"Denke lokal, wähle national"

Anhänger der Präsidentschaftskandidaten Gore und Nader schlagen einen strategischen Stimmentausch über das Internet vor.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Aufgrund eines Artikels, der am 24. Oktober in Slate veröffentlicht wurde, wurde eine interessante strategische Möglichkeit eröffnet, das Netz zu nutzen, um den Ausgang einer Wahl zu beeinflussen. Schon wenige Tage, nachdem von Jamin Raskin, Professor für Verfassungsrecht, der Artikel "Nader's Traders. How to save Al Gore's bacon by swapping votes on the Internet" erschienen ist, tauchten bereits Websites auf, die den darin formulierten Gedanken einer "verteilten Wahl" bereits umsetzten, die durch das Internet möglich wird.

Vermutlich wird der Ausgang der Wahl zwischen Gore und Bush am 7. November sehr knapp ausfallen. Relativ wenige Stimmen könnten entscheidend werden. Ralph Nader, der Kandidat der amerikanischen Grünen, könnte in einigen kritischen Staaten gerade Gore so viele Wählerstimmen abziehen, dass Bush deswegen die gesamte Wahl gewinnen könnte. Die meisten der potentiellen Nader-Wähler kommen von den Demokraten. Für Nader, der natürlich keine Chance hat, gäbe es jedoch die Möglichkeit, zum Wahlkampf im Jahr 2004 öffentliche Gelder zu erhalten, wenn er über 5 Prozent der Stimmen erhält. Nader hat zwischen 2 und 5 Prozent der Stimmen in den Umfragen. Auf der anderen Seite hat Bush in einigen Staaten einen so großen Vorsprung, dass hier Stimmen für Gore eigentlich verschenkt wären. Raskin also schlug vor, dass Nader-Wähler in Staaten, in denen Gore und Bush beim Rennen Kopf an Kopf liegen, ihre Stimme an Gore geben – im Austausch für die Stimme eines Gore-Wählers in einem Staat, der sicher in der Hand von Bush ist, um dort für Nader zu stimmen.

Raskin meint, dass ein solcher Stimmentausch aus strategischer Absicht wohl nicht jedem gefallen werde, zumal wenn er die Stimmabgabe sowohl als Akt der Moral und der Äußerung begreift. Gleichwohl sei das keineswegs illegal. Auch Abgeordnete tauschen oft ihre Stimmen, wenn sie ausmachen, dass sie für ein Gesetz stimmen, wenn andere dafür für ein von ihnen vorgeschlagenes Gesetz stimmen: "Wenn dies illegal wäre, dann würde der ganze US-Kongress ins Gefängnis kommen."

Weder Gore noch Nader unterstützen die auf diesen Artikel hin eingerichteten Websites zum Stimmentausch und wollen auch keine Vereinbarungen eingehen. Während es die Tauschseiten wie NaderTrader.org oder WinWinCampaign.org noch gibt, hat die Website voteswap2000.com bereits das Programm vom Netz genommen, mit dem sich die Stimmen tauschen ließen. Sie wird von zwei Kaliforniern betrieben, denen die kalifornische Regierung vorgeworfen hat, durch die Organisation für das Tauschen von Stimmen das Wahlgesetz zu verletzen. Kalifornien war auch gegen eine Auktionsseite für Wählerstimmen vorgegangen, die inzwischen nach Österreich umgezogen ist (Anstatt Voteauction gibt es jetzt Vote-Auction.com). Sicherheitshalber ihre Dienste eingestellt haben auch votexchange.org sowie votexchange2000.com.

Wieviele Tauschangebote auf den Websites stattgefunden haben, lässt sich nicht feststellen. Und natürlich ist es auch eine Sache des Vertrauens, mit seiner Stimme einen anderen als den Wunschkandidaten zu wählen, nur weil andere versichern, dafür diesen zu wählen. "Denke lokal, wähle national. Werde ein Nader Trader" wirbt etwa NaderTrader.org bei denjenigen, die nicht Bush unterstützen, sondern sich zumindest für das kleinere Übel, aber eigentlich für ein Spiel entscheiden wollen, bei dem jeder gewinnt.

Mehr in Telepolis: Kann "verteiltes Wählen" Gore und Nader helfen und Bush schaden? (fr)