Die Eltern, der Staat und der Jugendschutz im Internet

Mit Verboten lässt sich Jugendschutz im Internet nicht gewährleisten, meinen Wirtschaft und Pädagogen: Neben dem Staat seien auch die Eltern gefordert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 299 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Felix Rehwald
  • dpa

Pornografie, Gewalt und Rassenhetze -- das Internet sorgt immer wieder auch für negative Schlagzeilen. Die Frage besorgter Eltern, ob sie angesichts anstößiger Inhalte ihre Kinder unbesorgt im Internet surfen lassen können, scheint daher verständlich. Zwar versucht man in Deutschland seit einiger Zeit, die Verbreitung jugendgefährdender Websites einzuschränken. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass sich der Jugendschutz im Internet allein mit gesetzlichen Regelungen und Verboten durchsetzen lässt.

Der jüngste Vorstoß in diese Richtung kommt von Bund und Ländern, die mit einer gemeinsamen Gesetzesinitiative den Jugendschutz für alle Medien einheitlich regeln wollen. Dabei ist gleichzeitig eine Verschärfung der Jugendschutzbestimmungen für das Internet geplant, so das Bundespresseamt in Berlin. Für die Kontrolle der Online-Medien wären dann die Bundesländer zuständig, erklärt Hans-Dieter Drewitz, bei der Staatskanzlei in Mainz verantwortlich für Medienfragen und gleichzeitig Vorsitzender der Rundfunkreferenten der Länder. Zur Aufsicht solle eine Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) geschaffen werden, die wiederum zur Kontrolle der Inhalte im Internet Lizenzen an Selbstkontroll-Einrichtungen vergebe.

Nach Angaben von Drewitz könnte die Arbeit dieser Stellen etwa so aussehen, dass sie bei Beschwerden an die Anbieter anstößiger Internetseiten heranträten und auf eine Herausnahme der Seiten oder auf Zugangsbeschränkung hinwirkten. Bei strafbaren, jugendgefährdenden Inhalten wie etwa Kinder- und Gewaltpornografie würden jedoch umgehend Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Im Gespräch sei auch, die Anbieter zu verpflichten, umstrittene Inhalte wie etwa Erotik grundsätzlich mit Filterprogrammen zu versehen, sagt Drewitz. Diese Filter sollten sicherstellen, dass nicht etwa Kinder, sondern nur Erwachsene auf diese Seiten gelangen können. Gleichzeitig sollten zur besseren Orientierung für Kinder und Eltern im Internet unbedenkliche Inhalte durch ein so genanntes "Positiv-Rating" gekennzeichnet werden.

Auf Seiten der Inhalte-Anbieter hält man diese Pläne jedoch für unausgereift und für zu weitgehend. Der Deutsche Multimedia Verband (DMMV) in Berlin macht daher mobil gegen das Reformvorhaben: "Die Regelungen sind nicht sachgerecht", sagt Claudia Rinke, Leiterin der Abteilung Medienpolitik des DMMV. "Sie sollten mehr Rücksicht auf die Eigenheiten des Mediums nehmen." Es mache bei einem weltweiten Medium wie dem Internet wenig Sinn, so Rinke weiter, für sämtliche Inhalte-Anbieter in Deutschland -- auch für solche, die gar keine umstrittenen Inhalte anböten -- strikte Regelungen aufzustellen. "Eine Vielzahl der Anbieter, die man nicht haben will, sitzt ohnehin nicht in Deutschland und fällt daher nicht unter die deutsche Rechtsprechung."

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) befürchtet zudem, dass der Staat durch die geplante Lizenzierung zu großen Einfluss auf die Selbstkontroll-Einrichtungen ausübt. "Damit wäre der Arbeit der freiwilligen Selbstkontrolle der Boden entzogen, sie würde zur 'unfreiwilligen Fremdkontrolle' mutieren", sagt FSM-Vorsitzender Arthur Waldenberger.

Ein "Überwachungsinstrument à la 'Big Brother'" ist laut Hans-Dieter Drewitz jedoch keineswegs geplant. Eine hundertprozentige Kontrolle sei im Internet auch gar nicht zu leisten. "Die Alternative kann aber auch nicht sein, Dinge wie Kinderpornografie hinzunehmen und Wertvorstellungen aufzugeben." Mit den Maßnahmen sollte der Zugang für Jugendliche zu anstößigen Inhalten zumindest erschwert und ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein der Anbieter erreicht werden.

Einige Medienpädagogen sind jedoch skeptisch, ob staatliche Regelungen allein ausreichen, um Kinder und Jugendliche vor schädlichen Inhalten im Internet zu schützen. "Der Jugendschutz richtet sich an die Inhalte-Anbieter, nicht an die Eltern", gibt Johannes Fromme, Hochschuldozent für außerschulische Pädagogik an der Universität Bielefeld, zu bedenken. Der Jugendschutz gehe davon aus, dass Kinder und Jugendliche bestimmte Inhalte nicht verkraften, meint Fromme. Daher müsse man sie davor schützen. Gleichzeitig wisse man jedoch, dass sich etwa pubertierende Jugendliche gerade für verbotene Inhalte interessieren. "Man wird es nicht verhindern können, dass Jugendliche damit konfrontiert werden, wenn sie gezielt danach suchen", sagt Fromme.

Der Wissenschaftler hält daher die Jugendschutzbestimmungen zwar für ein wichtiges Signal. Gleichzeitig müsse jedoch die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen gestärkt werden. "Beide Ansätze sollten Hand in Hand gehen." Dabei seien allerdings in erster Linie die Eltern gefordert: Sie sollten ihre Kinder "nicht einfach an das Medium abgeben", sondern sich damit beschäftigen, was die sich im Internet eigentlich anschauen. "Eltern sollten das Surfen begleiten, auch wenn sie selbst kein Interesse daran haben", sagt Fromme. "Dabei ist es wichtig, nicht nur Verbote auszusprechen, die diese Dinge eventuell nur noch interessanter machen", sagt Fromme. Besser sei es, wenn Eltern Positivbeispiele gäben. So könnten sie ihren Kindern etwa spezielle Kinderportale, Kindersuchmaschinen oder als kindertauglich geprüfte Seiten empfehlen. (Felix Rehwald, dpa) / (jk)