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DVB-Standard für Handys und PDAs nimmt Formen an

Die Spezifikation DVB-H, die auf DVB-T aufsetzt und für mobile Geräte mit wenig Batterieleistung optimiert ist, soll Mitte September spruchreif sein.

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Häufig war bereits von Fernsehen und interaktiven Datendiensten auf Mobiltelefonen und Handhelds die Rede. Doch die schönen Szenarien scheitern bislang nicht nur an den Verzögerungen beim UMTS-Start, sondern sind auch sehr leistungshungrig und würden die Akkus der portablen Geräte schnell auszehren. Eine Arbeitsgruppe des internationalen DVB-Projekts (Digital Video Broadcasting) hat nun am heutigen Donnerstag einen ersten Durchbruch erzielt: Mit 18 zu 2 Stimmen einigten sich die Funkexperten aus Wissenschaft und Wirtschaft auf eine technische Grundspezifikation, die Mitte September vom Technikrat des DVB-Forums, dem so genannten "Technical Module", bestätigt werden soll. Die wichtigsten Barrieren auf dem Weg zu DVB-H (DVB-Handheld), dem vormals auch als DVB-X bekannten Videostandard in spe für mobile Endgeräte, sind damit aus dem Weg geräumt.

"Den ersten Entwurf für die Spezifikation wollen wir am 10. September verabschieden", zeigte sich Ulrich Reimers, DVB-Veteran und Professor am Institut für Nachrichtentechnik in Braunschweig, gegenüber heise online optimistisch. Die Ziele und die Grundlagen von DVB-H hatte der Leiter des DVB-Technikrats am heutigen Donnerstag auf dem Medienforum Berlin-Brandenburg am Rande der IFA vorgestellt. Demnach soll der neue Handheld-Standard direkt auf DVB-T aufbauen, also auch einen terrestrischen, breitbandigen Punkt-zu-Multipunkt-Downstream bieten. Über die Datenrate von DVB-T, die bei bis zu knapp 15 MBit/s für den Empfang eines Programms liegen, soll die abgespeckte Variante jedoch bis zu 40 Programme auf einmal als Videostream anbieten können.

Zugrunde gelegt haben die Techniker dafür eine Bandbreite von 384 kBit/s, die laut Reimers für UMTS-Telefone und PDAs eine ausreichende Bild- und Tonqualität auf einem Display mit 360x288 Bildpunkten garantiere. Die dafür benötigte Leistungsaufnahme der Endgeräte wollen die Techniker mittelfristig auf unter 100 Milliwatt drücken und den Betrieb mit einer einzelnen Stabantenne ermöglichen.

Reimers räumte ein, dass bei DVB-H noch viel "Zukunftsmusik" mitschwinge. Gängige Geräte benötigten etwa momentan noch 1 Watt für die DVB-Verarbeitung und die angestrebten Datenraten würden erst mit dem im September erscheinenden Report TR 102 005 des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) auf Basis des H.264/AVC-Level (MPEG-4 Part 10, Advanced Video Coding), eines neuen Kompressionsstandards, abgesteckt. Zudem sieht der Experte noch "eine Menge Forschungsbedarf", etwa beim Betrieb sowie bei der Abrechnung von und bei Kostenmodellen für DVB-H-Plattformen. Von den 12 Vorschlägen für Algorithmen, die nach einem "Call for Technology" im Januar beim DVB-Projekt eingegangen seien, werde jetzt aber ein konkretes System mit Hilfe der neuen Spezifikation erarbeitet. Inzwischen sei klar, dass die DVB-H-Technik einen "Energiesparer" in Form des so genannten Time Slicing beinhalten wird. Dank dieser Funktion werde das Mobiltelefon nur dann anspringen, wenn es Datendienste empfange, und sich sonst automatisch in einen Stand-by-Modus versetzen.

Der einzige Knackpunkt läge noch in der Frage, inwieweit eine Turbo-Coding-Technik mit in die Spezifikation aufgenommen werde, so Reimers. Die Patente für diese Funktion zur beschleunigten Datenverarbeitung auf Handhelds liegen hauptsächlich bei France Telecom, aber auch Microsoft soll sich Insidern zufolge für den Turbo stark machen. Im DVB-Technikrat haben sich die beiden Unternehmen jedoch wenig Freunde mit ihrem Vorstoß gemacht, sodass die proprietäre Zusatztechnik vermutlich außen vor bleibt.

Für Reimers und andere Beobachter ist der DVB-H-Standard letztlich der Einstieg in die Welt der viel beschworenen hybriden Netze, in denen die Mobilfunktechniken GSM, GPRS und UMTS eines Tages nahtlos mit den Datenübertragungswegen DVB-T, DAB (Digital Audio Broadcasting) und natürlich WLAN (Wireless LAN) zusammenspielen sollen. Damit ließen sich die Vorteile der beiden Welten -- die zellulare, Location Based Services ermöglichende Struktur des Mobilfunks und die weitflächige Versorgung von weiten Räumen mit breitbandigen Inhalten der "Rundfunk-ähnlichen" Techniken -- vereinen, sinnierte Reimers. "Das ist der Schritt in die nächste Generation des Mobilfunks", glaubt der Nachrichtentechniker.

Während Reimers damit auf "G4" anspielt, siedelte Axel Zerdick, Professor für Ökonomie und Massenkommunikation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin, die besprochenen Trends auf dem Medienforum bereits im Raum "G5" an. Darunter versteht er die Verknüpfung von G3, also in Europa letztlich der UMTS-Technik, mit WLAN und dem digitalen "Datenrundfunk", der noch dazukommenden Broadcast-Komponente. "Wir könnten das hinkriegen", freute sich Zerdick über die plötzliche Vermehrung der mobilen und vernetzten Nutzungsoptionen. (Stefan Krempl) / (vza)