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Die IT-Branche sieht sich als Vorreiter im Umweltschutz

Bei der ersten CeBIT-Pressekonferenz zum Thema Green IT haben Firmen- und Verbandsvertreter gemeinsam beschworen, dass jetzt in der IT-Branche tatsächlich so etwas wie eine Zeitenwende eingetreten ist.

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Von
  • Angela Meyer

"Unserer Ansicht nach wird Green IT nicht als Hype-Thema bald wieder verschwinden, sondern dauerhaft auf der Agenda bleiben", erklärte Dirk Heiss von Gartner Consulting bei der ersten Pressekonferenz zur diesjährigen CeBIT, die sich das Thema Green IT auf die Fahnen geschrieben hatte. In einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Hannover Messe, des Bitkom, des World Wild Life Fund, der Climate Savers Computing Initiative und einigen großen Firmen erklärten diese, dass die Branche die Zeichen der Zeit erkannt hätte und nun beim Umweltschutz wirklich etwas bewegen wolle.

Schließlich brauche moderner Umweltschutz High-Tech, denn nur damit könne man das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch entkoppeln, erklärte das Bitkom-Präsidiumsmitglied Martin Jetter in einem Kurzvortrag. Da Wachstum unverzichtbar sei, müsse man quer durch alle Wirtschaftsbereiche enerigeeffizientere Produkte konstruieren, produzieren, vertreiben, nutzen und recyceln. Die ITK-Branche stehe da bereits jetzt wie kaum eine andere für Klimaschutz, denn sie sei zwar für rund zwei Prozent der weltweiten Klimaemissionen verantwortlich, da unter anderem rund drei Milliarden Menschen mobil telefonierten und eine Milliarde einen Computer nutze. Aber andererseits leiste sie etwa sechs Prozent der weltweiten Wertschöpfung, sei also bereits dreimal so effizient wie der Durchschnitt aller Branchen.

Andererseits hänge es bei einem PC viel stärker vom Nutzer ab, wie effizient er arbeitet, als bei Geräten wie einem Kühlschrank, der einmal angeschlossen, bei allen die gleiche Aufgabe erfüllt. Man müsse daher vor allem das Bewusstsein für Energieeffizienz bei allen schärfen: Mitarbeiter schulen, sodass sie im eigenen Unternehmen Energie sparen und effiziente Systeme für die Kunden entwickeln, und gleichzeitig die Kunden besser über die Einsparmöglichkeiten während der Nutzung der Geräte informieren - so könne man auch ohne große Investitionen bereits viel bewirken.

Und wenn man, um noch weniger Energie zu verbrauchen, auch noch in neue, sparsamere Geräte investiere, so sei der Return on investment binnen kurzer Zeit zu erreichen. Das gelte besonders für den Serverbereich, wo allein mit einer höheren Raumtemperatur, also weniger Kühlung, sowie Virtualisierung schon viel eingespart werden könne. Aber auch mit besseren Systemen für Telearbeit und Videoconferencing könnte die IT-Branche den Klimaschutz voranbringen.

Damit Nutzer gezielt handeln könnten, bräuchten sie aber auch Informationen über den Energieverbrauch - mindestens generell und noch besser laufend am Gerät -, sodass intelligente Nutzung einfacher wird. Nachdem es bei der Kooperation zwischen dem Bundesumweltministerium, dem Bundesinnenministerium, dem Umweltbundesamt und dem Bitkom kürzlich spürbar geknirscht hatte, soll nun demnächst immerhin ein Infoportal online gehen, das unter anderem mit einem Kriterienkatalog zur umweltfreundlichen Beschaffung von ITK-Produkten den Verantwortlichen bei Bund, Ländern und Kommunen bei der Auswahl helfen soll.

Besonders am Herzen lag der Runde aber, zu zeigen, dass die ITK-Branche für alle anderen Branchen die entscheidende Hilfe zum Klimaschutz anbietet und dass sich kluger IT-Einsatz in jeder Hinsicht rechne - für alle Beteiligten. "Wir haben zum einen die Baustelle, wie die Branche selbst grüner wird", sagte Mario Tobias vom Branchenverband Bitkom. "Aber das noch wichtigere Zweite ist: Wie können wir den Energieverbrauch auch von allen anderen senken und zeigen, welches Potenzial ITK-Produkte für alle Bereiche haben, sodass wir auch ohne ein weiteres Gesetz den Klimaschutz in Kooperation voranbringen?". Vor allem die gegenüber den USA höheren Energiekosten haben in der EU für das höhere Know-How gesorgt, das man jetzt, wo die Energiediskussion weltweit an Bedeutung gewinnt, nicht verspielen sollte. Weitgehend einig war sich die Runde darüber, dass die weitere Arbeit an der Entwicklung eines weltweiten Standards wichtig sei, um Energieeffizienz einfach messen und vergleichen zu können, sodass Verbraucher auch sparsame Geräte kaufen können, wenn sie dies wollen.

Die Unternehmen versuchten aber auch mit konkreten Hinweisen auf ihr Engagement zu punkten: So hat Kyocera zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe einen mit 100.000 Euro dotierten Umweltpreis ausgelobt, der einem mittelständischen Unternehmen Starthilfe für eine sonst nicht finanzierbare gute Umweltlösung geben soll. Und Bernd Kosch von Fujitsu Siemens wies darauf hin, dass sein Unternehmen bereits seit 1988 PCs recycelt und 1993 den ersten Green PC auf den Markt gebracht hat. Der Hersteller setzt nun darauf, dass endlich die Zeit reif ist dafür, umweltgerechtere Produkte als Standard zu produzieren. Fujitsu Siemens habe sich im vergangenen November das Unternehmensziel gesetzt, als erste Firma ein komplett grünes Produktportfolio zu üblichen Preisen anzubieten, sagte Kosch.

Womit die Runde wieder bei dem letztlich entscheidenden Thema angekommen war, das IBM in seiner CeBIT-Pressemitteilung mit der Formel "Energieeffizienz wird zum Wettbewerbsfaktor" auf den Punkt gebracht hat: Energieeffizienz muss und kann sich rechnen. Lediglich Bernhard Bauske vom WWF erinnerte im Verlauf der zweistündigen Veranstaltung zumindest kurz daran, dass die Verbesserung der Energieeffizienz natürlich wichtig sei, aber auch damit immer noch nicht alles getan ist: "Jedes Unternehmen muss seinen ökologischen Fußabdruck kennen – und zwar die ganze Kette von den Rohstofflieferanten bis hin zur Entsorgung." Die WWF-Projekte zeigten, dass der Druck, umweltschonender zu handeln, weltweit sehr hoch sei und insbesondere der Ressourcenverbrauch in vielen Gegenden deutliche Spuren hinterlasse. "Die nächste große Herausforderung für die Innovation ist die Ressourceneffizienz." Ein wichtiger Ansatzpunkt dafür sei die modulare Aufrüstbarkeit gerade der relativ kurzlebigen Geräte wie PC und Handy. Hierauf ging die Runde allerdings nicht weiter ein – im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit blieb der bei der Energieeffizienz mögliche Brückenschlag zwischen Ökonomie und Ökologie.

Wobei diese Verbindung von vielen auch ganz pragmatisch als notwendig gesehen wird. "Leider ist es immer noch so, dass die monetäre Komponente am besten zieht und sich so am schnellsten etwas erreichen lässt", meinte Martin Niemer von VMWare. Bei der Schlussfrage des Moderators an alle nach den persönlichen Zielen für den Klimaschutz für dieses Jahr setzte er darauf, mit Informationen zu helfen, dass Anwender effizienter arbeiten können. "Das hat am Ende die größte Wirkung." Und ganz persönlich werde er weniger fliegen: "Das freut nicht nur die Umwelt, sondern auch meine Frau."

Siehe dazu auch:

  • Kein Anschluss? Green IT ist noch nicht Fair IT, c't 5/08, S. 96

sowie den Schwerpunkt "Strom sparen!" in c't 4/08:

  • Sparprogramm. Am Rechner Geldbeutel und Umwelt schonen, c't 4/08, S. 78
  • Sparsam servieren, Hosting als Alternative zum Strom fressenden Heim-Server, c't 4/08, S. 86
  • ACPI-ologie. Energiesparfunktionen von Windows und Hardware, c't 4/08, S. 89
  • Spar-Tricks. Sparsame Hardware für Desktop-Rechner, c't 4/08, S. 90
  • Stromdiät. Effiziente Netzteile für sparsame PCs, c't 4/08, S. 96

(anm)