DNS4EU: EU-Bürger nutzen überwiegend europäische DNS-Resolver

Eine ICANN-Studie stellt das europäische DNS-Projekt infrage: Die meisten Internetteilnehmer in der EU nutzen die DNS-Server ihrer Provider und nicht Google.

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(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Aktuelle Zahlen ziehen den Sinn der EU-Pläne für einen zentralen europäischen DNS-Resolver in Zweifel. Laut einer von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) veröffentlichten Studie nutzten im Januar 87 Prozent der Internetteilnehmer in der EU die lokalen DNS-Resolver ihrer Provider. Dem am Dienstag vom Büro des ICANN-CTO veröffentlichten Papier zufolge nutzen nur gut 12 Prozent der Teilnehmer in der EU einen nicht-europäischen DNS-Anbieter wie Google oder Open DNS.

Weltweit liefen im Januar die Anfragen eines Fünftel der Nutzer über große internationale DNS-Provider, allein 17 Prozent nutzen der ICANN zufolge einen Google-Resolver – Tendenz steigend. Auf diesen Trend hatte die EU-Kommission mit der Ausschreibung für einen europäischen Resolver-Dienst reagiert. Für 14 Millionen Euro soll "DNS4EU" Nutzerinnen und Nutzern in der EU eine datenschutzfreundliche Alternative zu den Googles und Cloudflares bieten.

Schon bei der Veröffentlichung der Ausschreibung hagelte es Kritik aus der Branche – und das nicht nur, weil mit einem zentralen Resolver auch ein mögliches Zensurinstrument geschaffen wird. Ein Argument: In Europa spielten die großen US-Anbieter gar keine so große Rolle. Das wird offenbar von den ICANN-Zahlen untermauert. Doch hat die ICANN deutliche Unterschiede bei Privat- und Geschäftskunden festgestellt. Demnach verlassen sich Privatkunden der großen Zugangsanbieter zumeist auf das DNS ihres Providers, bei Geschäftskunden und kleineren Providern ist der Anteil von Google oder anderen höher.

Nur wenige Privatkunden nutzen alternative DNS-Angebote von Google oder Cloudflare.

(Bild: ICANN)

Über 90 Prozent der privaten Internetnutzer in der EU verlassen sich auf das DNS ihrer Zugangsanbieter, nur 9,4 Prozent greifen auf die öffentlichen Resolver von Google, Cloudflare und anderen zurück. Die ICANN-Autoren erklären das nicht zuletzt damit, dass normale Internetnutzer den Aufwand, einen externen DNS-Anbieter einzutragen, nicht aufbringen wollen. In Ländern mit mehr staatlicher Zensur ist das oft anders.

Etwas anders sieht es bei kleineren Providern und Unternehmen aus. Knapp 40 Prozent der Unternehmen nutzen laut der ICANN öffentliche Resolver, und Google führt dabei mit 31 Prozent der gemessenen Anfragen die Liste an. Nur etwa 32 Prozent bedienen sich der Dienste ihrer ISPs und ein noch kleinerer Teil kümmert sich selbst ums DNS. Das ganze könnte eine Kostenfrage sein, schätzen die ICANN-Experten. Teilweise würden aber wohl auch von den großen Resolverfirmen gefilterte DNS Varianten mit eingekauft.

Steigende Kosten für den Betrieb von sicherem DNS könnten schließlich auch der Grund sein, warum kleine ISPs die öffentlichen Resolver verwenden und damit an ihre Kunden durchreichen, heißt es in dem ICANN-Bericht weiter. Die Unterstützung kleinerer Provider bei der Bereitstellung von dezentralen DNS-Diensten oder technischem Lösungen vor Ort hatten europäische Administratoren bereits bei der Veröffentlichung der DNS4EU-Ausschreibung gefordert. Dafür seien die EU-Gelder besser investiert, meinen auch die Vorsitzenden der Arbeitsgruppe "Kooperation" der IP-Adressvergabestelle RIPE.

Der DNS-Provider Quad9 kritisiert das "Winner takes all"-Prinzip, mit dem die Kommission nur den Aufbau eines einzelnen neuen Dienstes fördere, dessen weitere Finanzierung unklar sei. Obwohl Quad9 als Datenschutz-freundlicher alternativer öffentlicher DNS Resolver angetreten ist und sich wohl auch Chancen bei der Ausschreibung ausrechnen konnte, will das Unternehmen an der Ausschreibung nicht teilnehmen.

(vbr)