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Deutschlands Firmen ergänzen WLAN immer öfter mit Mobilfunktechnik

| Dusan Zivadinovic

Wo die Wirtschaft mit WLAN an Grenzen stößt, da kann Mobilfunktechnik weiterhelfen. Die Bundesnetzagengur registriert inzwischen eine steigende Nachfrage.

Die Nachfrage nach eigenen Mobilfunknetzen auf Basis der etablierten 4G- oder der neuen 5G-Technik kommt unter deutschen Firmen allmählich in Schwung. Inzwischen haben bundesweit 74 Unternehmen ein lokales Spektrum zur Eigennutzung bekommen, teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage der dpa mit, vier weitere Anträge sind in Bearbeitung. Im Juni, haben noch 46 Unternehmen Frequenzzuteilungen bekommen. Es geht um Campusnetze, deren Mobilfunkabdeckung nur lokal auf ein Fabrikgelände, eine Lagerhalle oder ein Feld begrenzt sind.

Denn WLAN eignet sich zwar prima zum Surfen und ist auch im Industrieumfeld stark vertreten, aber die veraltete Ressourcenaufteilung lässt keine garantierten Zustellfristen für Datenpakete zu und die Datenrate von WLAN-Geräten nimmt umso mehr ab, je mehr Geräte eine solche Funkzelle versorgen muss. Nicht so der Mobilfunk: Sowohl 4G- als auch 5G-Netze nutzen eine moderne Ressourcenaufteilung, sodass Datenpakete mit garantierten Zustellfristen verschickt werden können und überhaupt in einer Mobilfunkzelle deutlich mehr Geräte verlustfrei koexistieren können als im WLAN. So werden überall dort, wo WLAN nicht mehr genügt, Maschinen per Mobilfunk vernetzt, der Lagerbestand wird genau erfasst und Transportfahrzeuge können eigenständig umherfahren. Und manche Geräte oder Maschinen, die bisher wegen der WLAN-Schwächen nur per Kabel vernetzt waren, können nun mittels Mobilfunk entkabelt werden.

Die Bundesnetzagentur hatte im Frühjahr 2019 5G-Frequenzen an die Mobilfunkkonzerne Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und United Internet versteigert [1]. Einen Teil des Spektrums hielt sie aber zurück und stellte diesen ab November der Industrie zur Eigennutzung bereit. Das Interesse war schien zunächst gering, doch das erklärt sich leicht: Das Funkspektrum für Campusnetze ist weltweit noch neu, es gab besonders zu Beginn nur wenige Geräte dafür und auch nur wenige Dienstleister, die die Technik für mobilfunkunerfahrene Industrieunternehmen aufbauen konnten. Und nicht zuletzt konnte die Wirtschaft erst nach dem definitiven Startschuss der Bundesnetzagentur mit den Planungen beginnen, denn zuvor waren ja nicht einmal die Kosten festgelegt.

So hat die Zahl der Unternehmen, die Campusnetze betreiben, seit Jahresbeginn langsam zugenommen. Die Gebühren, die die Firmen für das Spektrum zahlen, sind gering. "Wir verzeichnen ein großes Interesse an den Frequenzen und rechnen weiterhin mit zahlreichen Anträgen", sagte ein Sprecher der Bundsnetzagentur.

Längst können auch Fahrzeuge dank 4G-Mobilfunk autonom über das Fabrikgelände fahren, und das noch leistungsfähigere 5G sollte zusätzliches Interesse an Campusnetzen wecken. Als erste Firmen griffen der Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen, die Deutsche Messe in Frankfurt am Main und der Hamburger Hafen zu. Inzwischen ist die Liste der Unternehmen deutlich länger geworden, auch Audi, Daimler und Evonik gehören dazu sowie einige Hochschulen mit technischem Schwerpunkt.

Im Digitalzeitalter gewinnen Daten für die Industrie an Wert – mit Campusnetzen haben sie Oberhoheit über die Daten. Solche Netze sind vom normalen Mobilfunk getrennt, was sie vor Hackerangriffen schützt. Ist man mit seinem Handy in Reichweite eines Campusnetzes, wird es auf der Liste verfügbarer Netze entweder gar nicht angezeigt, oder man kommt mangels passender SIM-Karte nicht rein.

Die Mobilfunkunternehmen waren zunächst wenig begeistert, als die Bundesnetzagentur erstmals lokale Frequenzen für Firmen anbot. Aus Sicht der Deutschen Telekom, O2 Telefónica und Vodafone wurde ihnen dadurch ein Teil des wertvollen Spektrums vorenthalten, das sie gern selbst genutzt hätten und zumindest große Firmen wie VW können eigene Mobilfunknetze komplett in Eigenregie betreiben und damit die Dienste von Telekom, Telefónica und Vodafone einfach ausschlagen. Inzwischen haben sich die Telekommunikationsunternehmen aber mit der Situation arrangiert und bieten den Aufbau von Campusnetzen als Dienstleistungen an.

"Es gibt durchaus einige Unternehmen, die solche Campusnetze eigenständig aufbauen wollen", sagt ein Vodafone-Sprecher. Allerdings wollten die allermeisten Konzerne doch lieber mit einem Telekommunikationsunternehmen zusammenarbeiten. Derzeit sei Vodafone mit 200 Unternehmen im Austausch, die Interesse an einem Campusnetz haben. Hierbei nutzen die Firmen entweder Frequenzen vom Netzbetreiber oder sie greifen auf das lokale Spektrum zurück, das die Bundesnetzagentur für sie reserviert hat. Eine Sprecherin der Deutschen Telekom berichtete ebenfalls von eigenem Campusnetz-Geschäft.

Vodafone hat zum Beispiel in Hamburg ein 5G-Netz für die "Lufthansa Technik" gebaut. In einem Hangar erhalten Flugzeuge ihre Innenausstattung, etwa Sitze. Früher wurde dort WLAN für die Internet-Anbindung verwendet, dessen Signal aber zu schwach war. Mit dem neuen 5G-Campusnetz sehen Mechaniker an entfernten Standorten nun per Augmented Reality wie der Rumpf aussehen und welches Teil wo verbaut werden soll. Am Düsseldorfer Klinikum wiederum baut Vodafone ein 5G-Campusnetz, wodurch Patienten "digitale Pflaster" benutzen können – sollten ihre Vitalwerte bestimmte Schwellenwerte über- oder unterschreiten, wird Alarm geschlagen.

Zum Thema Campusnetze siehe auch

Bisher liegen die Frequenzen für lokale Campusnetze im Bereich von 3,6 bis 3,7 Gigahertz und können technikneutral sowohl per 4G- als auch per 5G-Technik genutzt werden. Gegen Jahresende will die Bundesnetzagentur weiteres Spektrum im 26-Gigahertz-Bereich bereitstellen (genauer: 24,45 bis 27,5 GHz). Deren Reichweite ist zwar gering, aber die Datenkapazität riesig. Zu den Anwendungen gehören Infrastrukturanbindungen, Industrie 4.0 und Internet der Dinge (Internet of Things, IoT).

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(dz [5])


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[1] https://www.heise.de/news/5G-Frequenzauktion-beendet-4445365.html
[2] https://www.heise.de/newsticker/meldung/5G-Bundesnetzagentur-bestimmt-Gebuehren-fuer-Campusnetze-4572908.html
[3] https://www.heise.de/select/ct/2020/7/2004817564783395588
[4] https://www.heise.de/ct/
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