Dell-Rückrufaktion: Unsichere Lithiumionen-Akkus

Zahlreiche Rückrufaktionen etablierter Notebook-Hersteller lassen an der Zuverlässgikeit der Lithiumionen-Akkus zweifeln. Über die Gründe spekuliert die Branche, sie könnten hausgemacht sein.

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Von
  • dpa

Explodierende Computer und schmelzende Gehäuse durch schadhafte Akkus – dem Computerhersteller Dell waren allein in den USA seit vergangenem Dezember sechs Fälle zu Ohren gekommen. In dieser Woche hat das Unternehmen nun eine der größten Rückrufaktionen gestartet, die es je für Elektronikprodukte gegeben hat.

Mit Hochdruck arbeitet der texanische Computerbauer an der Schadensbegrenzung. Allein in Deutschland sind nach Angaben des Unternehmens 90.000 Laptops betroffen, weltweit 4,1 Millionen Stück. Viele der Batterien werden heute gar nicht mehr hergestellt, sagt Roger Kay, Analyst bei Endpoint Technologies Associates, das treibe die Kosten zusätzlich in die Höhe. Dell hat inzwischen die Produktion aufgestockt und lässt in drei Schichten arbeiten. Bis zu 400 Millionen US-Dollar wird die Aktion kosten, schätzen Analysten. Die Hälfte wird voraussichtlich Akku-Hersteller Sony übernehmen.

Die potenzielle Gefahr ist in der Industrie seit Jahren bekannt – und wird bislang mehr oder weniger stillschweigend in Kauf genommen. Der seit etwa zwei, drei Jahren tobende Preiskampf durch Billiganbieter aus China ist vermutlich eine der Ursachen der immer häufiger auftretenden Unfälle. Wie sicher ein Akku ist, hängt von der Lade-Elektronik ab, und da lassen sich pro Pack ein paar Dollar sparen. Nun hat es mit Sony sogar einen der Großen getroffen. Die großen Markenanbieter versuchen derzeit auf Grund des starken Preisdrucks überall Kosten zu senken, auch eine höhere Ladespannung zur Kapazitätssteigerung ist da nicht tabu, obwohl sie die Lebensdauer verkürzt.

Dass Dell erst jetzt mit einer umfangreichen Rückrufaktion reagiert, stufen Zeitungen wie die Financial Times Deutschland als Ignoranz ein. Bereits im vergangenen Dezember hatte das Unternehmen 22 000 Batterien zurückrufen müssen, im Oktober 2005 traf es den Konkurrenten HP mit 135 000 Geräten weltweit. Im April war HP erneut mit weltweit 15 700 schadhaften Laptop-Batterien betroffen. Auch Fujitsu Siemens und Apple mussten Rückrufaktionen starten.

Seit Wochen kursieren im Internet Bilder von brennenden und verbrannten Laptops. Sogar die US-amerikanische Luftfahrtbehörde registrierte dem Wall Street Journal zufolge eine ganze Reihe von Vorfällen. So fing auf dem Lufthansa-Flug 435 von Chicago nach München am 15. Mai eine Laptop-Tasche im Handgepäck der ersten Klasse Feuer. Und im vergangenen Februar ging ein Fracht-Flugzeug von United Parcel Service während der Landung in Philadelphia in Flammen auf – das Flugzeug hatte unter anderem Lithium-Ionen-Batterien geladen. Lithium-Ionen-Akkus gelten nach dem Expertenkomitee der Vereinten Nationen international als Gefahrengut nach den UN-Nummern 3090 und 3091. Damit fallen sie auch unter die internationalen Gefahrguttransport-Regelungen und müssen entsprechende Prüfungen bestehen – ob ein Hersteller eines Akkupacks diese Prüfung jedoch vornimmt, kann jedoch kaum kontrolliert werden. Ein Prüfzeichen auf den Akkupacks gibt es nicht.

Lange vor den in der vergangenen Woche vereitelten Terroranschlägen hätten Luftfahrt- und Sicherheitsbeamte vor der erhöhten Sicherheitsgefahr durch Laptop-Batterien gewarnt, hieß es. Doch nicht nur die tragbaren Computer erweisen sich als tickende Zeitbomben: Die gleichen Batterien sorgen auch in Handys, mobilen Musik- oder DVD-Playern und Digitalkameras für den nötigen Strom. Selbst Akkuschrauber aus dem Baumarkt werden inzwischen von Lithium-Ionen-Akkus betrieben: Lithiumionen-Akkus sind auf dem Weg vom Hightech-Stomlieferanten in IT-Hardware hin zu Akkus für den Massenmarkt. (dpa)/ (jr)