Datenbank für Schriftzeichen der Welt im Internet
Eine an der Fachhochschule Mainz entwickelte Online-Datenbank bietet Interessierten Informationen zu Zeichen aus 105 Schriftsystemen.
Der Laie könnte es für eine "3" halten, doch tatsächlich handelt es sich um den Buchstaben "Ta" im indischen Schriftsystem Limbu. Verwendet wird diese alte Schrift nur noch von 280.000 Menschen in Nepal, Bhutan und Indien. "Ta" ist nur eines von mehr als 65.000 Schriftzeichen, die es weltweit gibt. Ein Großteil dieses riesigen Zeichen-Fundus ist erstmals im Internet verfügbar – dank einer an der Fachhochschule Mainz entwickelten Datenbank.
Seit März dieses Jahres können Interessierte unter www.decodeunicode.org Informationen zu Zeichen aus 105 Schriftsystemen finden. Allein 30.000 Zeichen gibt es im chinesischen Sprachraum. So erklärt die Datenbank, dass das Zeichensystem des Yijing auf dem dualistischen Prinzip der beiden Urkräfte Yin und Yang beruht – oder dass das Symbol für die japanische Währung Yen gar nicht aus Japan stammt. Bis heute ist nach den Angaben ungeklärt, wer das "Y" mit zwei Querstrichen erfunden hat.
Das seit Januar 2004 laufende und vom Bundesforschungsministerium geförderte Datenbankprojekt leitet Johannes Bergerhausen, Professor für Typografie und Buchgestaltung an der FH Mainz. Die Datenbank ermögliche es, einer breiten Öffentlichkeit Fachwissen zugänglich zu machen. "Das ist die Globalisierung der Typografie", sagt Bergerhausen.
Jeder Nutzer der in deutscher und englischer Sprache abrufbaren Datenbank kann dort auch selbst Beiträge hineinschreiben. Ein Team aus fünf so genannten Moderatoren an der FH kontrolliert neue Einträge auf ihre Richtigkeit. "Die meisten Moderatoren machen das in ihrer Freizeit. Das ist zu einem richtigen Hobby geworden", sagt Bergerhausen. Mittlerweile nutzen nach den Angaben 9500 Interessierte aus 84 Ländern monatlich den "Zeichen-Almanach".
Technische Grundlage der Datenbank ist Unicode. "Das ist nach der DNA der erfolgreichste Code der Welt", meint Bergerhausen. "Wenn alle Zeichen der Welt nebeneinander existieren, ist das eine zutiefst demokratische Idee und hat Einfluss auf den Umgang mit fremden Kulturen", glaubt er. Dieser Meinung ist auch Ernst Fischer, Professor am buchwissenschaftlichen Institut der Mainzer Universität. "Schrift hat eine elementare Bedeutung für die Menschheitsgeschichte, hinter jeder Schrift verbirgt sich eine Kultur", sagt Fischer. Unicode helfe, die Vielfalt der Schriften und der Kulturen zu bewahren.
Die Verfügbarkeit der Zeichen in digitaler Form sei die große Leistung der Mainzer Datenbank, erklärt Fischer. Bislang habe man seltene Zeichen mühsam aus Schriftkatalogen kopieren müssen. Nun könne jedes Zeichen problemlos in ein Textverarbeitungsprogramm übertragen werden. "Der Gebrauchswert der Zeichen steigt enorm", sagt der Professor. Der Öffentlichkeit sei dieser Nutzen jedoch nicht leicht zu vermitteln. "Vielen ist der Gebrauch von Schrift so selbstverständlich, dass sie die damit entstehenden Probleme nicht sehen", sagt Fischer. Die Datenbank sei eine gute Möglichkeit, die Menschen zu sensibilisieren. "Verschiedene Schriftsysteme gibt es immerhin schon in unserer Nachbarschaft, zum Beispiel in Griechenland oder Russland", betont der Experte.
Für Bergerhausen liegt die Herausforderung nun darin, den Kontakt mit anderen Wissenschaftlern herzustellen. "Typografen und Linguisten arbeiten viel zu wenig gemeinsam", sagt Bergerhausen. Vorhandenes Wissen müsse endlich verbunden werden. Sollte das gelingen, könnte die Datenbank nach Meinung von Walter Bisang, Professor am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Uni Mainz, beim Erlernen und Verstehen von Sprachen sehr hilfreich sein. (Christian Schultz, dpa) / (jk)