Das Stühlerücken im Bertelsmann-Management geht weiter

Der oft als "Multimedia-Vorstand" titulierte Klaus Eierhoff muss wegen "unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung der Endkundengeschäfte" seinen Hut nehmen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Am gestrigen Nachmittag munkelten es noch die "informierten Kreise", nun ist es offiziell: Knapp zwei Wochen nach dem überraschenden Rausschmiss von Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff (49) verlässt ein zweites Vorstandsmitglied das Medien-Unternehmen. Klaus Eierhoff (48), bisher Leiter der DirectGroup, legte sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder. "Auf Vorschlag des neuen Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG, Gunter Thielen", heißt es bei Bertelsmann, tritt Vorstandskollege Ewald Walgenbach (43), bislang als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig, die Nachfolge Eierhoffs an. Seine Position wird nicht wieder besetzt.

Eierhoff "wird Bertelsmann zum 31. Dezember 2002 einvernehmlich verlassen. Er legt sein Vorstandsamt mit sofortiger Wirkung nieder", erklärten die Gütersloher. Der Grund für die Trennung seien "unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung der Endkundengeschäfte bei Bertelsmann". Bereits Middelhoff verlies Bertelsmann wegen Differenzen mit dem Aufsichtsrat über die künftige Strategie der Bertelsmann AG sowie über die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Nach Informationen aus Branchenkreisen war vor allem der geplante Börsengang von Bertelsmann und die weiteren Expansionsabsichten Middelhoffs umstritten.

Gewohnt diplomatisch allerdings hielt man sich bei Bertelsmann damit zurück, einen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden Eierhoffs und dem Rauswurf Middelhoffs herzustellen. Die Abschaffung der Position des Chief Operating Officer immerhin war nach Information von dpa erwartet worden, nachdem der neue Vorstandsvorsitzende Thielen in seinem ersten Interview angekündigt hatte, dass er wieder stärker auf die Autonomie der Konzernbereiche setze.

Eierhoff war allerdings ein enger Vertrauter des ehemaligen Bertelsmann-Chefs und einer der glühenden Verfechter der Multimedia-Strategie von Middelhoff und der Expansion in neue Märkte, etwa durch die Übernahme der Musiktauschbörse Napster. In der DirectGroup, die Eierhoff leitete, sind alle Endkundengeschäfte des Konzerns (Clubs, E-Commerce) gebündelt. Derzeit bietet die DirectGroup rund 60 Millionen Kunden Medienprodukte und Unterhaltung. Allerdings war der Bereich mit einem Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 157 Millionen Euro einer der großen Verlustbringer des zurückliegenden Geschäftsjahres. Der promovierte Betriebswirt Eierhoff machte zunächst von 1984 bis 1990 Karriere bei Bertelsmann, wechselte dann in den Vorstand von Karstadt und galt als aussichtsreicher Kandidat für den Vorstandsvorsitz. 1998 kehrte er als zuständiges Vorstandsmitglied für Multimedia zu Bertelsmann zurück. 2000 übernahm er die Verantwortung für die DirectGroup, wo er einen harten Sanierungskurs vor allem bei den Buchklubs einschlagen musste.

Ewald Walgenbach studierte nach Informationen von dpa Genetik, Biochemie und Chemie und promovierte am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln. Er begann 1986 seine Karriere als Berater der Boston Consulting Group, wechselte 1992 zum Chemiekonzern Boehringer und 1994 zunächst als Leiter der Zentralen Unternehmensentwicklung zur Bertelsmann AG. 1995 wurde er Sprecher der Geschäftsführung der UFA Film + Fernseh GmbH. 1997 wurde er zum Vorstand TV, Produktion und Rechtehandel CLT-UFA, Luxemburg, berufen und drei Jahre später Chief Operating Officer (COO) der aus mehreren Fusionen hervorgegangenen Radio- uind TV- Holding RTL Group in Luxemburg. Walgenbach war im Februar dieses Jahres noch von Thomas Middelhoff als Verantwortlicher für das Tagesgeschäft in den Bertelsmann-Vorstand geholt worden. Er sollte das Unternehmen zu einem integrierten Medien- und Entertainment-Konzern formen. (jk)