"Die Siedler – Neue Allianzen": Ausgewuselt

Das Aufbaustrategiespiel "Die Siedler: Neue Allianzen" will einen alten Klassiker neu beleben, kämpft aber mit spielerischen und technischen Problemen.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 63 Kommentare lesen

(Bild: Ubisoft)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Müller

Verschiebungen, kreative Differenzen mit dem Erfinder und enttäuschte Fans – Die Geschichte von "Die Siedler: Neue Allianzen" ist eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Schließlich warf Ubisoft das Spiel ohne viel Marketing und ohne Vorab-Keys für die Presse auf den Markt – und ja, das bedeutet genau das, was man sich dabei denkt. Das Spiel kämpft aktuell mit derart großen technischen Problemen, dass ein vernünftiger Test schwierig ist.

Wir haben unser Lager hochgezogen, lange darauf gewartet, dass unsere Ingenieure das Gebiet erkundet haben und endlich eine schlagkräftige Truppe losgeschickt. Und dann das: Absturz, nix geht mehr und der letzte Speicherstand liegt viel zu lange zurück. Es war auch nicht das erste Mal – alle 20 bis 30 Minuten stürzte das Spiel auf dem PC ab. Ärgerlich auch, dass die Siedler Wegfindungsprobleme haben und manchmal nicht auf automatisierte Befehlsketten achten. Dass die PvP-Partien online nicht rund laufen, war ja fast schon zu erwarten.

Die Entwicklung des Spiels war von Beginn an problembehaftet. Erstmals angekündigt auf der Gamescom 2018 kam es zu Verschiebungen. 2022 dann endlich ein Lebenszeichen: eine geschlossene Beta-Version sollte Lust auf das fertige Spiel machen. Ein guter Plan, der aber für die meisten Fans in einem Desaster endete. Das entschlackte "Siedler" mit dem simplen RTS-Teil kam weder bei Presse noch bei der großen Fanbase an. Die Folge: eine erneute Verschiebung.

"Die Sielder: Neue Allianzen" (5 Bilder)

Weder Fisch noch Fleisch: Das entschlackte "Die Siedler: Neue Allianzen" wagt einen radikalen Neuanfang, der nicht nur Fans enttäuscht. (Bild: heise online)

Neben diesen Problemen sorgten ärgerliche Hintergrundgeräusche für eine schlechte Stimmung. Volker Wertich, Erfinder der Reihe, wurde anfangs als externer Creative Director verpflichtet, aber inzwischen geht man nach "kreativen Differenzen" getrennte Wege. Vielleicht war dem Ur-Siedler der Richtungswechsel hin zum RTS dann doch etwas zu radikal. Mit "Pioneers of Pagonia" will er zumindest zurück zu seinen Wurzeln. Den "Siedler"-Konkurrenten kündigte sein Team in der Vorwoche der "Siedler"-Veröffentlichung an, ein Statement.

Was wir nach einigen Anspielstunden von "Neue Allianzen" neben zahlreichen Abstürzen gesehen haben: ein entschlacktes "Siedler" mit leicht überschaubaren Lieferketten und einem simplen Echtzeitstrategie-Teil. Unsere Siedler landen auf einer Insel, bauen Holzfällerhütten, Steinbrüche und später Schreine und Akademien, die für Rohstoffnachschub oder Einheiten wie Druidinnen sorgen. Ist alles ordentlich mit Straßen verbunden, läuft auch der Waren- und Transportkreislauf. Wie früher sind die Animationen der Bewohner gelungen und sorgen zumindest optisch für den vielbejubelten Wuselfaktor. Nach unseren ersten Eindrücken unterscheiden sich die drei Fraktionen aber kaum.

Aber Wuseln hin oder her – das Spieltempo ist langsam. Solange die Siedler zu Fuß unterwegs sind und noch keine gepflasterten Straßen und Wagen entwickelt haben, dauert es besonders bei der Truppenrekrutierung sehr lange, von A nach B zu gelangen. Dass die Feinde oft einfach herumstanden und nicht angriffen, deutet auch auf die mangelnde Intelligenz der computergesteuerten Gegner hin.

Dabei sind gute Ansätze da. Ein Hauch "Civilization" weht durch das Spiel, wenn die Ingenieure erst das Land erkunden müssen, um Gebäude bauen zu lassen. Auch nicht alles an dem entschlackten Spielprinzip ist schlecht: Die Steuerung ist intuitiv und die Warenkeisläufe sind gerade für Anfänger und Anfängerinnen leicht überschaubar. Die Kämpfe scheinen aber meist auf ein wildes, unkontrolliertes Gemetzel hinauszulaufen, bei dem die Masse entscheidet.

"Die Siedler: Neue Allianzen" ist nach unserem Ersteindruck spielerisch nicht so katastrophal, wie es einige Fans erwartet haben, aber es ist deswegen noch lange kein gutes Spiel. Das komplette Spielprinzip ist so sehr eingestampft, dass weder Aufbau- noch Kampfpart Spieler vor große Herausforderungen stellen. Weder Wusel- noch Strategiefans dürfte das unausgegorene Spiel begeistern. Die visuelle Umsetzung ist hübsch, aber kann mit dem wesentlich älteren "Anno 1800" nicht mithalten. Am ärgerlichsten sind die Bugs, die bei uns für zahlreichen Abstürze, Wegfindungsprobleme und nicht funktionierende Befehlsketten gesorgt haben. Wir sind uns sicher, dass Ubisoft Düsseldorf hier nachbessern wird, aber solche enormen Probleme sind bei einem Vollpreisspiel nicht entschuldbar.

Kurz, nirgends sind die zahlreichen Millionen und die lange Entwicklungszeit zu spüren, die auch den hohen Preis von 60 Euro rechtfertigen würden. Was bleibt ist der Wuselfaktor, der nur ganz hartnäckige Fans verzücken wird. Das ist aber anno 2023 zu wenig, um mit der Konkurrenz mitzuhalten.

"Die Siedler: Neue Allianzen" ist für Windows erschienen. Konsolenversionen sollen folgen. Es kostet ca. 60 €. USK ab 6.

Siehe auch:

(dahe)