Datenschützerin moniert: Berliner Polizei hat 7,5 Millionen Vorgänge auf Halde

Trotz Löschvorgabe: Die Polizei Berlin bewahrt etwa 7,5 Millionen Vorgänge in ihrem IT-System Poliks auf, ohne deren Auswahl verständlich begründen zu können.

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Polizei-Schild an einer Wache

(Bild: mahc/Shutterstock.com)

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Das Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (Poliks) der Berliner Polizei wird immer mehr zum rechtlich fragwürdigen Datenfriedhof. Eine 2023 durchgeführte Prüfung der Landesdatenschutzbeauftragten Meike Kamp hat ergeben, dass die Ordnungshüter derzeit etwa 7,5 Millionen umstrittene Vorgänge aus dem polizeilichen IT-System vorhalten. Die Kontrolleurin kritisiert, dass die Polizei die Auswahl dieser Daten, die teils jahrzehntelang zurückreichen, nicht nachvollziehbar begründen könne. In der Regel dürfen in Poliks personenbezogene Daten von Tatverdächtigen fünf bis zehn Jahre aufbewahrt werden, je nach Schwere des Delikts. Für Jugendliche und Kinder gelten kürzere Fristen. Informationen, die Ermittler präventiv erheben, dürfen drei Jahre lang gespeichert bleiben.

"Für die Arbeit von Untersuchungsausschüssen ist eine längere Speicherung von eigentlich löschreifen Daten oftmals unerlässlich", erklärte Kamp bei der Präsentation ihres Jahresberichts 2023. Gleichwohl dürften die Informationen "nicht voraussetzungslos" aufbewahrt werden. Sie müssten "für die Aufgabenerfüllung des Untersuchungsausschusses erforderlich sein". Die Beauftragte sieht Polizei und Parlament daher in der Pflicht, "für eine Einhaltung der Datenschutzvorgaben zu sorgen": Die Strafverfolger müssten nachvollziehbar darlegen können, "warum sie bestimmte Daten nicht löscht". Das anfragende Parlament sollte diesen Prozess kontrollieren und unterstützen.

Die Auseinandersetzung zieht sich schon lang hin. Bereits 2019 beklagte Kamps Vorgängerin Maja Smoltczyk erstmals, dass die Polizei in der umfangreichen Datenbank seit Juni 2013 keine Einträge mehr gelöscht und damit gegen Speichervorgaben verstoße. In Poliks ist ein Fristen- und Löschkonzept nach Angaben von Mitarbeitern der Berliner Polizei zwar grundsätzlich fest "implementiert und automatisiert". Die Behörde habe diese Routinen aber komplett ausgesetzt, hieß es 2019. Sie habe sich dabei zunächst auf ein 2013 ergangenes "Löschmoratorium" im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Terrorismus bezogen. Eine zweite Auflage, Daten vorerst nicht aus Poliks zu entfernen, bestehe seit Anfang 2017 wegen des Anschlags am Breitscheidplatz im Dezember 2016.

Teil der Halde sind laut Kamps aktuellem Bericht inzwischen auch "2,25 Millionen Vorgänge, die nicht aufgeklärt werden konnten, 30.000 Vorgänge, die vor 1995 angelegt wurden, und 400.000 aufgenommene Verkehrsunfälle". Zwar seien die Daten seit 2019 in einen zugangsbeschränkten Schutzbereich verschoben worden, trotzdem handele es sich um eine sehr weitgehende Sammlung von löschreifen Vorgängen. Der Verdacht auf eine "unzulässige Kettenaufbewahrung" liege nahe. Trotz diverser Appelle halte die Polizei aber an einer "unterschiedslosen" Speicherung fest. Vergleichbare Prüfungen bei den Staatsanwaltschaften und dem Landesamt für Verfassungsschutz hätten ergeben, dass diese plausibel darlegen konnten, wie und welche löschreifen Akten anlässlich der Löschmoratorien ausgesondert werden.

Regelmäßig kritisieren Berliner Datenschützer, dass Polizisten den Zugang zu Poliks dazu missbrauchen, Informationen zu nicht dienstlichen Zwecken abzufragen. 2023 hat Kamps 35 einschlägige Verfahren gegen Beamte eingeleitet und insgesamt 32 Bußgelder verhängt. Dabei ging es etwa um Flirtversuche und das Verfolgen anderer, meist privater Interessen. Im vorigen Jahr erließ die Datenschutzbeauftragte ferner Bußgeldbescheide in einer Gesamthöhe von 549.410 Euro gegen private Stellen. Zwei zentrale Fälle: Die Deutsche Kreditbank (DKB) musste 300.000 Euro zahlen, weil sie ihren Transparenzpflichten rund um eine automatisierte Einzelentscheidung per Scoring nicht nachkam. Ein anderes Unternehmen überwachte drei Praktikanten an ihren Arbeitsplätzen mit Videokameras, die in Steckdosen versteckt waren. Es kam mit einer Strafe von 4000 Euro glimpflich davon.

(olb)