"Der ESM soll definitiv die allerletzte Rückfallposition sein"

EU-Kommissar Michel Barnier schlägt für schlingernde Banken vor, Geld zuerst bei den Aktionären, dann bei den Kapitalgebern und schließlich bei den Sparern "mit Guthaben über 100.000 Euro" zu holen

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EU-Kommissar Michel Barnier hat gegenüber der SZ für Banken, die in Not geraten, eine sehr ähnliche Haftungs-Reihenfolge vorgeschlagen, die Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bereits Ende März im Zusammenhang mit der Zypern-Rettung äußerte: Zuerst die Aktionäre der Banken, dann die Kapitalgeber und schließlich Bankkunden, wie Barnier präzisiert: "Sparer mit Guthaben über 100.000 Euro."

Sollten die Mittel nicht reichen, würden Gelder aus künftigen nationalen Bankenabwicklungsfonds herangezogen, in die alle Institute einzahlen müssen. Wenn auch diese Kapitalhilfe nicht zur Sanierung reicht, dann würde der Rettungsfond ESM, die Steuerzahler der Euroländer, einspringen: Der ESM soll definitiv die allerletzte Rückfallposition sein, wird Barnier zitiert.

Ähnliches hatte Dijsselbloem vor einigen Wochen geäußert, als er den "Fall Zypern zunächst als Modell für den Umgang mit drohenden Bankpleiten in der Zukunft" bezeichnete, aber angesichts heftiger kritischer Reakionen umgehend zurückruderte und dann die Besonderheit des Falls Zypern betonte. Er blieb aber beim grundsätzlichen Hinweis darauf, dass der ESM nicht die erste Lösung für Länder mit Pleitebanken sein soll. Zunächst werde man bei der Rettung massiv angeschlagener Banken erst andere Finanzierungslösungen prüfen: "Aktionäre, Anleihegläubiger und letztlich auch die Kunden einer Bank - in dieser Reihenfolge."

Barnier hat es nun laut Medienberichten eilig, diese Reihenfolge in verbindlicher Form durchzusetzen. Gestern präsentierter er den Vorschlag vor den 27 europäischen Finanzministern. Er soll möglichst bald, bis 2015, Gesetz werden, "um Unsicherheiten unter den Anlegern zu beseitigen".

Diese Annahme, die auch von EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, mit dem Hinweis auf klare Regeln, welche die Investoren aus der ganzen Welt vorab kennen sollten, unterstützt wird, wird nicht allerorts geteilt. In Berichten von Nachrichtenagenturen ist die Rede von einer "verklausulierten Enteignung von Sparern". Was unter Lastenteilung firmiert, laufe letzlich auf ein Zur-Kasse-Bitten von solventen Bankkunden hinaus. Die wohlhabenderen Bankkunden würden sich nach anderen Geldhäusern, außerhalb des Zugriffs der europäischen Haftungsregelungen, umsehen. Und die anderen hätten Angst, dass sich die "Einschläge nähern", so ist in Foren zu lesen.