Der deutsche Durchschnittssurfer ist 40

Laut dem 7. (N)onliner-Atlas sind im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Personen mehr ins Netz gegangen und nun 60 Prozent der Bundesbürger online, 60 Prozent davon breitbandig; für die Online-Sicherheit sieht sich die Hälfte selbst verantwortlich.

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Laut dem 7. (N)onliner-Atlas sind in den vergangenen zwölf Monaten 1,4 Millionen Personen mehr ins Netz gegangen und damit nun 60,2 Prozent der Bundesbürger online. "Wir sollten von einem Onliner-Atlas sprechen", freute sich der Projektleiter Reinhold Horstmann von der TNS Infratest Holding, die für die gemeinsam mit der Initiative D21 durchgeführten größten Studie zur Internetnutzung hierzulande erneut 50.000 Telefoninterviews anhand eines repräsentativen Bevölkerungsmittels bei den über 14-Jährigen durchgeführt hat. Eine weitere wichtige Marke sei so bei der Online-Nutzung geknackt, betonte Horstmann bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin am heutigen Montag. Doch auch wenn sich der allgemeine Graben zwischen Nutzern und Netzverweigerern langsam schließt, bleiben noch die seit langem ausgemachten Klüfte zwischen Altersgruppen, Regionen, Geschlechtern, Bildung und Einkommen bei der Trennung von Usern und Losern. Langsame Angleichungen bei der Internetnutzung zeichnen sich aber in diesen Bereichen ebenfalls ab.

So konstatierte Horstmann etwa nach wie vor ein "West-Ost-Gefälle". Demnach stieg die Internetnutzung in den westlichen Bundesländern um 2,1 Prozentpunkte, während sie in den östlichen nur um 1,6 Prozentpunkte zulegte. Mit 68 Prozent Onlinern führt Berlin das Bundesländerranking der Internetnutzung 2007 erneut an, gefolgt mit leichtem Abstand von Hamburg und Hessen. Im unteren Drittel des Rankings konnten die beiden östlichen Bundesländer Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit 3,5 beziehungsweise 2,4 Prozentpunkten am deutlichsten gegenüber 2006 zulegen. Schlusslicht mit 51 Prozent ist wie im Vorjahr das Saarland. Dafür konnten die Marktforscher bei den Nachzüglern einen hohen Trend zum Einstieg auf die Datenautobahn per Breitband ausmachen.

Insgesamt gehen 60 Prozent der Nutzer inzwischen mit Zugangsgeschwindigkeiten jenseits von ISDN online. Hartmut Schauerte, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, berichtete von 14,7 Millionen Breitbandanschlüssen. 96 Prozent davon fallen auf DSL, während der Anteil des TV-Kabels von 1,5 auf 3,9 Prozent gestiegen sei. "Eine enorme Leistung", befand Schauerte, nachdem Telefon- und DSL-Kabel lange Jahre gleichsam ohne Konkurrenz dastanden. "97 Prozent der Deutschen könnten mit Breitband versorgt werden", erläuterte der CDU-Politiker. "Wir beabsichtigen, diesen Anteil auf 98 Prozent auszuweiten." Dabei bleibe die Bundesregierung unisono mit Brüssel bei der Linie, dass Breitband nicht zu den Mindestdienstleistungen im Telekommunikationsbereich unter dem Aspekt der Daseinsvoraussetzung gehöre. Statt Subventionen soll hier der Markt also weiter regieren. Laut Schauerte könne man keinen Anbieter verpflichten, bestimmte Bandbreiten zu liefern. Gleichzeitig definierte der Staatssekretär die Breitbandtechnik als ein Feld zum Beweis der nationalen Vorrangstellung: Hier müsse Deutschland besser sein, "als wir teuer sind".

Birgit Kampmann, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums "Technik – Diversity – Chancengleichheit", stellte erfreut fest, dass mit 870.000 mehr weiblichen Onlinern Frauen für den Großteil der Neuzugänge sorgten. Bis auf 13,3 Prozentpunkte bei der Nutzungsrate haben sich die Frauen an die Männer herangepirscht, die zu rund 67 Prozent online sind. Bei den Altersgruppen hob Kampmann hervor, dass die Gruppe der über 50-Jährigen inzwischen fast so stark im Netz vertreten sei wie die der 14- bis 29-Jährigen. Die stärkste Gruppe stelle aber nach wie vor das Mittelfeld. Das Durchschnittsalter der Surfer betrage mittlerweile 40 Jahre, bestätigte Horstmann die immer stärkere Abbildung der Gesamtbevölkerung bei der Nutzerstatistik. Der langsame Strukturwandel müsste ihm zufolge auch Aufwirkungen auf die angebotenen Inhalte haben, was aber bislang noch nicht verstärkt nachzuvollziehen sei.

"Nicht zufrieden geben" mit dem erreichten Stand, der noch weit hinter den Plänen der Bundesregierung mit einer 75-prozentigen Netznutzung für Ende 2005 zurückbleibt, will sich mit Bernd Bischoff der Präsident der Initiative D21. Ihm gehe es einerseits verstärkt um die Forderung nach der qualitativen Nutzung des Internet, wobei seine Vereinigung mehr digitale Kompetenz und Exzellenz fördern will. Darüber hinaus plant die Kooperation von Staat und Wirtschaft laut Bischoff, sich bei der Gewinnung der Netzabstinenzler im kommenden Jahr auf Zielgruppen mit Migrationshintergrund zu konzentrieren. Auch die Schulung mit neuen Medien für Schüler und Lehrer müsse verbessert werden. Jeder Auszubildende sollte "mit den Schulbüchern auch ein Notebook dazukriegen". Mit solchen Programmen ist es Bischoff zufolge zu schaffen, den Anteil der Onliner mittelfristig auf über 80 Prozent zu bringen. Einen "harten Kern" an Verweigerern werde es aber immer geben.

Die Chance, rund 1,7 Millionen ältere Offliner ins Netz zu bekommen, sieht der Vereinschef mit dem Angebot eines "Best-Ager-PC" durch die Industrie. Dieser müsse der Umfrage zufolge etwa über ein sehr gutes Handbuch, einen mitgelieferten Drucker, ein Gütesiegel sowie intuitiv bedienbare Knöpfe verfügen. Ob und wann ein solches Gerät im Laden zu haben sei, verriet der Geschäftsführer von Fujitsu-Siemens nicht.

Eine gesonderte, nur online durchgeführte Analyse drehte sich zum zweiten Mal um den Schwerpunkt Sicherheit im Netz. Hier verkündete Tom Köhler, Leiter der Abteilung Sicherheitsstrategie bei Microsoft Deutschland, annähernd zufrieden, dass "bereits 56 Prozent der Nutzer eine automatische Update-Funktion" ihres Betriebssystems zum Stopfen von Schwachstellen verwenden. Tendenziell würden sich die Nutzer ferner besser informiert fühlen über diesen Bereich, obwohl die "Top-3-Informationsquellen" in Form von Bekannten, Zeitschriften und Computermagazinen sowie Newslettern etwas seltener genutzt würden. Dass sich 51,2 statt 48,5 Prozent der User selbst für die Sicherheit im IT-Sektor verantwortlich fühlen und nur noch 33,1 statt 34,7 Prozent auf die Hard- und Softwarehersteller schielen, dürfe bei letzteren aber nicht dazu führen, die Hände in den Schoß zu legen.

Köhler beklagte, dass nur eine Minderheit von 43,1 Prozent der befragten Eltern zum Schutz ihrer Kinder spezielle Software- und Browser-Einstellungen verwende. 81,3 Prozent würden aber angeben, die Zeit ihres Sprösslinge vor dem Computer zu beobachten, 56,2 Prozent sie zu reglementieren. 95,9 der Eltern sprächen sich eine Kenntnis darüber zu, mit welchen Spielen ihre Kids am Rechner die Zeit rumkriegen. Horstmann räumte hier aber einen "Befragungseffekt" ein, da wohl kaum ein so hoher Prozentsatz den Durchblick über die Aktivitäten des Nachwuchses am Rechner habe. Tagesaktuelle Problematiken seien zudem nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. So habe man etwa nicht gefragt, ob sich jemand durch die steigende Internetüberwachung verunsichert fühle und daher auf die Netzwelt verzichte. (Stefan Krempl) / (jk)