Datenschutz in der Corona-Krise

"Datenschutz in der Krise" lautet das Motto der Verbandstage des Berufsverbands der Datenschutzbeauftragten – recht doppeldeutig.

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Datenschutz in der Corona-Krise

Die Menschen vor dem Virus schützen und gleichzeitig ihre Daten ist das Bestreben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz.

(Bild: bvdnet.de)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Ulrich Hottelet

In den Debatten über die Bewältigung der Corona-Krise spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle. Das wurde besonders zur geplanten Tracing-App deutlich. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (BfDI) ist überzeugt: "Der Datenschutz schwächt nicht den Gesundheitsschutz, sondern vereint ihn mit dem Grundrechtsschutz." Das sagte er zum Auftakt der Verbandstage des Berufsverbands der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD), die derzeit online stattfinden. Mit dem BvD-Vorstandsvorsitzenden Thomas Spaeing sprach er über das Thema "Datenschutz in der Krise?".

Der Datenschutz ist mit den Herausforderungen der Corona-Krise konfrontiert, steckt aber eventuell auch selbst in der Krise, verwies Kelber auf die Doppeldeutigkeit des Veranstaltungstitels. Er verwahrte sich gegen Vorwürfe wie Datenschutz sei nur etwas für Gesunde. "Wenn man nachfragt, welche Prinzipien denn aufgeweicht werden sollen, merkt man, dass die meisten Kritiker nicht wissen, was sie meinen."

"Natürlich verhänge ich jetzt nicht hohe Bußgelder wegen mittelwichtiger Probleme", sagte Kelber. Das könnte auch faktisch schwierig sein, denn der BfDI hat Vor-Ort-Prüfungen bis Ende Juni ausgesetzt. Bei Empfehlungen für Plattformen bestimmter Anbieter sei er auf die Zusammenarbeit mit Testorganisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem BvD angewiesen.

"Deutschland war digital nicht gut vorbereitet auf die Corona-Krise", resümierte der BfDI-Chef. Das gelte sowohl für die oft mangelhafte IT-Infrastruktur als auch für die datenschutzrechtlichen Auswirkungen. Auch in seiner eigenen Behörde sei das sichtbar geworden, da die Videokonferenzen von Bundesbehörden aus Sicherheitsgründen nicht mit anderen Plattformen zusammengeschaltet werden können.

Zur heiß diskutierten Corona-App sagte Kelber: "Wir waren gegen die Nutzung der Mobilfunkdaten. Die Grundrechte gelten auch in der Krise weiter." Es wären Unmengen persönlicher Daten von Passanten genutzt worden, ohne dass das zielführend gewesen wäre. Spaeing nannte es "ein Social Scoring durch die Hintertür", wenn jetzt Steuervorteile für Tracing-App-Nutzer oder Zutrittsprivilegien für sie gefordert würden.

Kelber glaubt nicht, dass der Datenschutz die Corona-App in Deutschland bremse. Er gehe davon aus, dass ab Mitte Mai eine App mit Bluetooth Low Energy verfügbar sein wird. Es hätte Zeit gespart, wenn gleich auf Dezentralität gesetzt worden wäre. Möglicherweise würden die Nutzer in einer künftigen zweiten App-Version, die per Update aufgespielt wird, auch in die Nutzung weiterer Daten für die epidemiologische Forschung einwilligen können.

Zum Immunitätsausweis, der derzeit diskutiert wird, seien viele Fragen noch zu wenig geklärt, meinte Kelber. Generell gelte: "Jede zentrale Datensammlung ist ein Honeypot für Behörden. Wir werden stets darauf achten, wer Zugriff hat." Als Beispiel nannte er die Weitergabe von Listen mit hochsensiblen Gesundheitsdaten von Corona-Infizierten an die Polizei in mehreren Bundesländern.

Kelber verwies darauf, dass Anbieter von Videokonferenzen einschließlich der großen Fünf (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) noch Datenschutzprobleme hätten. Es seien mehr europäische und zertifizierte Produkte nötig. Bei dem in den vergangenen Wochen populär gewordenen Anbieter Zoom seien wichtige Prinzipien wie Privacy by Design und by Default nicht gegeben. Für sensible Daten gebe es auf dem Markt bessere Systeme. "Manche Lösungen für sichere Videokonferenzen kosten 30 Euro Lizenzgebühr. Das ist allemal billiger als Dienstreisen."

Zum Thema Homeoffice warnte Kelber vor einer drohenden stärkeren Überwachung der Arbeit durch Arbeitgeber, zum Beispiel durch die Kontrolle der Kameranutzung. Mit Blick auf den Online-Unterricht von Schulen wies er darauf hin, dass mögliche Angriffe kaum von Tätern, sondern von Algorithmen ausgeführt werden. Darauf seien die Schulen schlecht vorbereitet; sie lernten jetzt aber dazu. (anw)