Datenschützer gegen Reduzierung des Menschen auf Score-Wert

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf bei der automatischen Bonitätsprüfung von Verbrauchern, da diese oft heimlich erfolge und zur Diskriminierung beitragen könnte.

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Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf bei der automatischen Bonitätsprüfung von Verbrauchern mit Hilfe von Scoring-Verfahren, da diese oft heimlich erfolge und zur Diskriminierung beitragen könne. "Insbesondere sind klare rechtliche Rahmenbedingungen für das Scoring erforderlich, um die Transparenz gegenüber den Verbrauchern zu gewährleisten", betonte er im Umfeld der Konferenz des Bundesverbraucherschutzministerium über Herausforderungen und Chancen der digitalen Welt in Berlin.

Die Auskunfteien dürften sich nicht länger hinter "Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen" verstecken, schloss sich Schaar vergleichbaren Forderungen von Sachverständigen nach einer engeren Bestimmung und Offenlegung der statistisch-mathematischen Merkmale fürs Scoring an. Es sei sicherzustellen, "dass nur bonitätsrelevante und nachprüfbare Fakten beim Scoring verwendet werden". Generell dürfe der Mensch nicht auf einen Score-Wert reduziert und einer modernen Form der Wahrsagerei ausgeliefert werden.

"Man kommt in ein Kästchen, ohne dass man das weiß", erläuterte Schaar seine Bedenken gegenüber den Mechanismen der etwa bei der Vergabe von Krediten eingesetzten Score-Analyse. Diese seien "für den Betroffenen kaum durchschaubar" und würden ihn so "zum bloßen Objekt von nicht nachvollziehbaren Bewertungen" machen, "die nicht einmal einen Bezug zu seinem tatsächlichen Zahlungsverhalten aufweisen". Insbesondere bei Bestellungen über das Internet erfahre der Verbraucher vielfach nicht einmal, dass er "gescort" wurde. Dies erfolgt teilweise sogar dann, wenn das Interesse an einem Vertragsabschluss oder einem Kredit gar nicht vorhanden ist oder nicht mehr weiterverfolgt wird. Zudem werde dem Betroffenen bisweilen nicht einmal mitgeteilt, dass er aufgrund eines schlechten Scores nicht als Vertragspartner in Frage kommt oder sich mit schlechteren Konditionen bescheiden muss. An diesem Punkt etwa müsse der Gesetzgeber "nachhelfen", damit die Verbraucher kostenlos Auskunft über Scoring-Informationen erhalte.

Der Vorstandsvorsitzender der Kreditauskunft Schufa, Rainer Neumann, wies die Argumente Schaars auf der Verbraucherschutzkonferenz zumindest für seinen Sektor zurück. "Score-Verfahren sorgen dank höherer Trennschärfe dazu, dass Kredite effizienter vergeben werden und die Zinsen günstig gehalten werden" betonte er. So bekämen mehr Leute einen Kredit bei weniger Risiko. Die von deutschen Banken noch nicht lange eingesetzten Scoring-Mechanismen überprüfe die Finanzwirtschaft zudem ständig, um die Kreditvergabe tatsächlich zu verbessern. Seit Oktober würden den Banken ein neues Merkmal angeboten, dank dem sich die reine Kreditnachfrage durch den "vergleichenden Verbraucher" nicht mehr negativ auf den Score auswirke. Zuvor sei allein schon die Informationseinholung über Kreditkonditionen als Anzeichen gewertet worden, dass die entsprechende Person nicht einfach zu einem Darlehen komme, räumte Neumann Fehler ein. Zugleich verwehrte er sich gegen eine Offenlegung der Bewertungskriterien: "Es gibt nirgendwo auf der Welt ein transparentes Score-Verfahren, das im Einsatz ist."

Allgemein begrüßte Schaar die von Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) am Rande der Tagung vorgestellte Charta zur "Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt". Dem Schutz personenbezogener Daten komme angesichts der zunehmenden elektronischen Dienste entscheidende Bedeutung zu. Dies bringe auch die Auflistung der Kernprinzipien in dem Regelwerk zum Ausdruck. Nähere Einzelheiten zu einem Großteil der Diskussionen auf der Konferenz finden sich in einem "Live"-Blogbericht auf Netzpolitik.org. (Stefan Krempl) / (anw)