DLR-Chef Wörner: "Der Mensch wird zum Mars fliegen – ganz klar"

Der Mensch will immer höher hinaus. Er wird es auf den Mars schaffen, glaubt der Chef des Luft- und Raumfahrtzentrums. Auch für ihn selbst geht es nach oben. Er wird die Raumfahrtorganisation ESA leiten.

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DLR-Chef Wörner: "Der Mensch wird zum Mars fliegen – ganz klar"

(Bild: ESA © 2007 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/ LAM/IAA/ RSSD/ INTA/ UPM/ DASP/ IDA)

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Von
  • dpa

Acht Jahre war er an der Spitze des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das auch Forschung bei Energie, Verkehr und Sicherheit vorantreibt. Doch für Professor Jan Wörner geht es jetzt noch höher hinauf – er wird am 1. Juli Chef der europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Ihr gehören 20 EU-Länder an, dazu außerdem noch die Schweiz und Norwegen sowie Kanada als assoziiertes Mitglied. Im dpa-Interview blickt Wörner noch einmal zurück und dann in die Zukunft.

Was waren besondere Highlights für Sie an der DLR-Spitze?

Jan Wörner: Bei der Mission von Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation ISS war es so, dass ich vom Auswahlprozess bis zu seinem Rückflug jeden Schritt begleiten konnte. Das war toll. Aber auch die Mission der Raumsonde Rosetta oder (...) die Inbetriebnahme unseres neuen Forschungsflugzeugs, Airbus A 320 Atra, ist begeisternd.

Bilder des deutschen Astronauten Alexander Gerst aus der ISS (20 Bilder)

Die Kuppel war einer der liebsten Aufenthaltsorte Gersts.
(Bild: ESA/NASA)

Ein Amerikaner und ein Russe sind gerade auf die ISS geflogen, erstmals für ein Jahr. Wofür eine so lange Mission?

Jan Wörner: Eine solche Langzeitmission ist aus medizinischer Sicht hochspannend – Themen wie Blutdruck-Regulation, Salzhaushalt, Alterung der Haut, Osteoporose, auch das Verhalten des Immunsystems in der Schwerelosigkeit. All das näher zu untersuchen und die Erkenntnisse für die Erde zu nutzen, ist eine wichtige Forschungsaufgabe. Bezüglich einer angestrebten Mars-Mission muss man sagen: Auch wenn die beiden das Jahr ohne Probleme überstehen, was ich glaube, ist damit noch lange nicht der Weg zu einer Mars-Mission geebnet. Wird einer der beiden morgen auf der ISS krank, ist er übermorgen zurück auf der Erde. Würde man nach dem Start Richtung Mars krank, dauerte es zwei Jahre, bis man in ein irdisches Krankenhaus gebracht werden kann.

Wäre eine Rückkehr überhaupt machbar? Eine private Stiftung will Menschen ja ohne Rückflugticket losschicken.

Jan Wörner wird neuer ESA-Chef.

(Bild: DLR, CC-BY)

Jan Wörner: Eine One-Way-Mission ist unethisch. Menschen auf Gedeih und Verderb den dortigen Bedingungen auszusetzen, für immer dort zu lassen, halte ich nicht für akzeptabel. Wir können auf dem Mars nicht atmen, nicht draußen herumlaufen, brauchen wegen der Strahlung erhöhten Schutz – ohne Rückkehr-Perspektive ist eine solche Mission undenkbar.

Wann fliegen die ersten Menschen denn zum Mars?

Jan Wörner: Der Mensch wird zum Mars fliegen – ganz klar. Der Mensch macht das, wenn er dafür die richtige Technik hat. Das dauert aber noch ein bisschen. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft über die erforderlichen Transportmittel verfügen werden, die uns zum und vom Mars wieder zurückbringen werden. Von besonderer Bedeutung sind bei solch einem Flug die menschliche Psyche und die medizinische Frage. Ich sehe noch nicht, wie man hier die Probleme lösen will. Aber wenn wir es schaffen, die Erde in den nächsten Milliarden Jahren bewohnbar zu halten, könnten wir dann durch die Entwicklung der Sonne zum Auswandern gezwungen sein.

Zum Mars fliegen wir aber doch sicher schon vorher.

Jan Wörner: Ja, natürlich viel früher. Die Neugier ist eine ganz starke Triebfeder. Aber es muss gesichert sein, dass es unter den richtigen ethischen Überschriften erfolgt. Die Amerikaner sind sehr mutig und reden von 2030/35. Ich fände es schon sehr anspruchsvoll, wenn es vor 2050 gelingen könnte.

Wie lange gibt es die Raumstation ISS noch, und was kommt danach?

Jan Wörner: Ursprünglich war die ISS bis 2020 geplant. (...) Derzeit sagen die Amerikaner und die Russen: bis 2024. Hier fehlen aber noch die Beschlüsse aus Europa. Ich gehe fest davon aus, dass wir die ISS bis 2024 betreiben werden. Was immer danach kommt, braucht eine Vorbereitungszeit. 9, 10, 15 Jahre. Es ist daher wichtig, bereits jetzt darüber nachzudenken. Für mich ist klar: Wir werden weiter Menschen in der erdnahen Umlaufbahn haben müssen, auch wegen der medizinischen und der technologischen Möglichkeiten. Wir müssen jetzt ein Szenario für die Nach-ISS-Zeit entwickeln.

Kommt das auf Sie zu als neuer ESA-Chef?

Jan Wörner: Das wird eine meiner ersten Aufgaben in der neuen ESA-Funktion sein, die ich voranbringen muss. Die ISS ist sehr groß. Man könnte über kleinere, flexiblere Systeme nachdenken. Der internationale, globale Charakter muss erhalten bleiben. (...) Aber wichtig ist auch, was die Bevölkerung von der Raumfahrt erwartet. Das möchte ich viel früher wissen, gesellschaftliche Bedürfnisse miteinbeziehen. (mho)