Cyberkrieg: Sicherheitsexperte fordert Abschreckung mit Hackbacks

Sicherheitsexperten sprechen sich dafür aus, die verschärfte Bedrohungslage im Cyberraum als gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft zu verstehen.

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(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ulrich Hottelet
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Mehr Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen im Kampf gegen die hybride Kriegsführung Russlands forderten Fachleute aus Wirtschaft und Politik in einer Podiumsdiskussion in Berlin. Besonders der Mittelstand brauche Hilfen, um sich gegen die wachsende Bedrohungslage wappnen zu können.

Russland führe den hybriden Krieg gegen Deutschland und Europa schon seit Jahren, sagte Sicherheitsexperte Nico Lange im Rahmen einer Veranstaltung im Basecamp Berlin. Darunter versteht man eine Kombination politischer, wirtschaftlicher, medialer, geheimdienstlicher, cybertechnischer und militärischer Kampfformen. Dadurch verwischen die völkerrechtlichen Grenzen zwischen Krieg und Frieden.

"Cyberangriffe, Sabotage und Spionage sind Alltag in Europa", sagte Lange. Eine Bedrohungsquelle sei der Hacktivismus, den es auch seitens der Ukraine gebe. Oft stammten die IP-Adressen von Cyberangriffen aber aus Russland, China, Nordkorea und Iran. Als Grund für die erfolgreiche Verteidigung der Ukraine im Cyberraum nannte er die gute Resilienz, die das Land mithilfe seiner Unternehmen erreicht habe.

Daraus könne auch Deutschland lernen, meint Lange, der bis 2022 dem Leitungsstab des Verteidigungsministeriums vorstand. Aus dieser Zeit wisse er, "dass wir Dinge könnten, die wir im Moment nicht dürfen". Die Zeitenwende erfordere es, diese Politik zu überprüfen.

Zur Abwehr empfiehlt Lange auch Hackbacks. Die bisher offene Frage der offensiven Cyberfähigkeiten werde in Deutschland drängender. "Wir müssen ein Preisschild für Angreifer aufstellen. Denn unsere Verteidigung ist zu schwach." Durch die Drohung mit Hackbacks könne man Angreifer abschrecken und ihnen klarmachen, dass sie Kosten zu tragen hätten.

Auch die Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, sprach sich dafür aus, die verschärfte Bedrohungslage als gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft zu verstehen. Sie kritisierte den "Wirrwarr von Verantwortlichkeiten und Ansprechpartnern" beim Schutz der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS).

Die weltweiten Reaktionen auf die wahrscheinlich von der Terrorgruppe Islamischer Dschihad abgefeuerte Rakete auf das Krankenhaus im Gaza-Streifen hätten gezeigt, wie effektiv Desinformation und die Destabilisierung offener Gesellschaften seien, meint Brugger. Viele Medien hatten zunächst die Darstellung der Islamisten übernommen, die Israel die Schuld gaben. Brugger forderte mehr Faktenchecks und eine sorgfältigere Quellenprüfung.

In der weiteren Diskussion berichtete Marina Grigorian, Berliner Repräsentantin von Telefónica Deutschland, von einem leichten Anstieg bei Cyberangriffen seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Einhellig plädierte das Podium für ganzheitliches Denken in Staat und Wirtschaft für mehr Cybersicherheit.

Lange warnte davor, dass sich die Methoden beim Social Engineering und Phishing weiterentwickeln und so schwerer zu erkennen seien, zum Beispiel durch Deepfake-Anrufe. Er schloss mit der Einschätzung: "Wenn China viele Infrastrukturen in Deutschland heute nicht angreift, liegt das vielleicht daran, dass sie schon drin sind."

(vbr)