Die Kundenpflege per Computer und die Privatsphäre

Im Kampf um den Kunden haben viele Unternehmen den Computer als Waffe entdeckt -- und stoßen auf Bedenken bei den Datenschützern.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Carsten Hoefer
  • dpa

Im Kampf um den Kunden haben viele Unternehmen den Computer als Waffe entdeckt. Das computergesteuerte Customer Relationship Management (CRM, zu Deutsch etwa "Kundenbeziehungsmanagement") hat in den vergangenen Jahren Marketing und Vertrieb geradezu revolutioniert. Es erlaubt eine genaue Einteilung und Identifikation von Zielgruppen. Möglich wird dies durch eine sehr umstrittene Technik: Data Mining – die Sammlung und Analyse gewaltiger Mengen von Kundendaten, die Rückschlüsse auf Lebens- und Kaufgewohnheiten zulassen. Kritiker fürchten einen Angriff auf die Privatsphäre, während Befürworter auf die Vorteile für die Verbraucher verweisen.

Die Softwarehersteller sprechen eine klare Sprache: "Frühzeitiges Erkennen abwanderungsgefährdeter Kunden", wirbt Siemens im Internet. Der Walldorfer Softwarekonzern SAP verspricht auf seinen Webseiten, dass die digitale Beziehungspflege die Kunden ausgabefreudiger macht: "Steigerung des Kundenwerts über den gesamten Beziehungszyklus". SAP-Software erleichtert zudem die Suche nach den Kunden, denen der Geldbeutel am lockersten sitzt: "Fokussierung der Vertriebsmitarbeiter auf die profitabelsten Kunden."

Abtrünnige Kunden lassen sich zurückgewinnen: "Nutzen Sie Beziehungsmanagement, um Exkunden zu aktivieren", heißt es im Internet bei SAS Institute, dem Marktführer der Branche. Das US-Unternehmen, dessen deutsche Tochter in Heidelberg ansässig ist, bringt es auf die einprägsame Formel: "Das Bild vom Kunden muss so scharf sein wie der Wettbewerb."

Das Prinzip des Datenschürfens im digitalen Bergwerk ist einfach: "Große Datenbestände aus unterschiedlichen Datenbanken werden zusammengefasst und auf bisher unbekannte Zusammenhänge und Trends durchleuchtet", sagt Andreas Reuter, wissenschaftlicher Direktor des European Media Laboratory in Heidelberg. Quellen der Daten können etwa Kaufverträge sein, Registrierungsformulare für Neukunden, EC-, Kredit- und Versicherungskarten oder das Internet.

"Der Erfolg ist messbar", sagt Andreas Zipser, Marketing-Manager bei SAS Institute in Heidelberg: So habe die Telekom-Mobilfunktochter T-Mobil durch Einsatz von SAS-Software ihre Stornoraten um 30 Prozent senken können. Heutzutage sei es möglich, die Kunden in kleine homogene Gruppen segmentieren. "Ein Versandhaus kann die letzte Mailingkampagne analysieren und untersuchen, wie das Antwortverhalten bei älteren Frauen, älteren Männern und Familien mit Kindern war. Haben die älteren Frauen nicht regiert, muss man sie bei der nächsten Kampagne gar nicht mehr ansprechen."

Die Kritik hält der SAS-Manager für unberechtigt, da Data Mining nicht auf den "gläsernen Kunden" abziele: "Wichtig ist nicht der Einzelne, sondern die Gruppe. Die Frage lautet nicht: Was kauft Lieschen Müller, sondern: Was kaufen Familien mit zwei Kindern?" Den Vorteil hätten auch die Kunden: "Sie bekommen die individuelle Ansprache, die sich die meisten Menschen wünschen."

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aber sind skeptisch. "Persönlichkeitsprofile, automatisierte Vorhersagen von Verhaltens- und Handlungsweisen, Manipulationsmöglichkeiten und zu lange Speicherung sind befürchtete Gefahren", heißt es in einer gemeinsamen Entschließung der Datenschützer. "Problematisch ist auch, wenn die Daten für Zwecke verwendet werden, von denen die Kunden gar nichts wissen", sagt Helmut Bäumler, der schleswig-holsteinische Landesbeauftragte für den Datenschutz.

SAS-Manager Zipser hingegen meint, dass das Problem sich von alleine lösen werde. "Die Kunden sind nicht dumm. Mittelfristig werden nur die Unternehmen Erfolg haben, die verantwortlich und positiv mit den Daten umgehen", sagt er. Sicher scheint derzeit nur eins: Die Kontroverse um die digitale Kundenpflege und den "digitalen Bergbau" wird auf absehbare Zeit eines der wichtigen Themen im Datenschutz bleiben. (Carsten Hoefer, dpa) / (jk)