Cyberangriffe: Ex-BND-Chef fordert Hackbacks und Knacken von Kommunikation
Nach der mutmaßlich russischen Spionage-Attacke auf die SPD verlangt der frühere BND-Chef Schindler deutlich mehr Überwachungsbefugnisse für die Geheimdienste.
Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat erneut für Gegenschläge im Internet als Reaktion auf Cyberangriffe geworben. "Es wäre gut, wenn wir mal vor die Welle kommen würden", erklärte der Jurist gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ein Mittel dazu wären Hackbacks, mit denen sich Cyberattacken abwehren ließen. "Darüber diskutieren wir in Deutschland schon seit über zehn Jahren", moniert der 71-Jährige. Die Schweiz habe Hackbacks dagegen schon 2016 eingeführt.
Schindler bezeichnete die hiesige Debatte über digitale Gegenschläge schon 2019 als "irre", da es sich dabei um ein legitimes Reaktionsmittel handle. Die Sicherheitsbehörden seien aktuell "verpflichtet zuzuschauen, wenn wir angegriffen werden". Die Bundesregierung lehnt in ihrer nationalen Sicherheitsstrategie und im Koalitionsvertrag Hackbacks als Mittel der Cyberabwehr zwar prinzipiell ab. Gleichzeitig strebt sie aber "die Schaffung einer Bundeskompetenz zur Gefahrenabwehr bei schwerwiegenden Cyberangriffen aus dem In- und Ausland durch Änderung des Grundgesetzes an". Vor allem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) macht sich dafür stark.
"Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Kommunikation zu knacken", unterstrich Schindler in dem neuen Interview. Deutschland tue sich auch mit der Kommunikationsüberwachung schwer und komme etwa bei der Vorratsdatenspeicherung nicht voran. Zudem dürfe der BND bei der Aufklärung grundsätzlich keine deutschen Telefonnummern oder E-Mail-Adressen erfassen: "Das ist ein großes Handicap." Ein ausländischer Agent brauche nur ein deutsches Handy zu nehmen und schon sei der BND draußen. Der Verfassungsschutz bräuchte eine Möglichkeit zur strategischen Kommunikationsaufklärung im Inland.
KI kann helfen
Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) durch die Sicherheitsbehörden hält Schindler ebenfalls für hilfreich zum Schutz der Bürger und des Know-hows der Wirtschaft. So könnte etwa das Erkennen von Mustern helfen, "wer wann immer wieder an welche Orte fliegt". Reisewege seien bei der Aufklärung ein wichtiger Ansatzpunkt. Solche Rasteranalysen seien nach hiesigem Datenschutzrecht aber "nahezu unmöglich". Schindler ist sich aber auch bewusst: Hier etwas ändern zu wollen, "bedeutet, dicke Bretter zu bohren". Generell werde Spionage noch zunehmen: "Wir haben neben Russland und China viele weitere Player wie Iran oder Nordkorea." Die USA, die mit der NSA weltweit im großen Stil Spähaktionen betreiben und dabei den BND bereits vorführten, nannte der Berater und Lobbyist nicht.
"Angriff ist im Internet nicht die beste Verteidigung", widersprach der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, Schindler postwendend. Es brauche Prävention statt Hackbacks. Bekannte Sicherheitslücken müssten mit einem unabhängigeren Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schnellstmöglich geschlossen werden. Das Recht auf Verschlüsselung verschaffe dem Einzelnen zudem die Mittel, "sich und damit die Gesellschaft besser vor Attacken zu schützen".
Auslöser für die Wiederaufnahme der Debatte ist, dass die Bundesregierung gerade eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes für einen Cyberangriff auf E-Mail-Konten der SPD-Parteizentrale im vorigen Jahr verantwortlich gemacht hat. Weitere Online-Attacken richteten sich laut Innenministerium etwa gegen deutsche Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Rüstung, Luft- und Raumfahrt, IT-Services sowie gegen Stiftungen und Verbände.
(vbr)