7 Millimeter flache Rumpf und unter ein Kilogramm Gesamtgewicht klingen verlockend, passen aber ebenfalls nicht zu anderen Angaben. In einem so flachen Rumpf lassen sich vielleicht Mainboards mit passiv gekühlten CPUs unterbringen, aber kein Kühlsystem, das die vielfach höhere Abwärme des Intel-Prozessors abführen könnte. Und selbst wenn, dann würde der (bauartbedingt unter 7 Millimeter hohe) Lüfter sicherlich permanent herumheulen. Auch die Laufzeiten könnte man praktisch vergessen – es gibt ja kaum Bauraum für den Akku.

Irgendwie schafft es Craob, das schon von Archimedes beschriebene Hebelgesetz außer Kraft zu setzen.

(Bild: Craob)

Das niedrige Gewicht wirft wiederum die Frage auf, wie das mit dem Magnetlader am Deckel klappen soll: Schon das Eigengewicht des Hubs wird eine Herausforderung für die Standfestigkeit des Notebooks. Wenn dann dort noch Peripheriegeräte angesteckt werden, dürfte ein Überkippen unvermeidlich sein.

Das Craob X soll schließlich mit einem nahezu randlosen, hochauflösenden Bildschirm locken; laut Bilder dürfte er ein 3:2-Format haben. Allerdings werfen zwei andere Details Fragen auf: Die Ecken sind großzügig abgerundet, und die Webcam ist per Punchhole realisiert – sie guckt also durch ein Loch im Panel. Solch einen Bildschirm kann an sich gefertigt werden und ist bei manchen aktuellen Smartphones und Tablets vorgesehen. Aber: Das sind eben keine Notebooks, und den gängigen dafür vorgesehenen Betriebssystemen Windows und Linux fehlen wiederum jegliche Anpassungen für solche Display-Besonderheiten.

Gängige Notebook-Betriebssysteme haben keine Anpassungen, um mit runden Bildschirmecken und Punchhole-Webcams umzugehen.

(Bild: Craob)

Ein derzeit bereits erhältliches Notebook mit vier abgerundeten Ecken ist der Surface Laptop Go. Dessen Bildschirm hat wesentlich kleinere Eckabrundungen, und dennoch muss man dort mit Einschränkungen bei der Bedienung der regulären Windows-Oberfläche leben. Wohlgemerkt: Das Gerät stammt von Microsoft und damit vom selben Hersteller wie das Betriebssystem.

Bei den neuen MacBook Pro sind wiederum nur die oberen Ecken abgerundet. Apple hat dafür und für den Webcam-Notch (die Aussparung mittig am oberen Bildschirmrand) Anpassungen in macOS vorgesehen. Dennoch kann es zu verdeckten Bildinhalten kommen – und zwar bei bereits angepassten Anwendungen. Alle anderen können die Bereiche links und rechts vom Notch erst gar nicht nutzen: Diese werden für sie ausgeblendet und die App erscheint auf einer regulären, rechteckigen Fläche.

Damit ist klar: Die Ansammlung von Besonderheiten, die das Craob X verspricht, sind auf absehbare Zeit nicht vollständig realisierbar. Drahtloses Laden geht nur lahm und reicht für den angedachten Prozessor nicht aus; letzteres gilt auch für die geringe Gehäusedicke. Rasantes Thunderbolt ohne Kabel ist gänzlich Wunschdenken – und der gezeigte Bildschirm macht ohne Anpassungen an Windows und Linux viel Frust. Sollte sich wiederum an einem oder mehreren dieser generischen Stolpersteine künftig etwas ändern, wird man das dann sicherlich auch bei etablierten Herstellern vorfinden.

Wohlgemerkt: Ein so dünnes Notebook ohne physische Schnittstellen ist machbar, sofern ein Hersteller das will. Mit heutiger Technik müsste man aber viele Kompromisse eingehen, etwa einen rechteckigen Bildschirm und den Verzicht auf ein drahtloses Dock. Als Prozessor käme nur ein viel langsamerer Chip wie der Pentium Silver N6000 infrage. Für den würde dann wiederum wohl ein etablierter Qi-Lader genügen, und er brächte auch mit wenig Akkukapazität alltagstaugliche Laufzeiten zustande.

Und immerhin: Craob hat bislang nur ein Konzept vorgestellt – das tut niemandem weh. Dieser Artikel ist allerdings als prophylaktische Warnung zu verstehen, falls das Start-up künftig mit denselben Renderbildern und Versprechungen um Vorbestellungen gegen Geld werben sollte. Stand heute hat die Website übrigens weder ein Impressum noch eine Möglichkeit, in Kontakt zu treten. (mue)