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Die Kommunikation der Dinge

| Friederike Maier

Sensor-Meldungen über Sub-Gigahertz-Frequenzen, quengelnde Mülleimer, vernetzte Zahnbürsten: Das Internet of Things, kaum dass es entsteht, führt bereits ein Eigenleben. Aus Sicht von Funk-Ingenieuren ist das aber auch notwendig.

Die Kommunikation der Dinge

Alle paar Wochen gehen neue Rekordmeldungen über die schnellste mobile Datenübertragung durch die Nachrichtenticker: Mehr Bandbreite für größere Filme, mehr Smartphones und andere datenhungrige Devices. Doch während auf der einen Seite immer mehr Kanäle gebündelt und Antennen-Arrays zusammengesteckt werden, um die Datenmengen von A nach B zu bekommen, gibt es auch die gegenläufige Richtung: Milliarden funkender Dinge, denen ein paar Bit pro Sekunde ausreichen, um zum Beispiel über ihr aktuelles Befinden zu berichten, werden demnächst an der Kommunikation teilnehmen. Das zumindest verkünden Marketingabteilungen vieler Firmen unermüdlich auf Mobilfunk- und Computermessen. Neben Sensordaten, die zum Beispiel den Verschleiß eines Bauteils kundtun, gibt es inzwischen vernetzte elektrische Zahnbürsten, Turnschuhe und vieles mehr. Und immer mehr medizinische Geräte werden ans Netz angeschlossen.

Je größer die Reichweite ist, desto weniger Equipment muss beim Kunden installiert werden.

Je größer die Reichweite ist, desto weniger Equipment muss beim Kunden installiert werden.

An die Übertragungsverfahren stellen diese Geräte, falls sie in den angekündigten Mengen auftreten, ganz neue Anforderungen. Die Übertragungsprotokolle sollten bei den geringen Datenraten keinen allzu großen Overhead haben, also möglichst hohen Nutzdatenanteil. Die Geräte sollten günstig sein und die Unterhaltskosten überschaubar. Außerdem ist eine geringe Stromaufnahme wichtig: Sie sollten ein paar Monate, wenn nicht Jahre ohne Batteriewechsel und überhaupt auch ohne Wartung arbeiten. Auch auf Netzwerkseite ist Anpassung gefragt. Wenn Millionen Wasserzähler alle auf einmal Ihren Zählerstand ins Mobilfunknetz schicken, könnte es sonst zu Aussetzern in der Sprachkommunikation kommen.

Vielen Anwendungen, etwa in der Heimautomatisierung, genügen ein paar Meter Reichweite. Die Daten werden dann von einem Gateway vor Ort eingesammelt und von diesem etwa per Kabel weitergeschickt. Daneben gibt es aber immer mehr Anwendungsszenarien mit größeren Distanzen. Der Wasserzähler im Keller beispielsweise, der seinen Stand automatisch an die nächste Basisstation weitergibt. Die größere Reichweite ist gerade für die IoT-Provider wichtig, weil die Infrastruktur ihrer Kontrolle untersteht und weil sie sehr viele Geräte gleichzeitig versorgen wollen.

Eine Menge Standardisierungsgremien verpassen ihren Kommunikations-Spezifikationen derzeit Versionen für die M2M- oder MTC-Kommunikation (Maschine-to-maschine, Maschine type Communication). Daneben gibt es viele proprietäre Lösungen und um das alles miteinander kompatibel zu machen, bilden sich Zusammenschlüsse. Allerdings ebenfalls gleich mehrere, und natürlich nicht von vornherein zueinander kompatible.

Die Mobilfunkbranche, die unter dem Dach des Third Generation Partnership Project, 3GPP, LTE-Spezifikationen entwickelt, trimmte sie bis zum "Release 11" hauptsächlich auf immer höhere Datenraten. Selbst die langsamste Gerätekategorie 1, die die geringsten Anforderungen stellt, empfängt bis zu 10 MBit/s und sendet bis zu 5 MBit/s und nutzt dafür einen 20 MHz breiten Kanal. Damit sind solche Geräte immer noch hauptsächlich für gängige Anwendungen mit menschlicher Interaktion ausgelegt, also zum Surfen und Mailen gedacht. Jetzt plant das 3GPP auch in die andere Richtung: In LTE Release 12 hat die Organisation die Gerätekategorie 0 eingeführt. Diese Geräte befördern nur noch 1 MBit/s in Sende- und Empfangsrichtung und sind damit deutlich genügsamer.

Die Pläne für den Release 13, der 2016 verabschiedet werden soll, sehen vor, die Komplexität weiter zu verkleinern. Mit einer auf 1,4 MHz reduzierten Bandbreite, geringerer Sendeleistung und optional nur noch Halbduplex-Betrieb soll die Komplexität gegenüber Kategorie 1 auf ein Viertel reduziert werden. Später könnte die Bandbreite sogar auf bis auf 200 kHz abnehmen. Gleichzeitig will das 3GPP die Zuverlässigkeit der Verbindung verbessern, etwa durch wiederholtes Senden von Referenzsignalen. Das käme zum Beispiel der Datenerfassung von Messgeräten im Keller zugute.

Dank einer genügsamen Auslegung könnten Geräte, die gemäß einer künftigen Maschinenversion der LTE-Spezifikation funken, mit der Breite eines GSM-Kanals auskommen. Alternativ dürften sie in den Schutzabstandslücken funken, die der Highspeed-LTE-Mobilfunk lässt, schreibt Nokia in einem Whitepaper zu LTE-M [1]. Für eine gute Ausbreitung auch aus dem Keller heraus sind dabei die Sub-Gigahertz-Frequenzen besonders interessant.

Auch die Entwicklung der ersten Mobilfunk-Generation, GSM, ist noch nicht beendet. Da es inzwischen sehr günstige GSM-Geräte gibt, werden viele Sensoren über GSM ans Internet angekoppelt. GSM könnte daher ebenfalls einen Energiespar-Modus bekommen, der ähnliche Mechanismen nutzt wie LTE-M.

Die Anforderungen an das Core Netzwerk ändern sich. Damit es flexibler wird, sollen immer mehr Elemente virtualisiert werden. Der Datenverkehr von speziellen Device-Klassen soll dann über spezielle Netzwerkknoten zum Ziel geleitet werden.

Einen vernetzte Wasserzähler stellte Huawei auf der CeBIT 2015 vor.

Einen vernetzte Wasserzähler stellte Huawei auf der CeBIT 2015 vor.


Erste Anwendungen unter dem Branding LTE-M hat Huawei auf dem diesjährigen Mobile World Congress vorgestellt. Das 4.5G-Smartband [2] ist mit einem LTE-M-Chip von Neul ausgestattet. Neul ist ein englisches Start-Up, das maßgeblich an der Entwicklung der IoT-Spezifikation namens Weightless beteiligt war. Die Technik wurde ursprünglich für den TV-Whitespace entwickelt, also für die Lücken und Schutzabstände
zwischen den DVB-T-Signalen. Huawei hat Neul im Herbst 2014 aufgekauft. Gemeinsam mit Vodafone und anderen Unternehmen kündigte Huawei außerdem im Februar 2015 an [3], IoT-Chipsets in Wasserzähler einzubauen, um diese aus der Ferne über das Vodafone-Netz mittels GPRS-Anbindung auszulesen.

Den Nachteil von proprietären Spezifikationen in den Händen einzelner Unternehmen vor Augen, haben sich im IEEE erneut Unternehmen zusammengesetzt, um nach dem Vorbild etwa von WLAN-Spezifikationen gleich einen herstellerübergreifenden Standard für das Internet of Things zu entwickeln. Eine der wichtigen Spezifikationen in diesem Umfeld läuft unter dem Titel IEEE 802.11ah. 802.11ah setzt wegen der guten Ausbreitungseigenschaften auf den Frequenzbereich unter 1 GHz. Dort nutzt das Verfahren unlizenzierte SRD-Bänder (Short Range Device). In Europa ist das beispielsweise der Bereich zwischen 863 und 886 MHz. Die Breite des Funkkanals kann zwischen 1 MHz und 16 MHz variieren. Je nach Land und Regulierung darf in dem unlizenzierten Frequenzbereich mit bis zu 10 mW oder bis zu 1 W gesendet werden. Entsprechend geben die Entwickler die Reichweite mit 100 bis 1000 Metern an.

Der Rest der Spezifikation erinnert in der Tat stark an WLAN-Spezifikationen. Beispielsweise kommt auch bei 802.11ah als Multiplexverfahren OFDM zum Einsatz, und zwar mit den Unterträgermodulationen BPSK bis QAM256. MIMO, die Übertragung von mehreren räumlich separierten Datenströmen, steht ebenfalls im Stammbuch. Zum Stromsparen lässt sich das Radio-Frontend in nichtaktiven Zeiten abschalten, sogar über Monate hinweg.

Die IEEE-Spezifikation 802.11ah nutzt niedrige Frequenzen, um für Dinge des Internet of Things die Reichweite zu erhöhen.

Die IEEE-Spezifikation 802.11ah nutzt niedrige Frequenzen, um für Dinge des Internet of Things die Reichweite zu erhöhen.

Um den Anteil der Verwaltungsinformationen in ein besseres Verhältnis zu den kleinen Datenraten zu bringen arbeitet 802.11ah mit einem kürzeren MAC-Header. Und per Speed Frame Exchange darf ein Sender seinen ACK-Bestätigungspaketen auch Nutzdaten beifügen – beides erhöht den Nutzdatenanteil des Protokolls.

Geplant ist eine Single-Hop-Architektur, bei der jedes Gerät direkt mit dem Gateway kommuniziert. Die Anzahl der Geräte pro Access Point wurde durch die Einführung einer hierarchischen Struktur der Identifier von ursprünglich 2007 auf 8191 erhöht. Die Standardisierung soll 2016 abgeschlossen sein. Erste Testgeräte gibt es aber schon und zwar beispielsweise von Keysight [4] (ehemals Agilent).

Daneben gibt es noch allerlei Entwicklungen außerhalb der herkömmlichen Standardisierungsgremien. Sigfox [5] hat ein schmalbandiges, proprietäres System entwickelt, das ebenfalls im SRD-Band funkt. In Großbritannien plant der Kommunikationsanbieter Archiva den Aufbau eines ganzen IoT-Netzes mit der Sigfox-Technik. Bereits seit Ende 2014 funken in Greenwich erste Sigfox-Geräte. Die Anwendungen reichen von einer Parkplatz-Finde-Applikation über Mülleimer, die quengeln, wenn sie voll sind, bis hin zu vernetzten Rauchmeldern. Weitere 10 Standorte sollen folgen.

Die Welt der IoT- und M2M-Devices zu gestalten, das hat sich auch die LoRa Alliance als Mission gesetzt. Die Funkfrequenz des dabei verwendeten LoRaWAN-Systems ist ebenfalls im SRD-Band angesiedelt. Gegenüber dem Sigfox-System verwendet es eine breitbandigere Modulation und kommuniziert auch bidirektional.

Ursprünglich für den TV-Whitespace-Bereich entwickelt, wurde die Weightless-Spezifikation. In den durch die Fernsehdigitalisierung frei gewordenen Frequenzbändern sollte Weightless die Vernetzung der Dinge vorantreiben. Die Spread-Spectrum-Technik sollte ein sehr robustes Signal und eine hohe Reichweite gewährleisten.

Da jedoch die Funkregulierung in diesem Bereich in vielen Ländern noch unklar ist, entstand parallel eine Entwicklung im SRD-Band. Dort soll der Weightless-Abkömmling schmalbandig mittels der DBPSK-Modulation arbeiten (Differential Binary Phase Shift Keying). Um Interferenzen auszuweichen, nutzt diese Variante einen Frequenz-Hopping-Algorithmus. Die versendeten Daten werden per AES-Verfahren mit 128-Bit-Schlüsseln chiffriert. Die Netzwerkarchitektur ist sternförmig. Eine Stadt von der Größe Cambridges soll mit lediglich sieben Basisstationen abgedeckt werden können.

Mitte Juni wurde ein erstes Weightless-N Netzwerk in London angeschaltet. Es wird von dem britischen Startup- und Innovations-Förderer Digital Catapult [6] unterstützt. Die Initiatoren wollen das Netzwerk für innovative Projekte rund um das Thema Internet of Things mit einer öffentlichen Ausschreibung öffnen.

Die Funkmodule des kroatischen Herstellers Zipato lassen sich zusammenstecken.

Die Funkmodule des kroatischen Herstellers Zipato lassen sich zusammenstecken.

Bei kleineren Reichweiten wird die Fülle der verschiedenen Spezifikationen noch unübersichtlicher. Ebenfalls von der IEEE standardisiert sind ZigBee (802.15.4) und Bluetooth (802.15.1), wobei sich der Blauzahn-Funk inzwischen als Bluetooth Smart auch für einen Low-Energie-Betrieb eignet. Daneben tummeln sich noch eine Menge weiterer Heimvernetzungslösungen wie Z-Wave, EnOcean oder HomeMatic in diesem Bereich. Zipato, ein kroatisches Unternehmen, setzt sowohl ZigBee als auch Z-Wave in seinen Heimautomationsgeräten ein, die sich zusammenstecken lassen. Bei Sichtkontakt überbrücken die Geräte bis zu 400 Meter, in Gebäuden reicht es laut Hersteller immerhin noch für 70 Meter.

Sogar der Schnurlostelefonstandard DECT hat mit ULE, eine Ultra-Low-Energy-Variante parat. Da DECT im europaweit reservierten und lizenzfreien Frequenzband von 1880 bis 1900 MHz funkt, erwarten Fachleute dabei deutlich weniger Störungen als bei anderen Frequenzbändern, die sich unterschiedliche Geräte teilen müssen.

Kommunikation über Technologie-Grenzen hinweg

Um Marktchancen zu steigern, schließen sich aber auch Industrie-Konsortien rund um proprietäre Lösungen zusammen, um diese so zum Standard zu verhelfen – eine Interoperabilität zwischen Geräten der Konsortienmitlieder ist dann die Mitgift solcher Spezifikationen. Noch einen Schritt weiter denkt das europäische Standardisierungsgremium ETSI: Das möchte die Interoperabilität gleich auf Ebene verschiedener Technologien verwirklichen. An der Spezifikation arbeitet das ETSI unter dem Begriff oneM2M [7]. Mit dabei sind Standardisierungsorganisationen aus den USA, China, Japan und Korea und diversen Industrie-Konsortien, etwa die auf den Gesundheitsbereich spezialisierte Continua Healthcare Alliance, die Open Mobile Alliance sowie 200 Partner aus Industrie und Forschung.

OneM2M will oberhalb der aktuellen M2M-Techniken einen Interoperabilitäts-Layer einziehen. Damit soll dann beispielsweise ein vernetztes Haus mit einem vernetzen Auto kommunizieren können – beide setzen üblicherweise verschiedene und bisher inkompatible Vernetzungen ein. Zudem sollen Applikationen unabhängig von der verwendeten Technik, mit der die Geräte angebunden sind, auf deren Daten zugreifen können. Das Release 1 der Spezifikation [8] wurde im Januar veröffentlicht. (dz [9])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2627817

Links in diesem Artikel:
[1] http://networks.nokia.com/sites/default/files/document/nokia_lte_m2m_white_paper_1.pdf
[2] http://www.huaweiblog.de/preview/huawei-praesentiert-4-5g-smartband-mit-lte/
[3] http://www.vodafone.com/content/index/about/what/technology-blog/2015/02/vodafone_extendsits.html
[4] http://about.keysight.com/en/newsroom/pr/2015/09mar-em15033.shtml
[5] http://www.sigfox.com/en/
[6] http://www.digitalcatapultcentre.org.uk
[7] http://onem2m.org/
[8] http://onem2m.org/technical/published-documents
[9] mailto:dz@ct.de