DNS-Verwirrung durch neuen Ländercode

Die Verwirrung um den neu vergebenen Ländercode .cs offenbart die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit zwischen Internet-Verwaltung ICANN/IANA und der ISO.

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Von
  • Monika Ermert

Der für die offiziellen Länderkürzel zuständige Arm der International Organization for Standardization (ISO) sorgt für Verwirrung im DNS. Die Organisation hatte Ende Juli angekündigt , dem nach dem Krieg in Jugoslawien neu entstandenen Staatsgebilde Serbien und Montenegro als neuen Alpha-2-Code das Kürzel "cs" (statt bislang .yu) zu verpassen. Doch dieses Kürzel ist im DNS keineswegs unbekannt, war bis 1993 darunter doch die Länderdomain der Tschechoslowakei zu finden.

Zwar haben deren beide Nachfolgestaaten, die Tschechische Republik und die Slowakei, heute ebenfalls neue Ländercodes (.cz und .sk). Aber noch sind lange nicht alle URLs verschwunden, in denen das Kürzel fortbesteht, warnt das Internet Architecture Board (IAB). Noch geisterten viele .cs-E-Mail-Adressen durch Web und Usenet, meint IAB-Chefin Leslie Daigle. Durch das von der ISO-Agentur nach nur so kurzer Zeit neu verliehene cs-Kürzel drohten dieselben Domains auf unterschiedliche Objekte zu verweisen. Daigle forderte die ISO-Agentur kategorisch auf, die Neuvergabe rückgängig zu machen. Die Wiedernutzung historischer Kürzel sollte vermieden werden, schreibt das IAB, oder erst nach 200 Jahren in Betracht gezogen werden. Kritik war zuvor auch vom Unicode-Konsortium gekommen.

Bei der ISO-Agentur ist man sich des Problems inzwischen bewusst, das außer dem DNS auch Archive betrifft. "Wir prüfen im Moment, ob eine Rücknahme des Codes möglich ist", sagt Cord Wischhöfer von der ISO. Wenn die Regierung von Serbien und Montenegro einem Alternativvorschlag zustimmt, stehe dem nichts entgegen. Eine gute neue Wahl zu treffen, sei allerding "politisch tricky", sagt Wischhöfer, denn viele geeignete Kürzel wie sm, ms oder sc sind bereits vergeben und der Country-Code sei eben mehr als eine reine Norm. Er habe immer auch ein wenig mit nationaler Souveränität zu tun. Sollte Serbien und Montenegro nicht zustimmen, dann gebe es für das DNS wohl keine gute Lösung. Die ISO hofft dann schlicht darauf, dass das Problem relativ beschränkt ist, da .cs nur rund drei Jahre aktiv als ccTLD genutzt wurde und -- zumindest offiziell -- seit spätestens 1994 komplett aus dem Hostcount verschwunden ist. Zudem könnte schon in drei Jahren eine neue Situation entstehen, sollte sich Montenegro in der dann möglichen Volksabstimmung gegen einen Verbleib bei Restjugoslawien entscheiden.

Sollte es mit der Rückabwicklung von .cs nicht klappen, steht ICANN/IANA vor der Frage, ob man der Delegation von .cs zustimmt. Das IAB und eine Reihe von Teilnehmern des ICANN-Treffens dieser Woche empfahlen dringend, diese Delegation zu verweigern. Einzelne Beobachter warnten auch vor der Möglichkeit, dass politisch Unliebsames bei der Migration zu einer neuen Länderdomain unterdrückt werden könnte. ICANNs Vorsitzender Vint Cerf erinnerte nochmals an die goldene Regel, dass die Organisation sich aus der Frage heraushalte, was ein Land sei und was nicht. Allerdings zeige der vorliegende Fall, dass eine Absprache zwischen der ISO-Agentur und ICANN über mögliche technische Gründe dringend angezeigt gewesen sei.

Eine verbesserte Kooperation zwischen Normungsexperten und DNS-Techies sagte man von Seiten der ISO schon jetzt zu. Zwar seien ICANN und IANA schon seit August auf der ISO-3166-Liste. Allerdings wünscht sich die ISO einen Ansprechpartner, mit dem vorab die Probleme besprochen werden können. Außerdem will man "im Lichte dieser Probleme die Praktik der Wiederverwendung von Codes überdenken", sagt Wischhöfer. Zwar werde man vielleicht nicht gerade 200 Jahre warten, aber doch wenigstens 50, bevor einstmals genutzte Codes neu vergeben werden. Allerdings kann es irgendwann einmal eng werden, denn die Menge der Alpha2-Codes ist beschränkt. Insgesamt gibt es nur 676 Mutationen. Davon sind rund 330 derzeit in Benutzung. (Monika Ermert) / (jk)