Cebit

Die Sache mit den Visionen

Visionen, Visionen, Visionen - seit mehr als zwei Jahrzehnten dient die CeBIT als Plattform für gewagte Prognosen und Blicke weit in die Zukunft. Doch so manches Mal hat man den Eindruck, gerade ein Déjà-vu zu erleben.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wenn am heutigen Montagabend laut angekündigter Programmvorschau der Messe AG die Festredner zum Schluss noch einmal gemeinsam die Bühne betreten, wenn Steve Ballmer und Angela Merkel unterstützt von Microsoft Surface die Messe eröffnen, dann gibt das Stoff für den Party-Smalltalk der IT-Gemeinde. Vision oder Abklatsch, das ist die Frage.

Was Microsoft mit Surface umsetzt, hat natürlich Apple mit seinem Knowledge Navigator viel früher in Szene gesetzt, so ein beliebter Vorwurf, der beispielsweise in diesem Youtube-Video ausgesprochen wird. Dabei wird gerne übersehen, dass der tolle Knowledge Navigator niemals mehr als ein hübsches Filmchen war, das der damalige Apple-Chef John Sculley drehen lies. Die Filmvorlage lieferte Sculleys "Odyssee"-Text aus dem Jahre 1987, in dem dieser, inspiriert vom Kubrick-Film 2001, Odyssee im Weltraum eine Vision der Mensch-Maschine-Kommunikation entwickelte. Apple konnte diese Vision niemals realisieren: Das ambitionierte Projekt gebar am Ende ein kleines Maschinchen, den Apple MessagePad, allgemein als Apple Newton bekannt. Vor ziemlich genau 10 Jahren stellte Apple die Produktion des Newton ein, obwohl die geschrumpfte Vision begeisterte Anhänger hatte (und heute noch hat).

Die nächste größere Vision leistete sich AT&T. Die Forschungslabors, in denen unter anderem Unix erfunden wurde, produzierten 1993 eine Vision der AT&T-Zukunft, die die Werbeabteilung unter dem Slogan "You Will" aufpeppte. Wer den Werbestreifen sieht, wird entdecken können, dass fast alles da ist, was sich die Wissenschaftler damals so vorstellten: Das Video ist nicht mehr sonderlich visionär - und AT&T auch nicht mehr die TK-Übermutter, die sie einmal war.

Was also kann uns die nächste Vision zeigen? Produziert hat sie Nokia mit seiner Morph-Animation, eine Firma, mit der sich deutsche Politiker derzeit ungern im Blitzlicht der Fotografen präsentieren. Doch aus Nullen und Einsen müssen ja nicht unbedingt große Dinge werden. Nano-Milliarden tun es auch. So bleibt die vage, doch reizvolle Vermutung, dass in spätestens 15 Jahren Bundeskanzlerin Ayse Sergül die auf die Halle 1 geschrumpfte CeBIT mit einem schicken Armband eröffnet. (Detlef Borchers) / (pmz)