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Die Tops und Flops des Mobile World Congress

MWC Benjamin Benz

Vom Anti-Abhörphone bis zum Spionage-Dienst, vom Achtkernprozessor bis zur Stilberatung fĂŒr Nerds oder schweigenden Mobilfunkbetreibern, der Heise-Crew ist auf dem MWC wenig entgangen, aber viel aufgefallen. Ein ungeschminktes Fazit.

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Nach fĂŒnf Messetagen, rund 90 Online-Meldungen und viel zu wenig Schlaf ist die MWC-Crew von c't, heise online und Techstage wieder im Verlag eingetrudelt. Bevor wir sie aber ins Wochenende entlassen, wollten wir von den Kollegen noch wissen, was ihnen ganz persönlich gut oder auch gar nicht gefallen hat.

Smartphone-Tester Achim Barczok hat bei Microsoft, Samsung, Sony und Co. wenig Spannendes gefunden. Interessanter findet er die Neuheiten der kleinen Hersteller – auch wenn vieles davon leider nie den Markt erblicken wird.

Die E-Ink-RĂŒckseite des neuen Yotaphone sieht deutlich eleganter als beim VorgĂ€nger aus.

Die E-Ink-RĂŒckseite des neuen Yotaphone sieht deutlich eleganter als beim VorgĂ€nger aus.

Top: Das Yotaphone 2 [4] löst das Versprechen seines VorgĂ€ngers ein: Auf der modern gestalteten, dunkelgrauen RĂŒckseite stellt das E-Ink-Display Twitter-Streams und Fotos so gut dar, dass man sie fĂŒr aufgedruckt halten könnte – Wechselcover ade. Dazu kommt ein tolles AMOLED-Display auf der Vorderseite.

Flop: Windows Phone. Kein einziges neues Windows Phone auf dem MWC, selbst die zukĂŒnftige Microsoft-Tochter Nokia zeigte lieber Android-Smartphones. Microsoft kĂŒndigte zwar wolkig ein paar neue Partnerschaften mit Herstellern an, etwas Handfestes hatte das Unternehmen aber nicht im GepĂ€ck. Der Pressevertreter eines Smartphone-Herstellers sagte uns hinter vorgehaltener Hand sogar, er wĂ€re ĂŒberrascht gewesen, auf den Folien von Microsoft aufzutauchen. Auch vom kommenden Software-Update sind keine Überraschungen zu erwarten: Windows Phone 8.1 holt nicht zu den anderen Betriebssystemen auf.

FĂŒr Lutz Labs aus dem Mobilressort der c't hat der MWC vor allem gezeigt, dass man nicht mehr zu Smartphones aus der Spitzengruppe greifen muss, wenn man lediglich einen zuverlĂ€ssigen Begleiter fĂŒr den Alltag sucht.

Top: GerĂ€te ab 200 Euro reichen fĂŒr die meisten Anwendungen völlig aus. Sie haben ausreichend Speicher, hĂ€ufig schon einen Quad-Core-Prozessor und HD-Displays. Mehr kann gerne, muss aber nicht.

Flop: BeschĂ€mend ist es fĂŒr die allermeisten Hersteller hingegen, dass sie nicht auf die NSA-AffĂ€re reagieren. Lediglich Blackphone bringt ein Smartphone, das eine abhörsichere Kommunikation erlaubt – der Rest protzt weiter mit Megahertz und Gigabyte oder rennt dem Fitness-Trend hinterher.

Hannes Czerulla, ebenfalls im Mobilressort von c't zu hause, wollte auf dem MWC endlich die Kontrolle ĂŒber die Datenschleuder Smartphone zurĂŒckbekommen, musste aber eine bittere Pille schlucken.

Beim Blackphone soll die verschlĂŒsselter Kommunikation sicher vor den Augen und Ohren Dritter sein. Das dafĂŒr entwickelte PrivatOS ist ein Android-Derivat.

Beim Blackphone soll die verschlĂŒsselter Kommunikation sicher vor den Augen und Ohren Dritter sein. Das dafĂŒr entwickelte PrivatOS ist ein Android-Derivat.

Top: Mit dem Blackphone [5] tut endlich eine Firma – zusammen meinem PGP-Entwickler – etwas gegen die totale Überwachung von NSA und Co.: Der Nutzer soll wieder bestimmen können, welche Daten wohin gehen und welche Apps sie auslesen können.

Flop: Vom Blackphone gab es allerdings nur ein Beta-GerĂ€t zu sehen, das Ă€ußerlich noch nicht dem Serienprodukt entspricht. Schlimmer noch: Abhörsicherers Telefonieren geht nur ĂŒber einen kostenpflichtigen Service der Firma Silent Circle – dem Unternehmen des Mitentwicklers und PGP-Erfinders Paul Zimmermann. Beim Blackphone sind zwei Jahre inklusive, danach werden 120 US-Dollar pro Jahr fĂ€llig. Der ebenfalls zum Sicherheitkonzept gehörende Backup-Dienst SpiderOak kostet sogar das Vierfache und damit mehr als die meisten Privatkunden fĂŒr ein neues GerĂ€t ausgeben.

Benjamin Benz aus dem Hardware-Ressort von c't hat bei den Chipherstellern geschaut, was in der nĂ€chsten Smartphone-Generation so stecken wird und schmunzelt ĂŒber die Hektik, die nach Apples 64-Bit-Vorstoß dort ausgebrochen ist.

Am A80 OptimusBoard von Allwinner können Linux-Entwickler Erfahrungen mit ARMs Big-Little-Technik sammeln.

Am A80 OptimusBoard von Allwinner können Linux-Entwickler Erfahrungen mit ARMs Big-Little-Technik sammeln.

Top: Egal, ob Achtkerner fĂŒr Smartphones wirklich sinvoll sind, oder ob der Mobilwelt mit einem hastig aus Standard-Kernen von ARM zusammengeschusterten 64-Bit-Chip gedient ist, es kommt endlich wieder Bewegung in die Prozessorwelt. Die interessantesten Chips kommen aber erst im Sommer. Bis dahin dĂŒrfen Linux-Entwickler und Bastler [6] schon mal an der neue Big-Little-Betriebsart HMP [7] ĂŒben.

Flop: Drahtloses Laden. Von der feierlich gelobten InteroperabilitĂ€t der diversen Ladetechniken war kaum etwas zu sehen. Schlimmer noch: Keine einzige der uns vorgefĂŒhrten Demos funktionierte zuverlĂ€ssig. Mal ging es noch nicht einmal mit allen ausgestellten GerĂ€ten, mal war die Ladeschale abgestĂŒrzt und brauchte einen Reset, oder das Laden klappte nur bei sehr genauer Platzierung des Smartphones.

Unser Softwerker Andre Kramer hat die Hallen nicht nur nach Apps, sondern auch nach trendigen Gimmicks durchkĂ€mmt und ist dabei auf Styling-SĂŒnden und -Trends bei und fĂŒr Hippster-Nerds gestoßen.

Flop: Nach einem langen Messetag ist der eigene Akku leer, der einer Google Glass noch viel frĂŒher. Trotzdem rannten etliche Leute den ganzen Tag mit einem toten GerĂ€t herum, dabei ist das Ding allenfalls in der Welt der Zahnhygiene oder des Hochglanz-Office-Stockfotos Ă€sthetisch.

WeOn Glasses baut Bluetooth-Module, LEDs und Buzzer in Designerbrillen ein.

WeOn Glasses baut Bluetooth-Module, LEDs und Buzzer in Designerbrillen ein.

Top: WeON GLasses [8] enthalten einen Buzzer und eine LED, die in verschiedenen Farben ĂŒber eingehende SMS, E-Mail, Facebook-Nachrichten und anderes informieren. Die Elektronik ist in eine normale Brille eingebaut -- stylisch, funktional und mit Understatement statt plumpes Auftrumpfen mit leerem Akku.

Jo Bager hat sich im App-Universum umgesehen und nach interessanten GeschÀftsideen gefahndet. Er findet es bedenklich, dass die Branche offenbar noch nicht genug Lehren aus dem NSA-Skandal gezogen hat.

Flop: Nach dem NSA-Skandal hĂ€tte man eigentlich davon ausgehen mĂŒssen, dass das Thema Datenschutz und -Sicherheit einen hohen Stellenwert auf der Messe erhĂ€lt. Stattdessen gab es ĂŒberall ArmbĂ€nder, Smart-Watches und andere Gadgets, um noch mehr Daten ins Netz zu blasen. Den Vogel abgeschossen hat ein AusrĂŒster fĂŒr Mobilfunkunternehmen, der die Carrier befĂ€higt [9], in den Daten ihrer Kunden NSA-artiges Data Mining zu betreiben.

Die iPad-App Samplr manipuliert Wellenformen nach einem visuellen Konzept mit Wischgesten.

Die iPad-App Samplr manipuliert Wellenformen nach einem visuellen Konzept mit Wischgesten.

Top: Als wĂ€re die Messe nicht selbst schon spannend genug, wird sie auch noch von einer Reihe interessanter Satellitenveranstaltungen begleitet. Dazu zĂ€hlen die Mobile Premier Awards [10] fĂŒr neue App-Ideen. Neu hinzugekommen ist die Startup-Veranstaltung Four Years From Now [11], die einen Wettbewerb, eine kleine Ausstellung und eine hochkarĂ€tig besetze Konferenz vereint.

Volker Briegleb aus der Nachrichtenzeintral von heise online hat beim MWC-Kongress gelauscht. Zu den StargĂ€sten zĂ€hlten in diesem Jahr zwei junge GrĂŒnder [12], die hier vor ein paar Jahren noch vom Hof gejagt worden wĂ€ren.

Unbezahlbar: Die eisige Stille in einem Konferenzsaal voller Mobilfunker, als Jan Koum einen Sprachdienst fĂŒr WhatsApp ankĂŒndigt.

Leider ein Flop: Windows Phone. Keine neuen Smartphones weit und breit, nur ein bisschen was zu gesenkten Hardware-Anforderungen bei 8.1 und ein paar neuen Hersteller--Partnern. Immerhin darf man so die Hoffnung haben, auf dem MWC 2015 wieder ein paar Windows Phones zu sehen. Vielleicht spart sich Microsoft seine Munition aber auch fĂŒr die Entwicklerkonferenz Build im April.

WĂ€hrend der Smartphone-Markt in den letzten beiden Jahren hauptsĂ€chlich vom etwas langweiligem "Schneller, GrĂ¶ĂŸer, Mehr" dominiert wurde, scheinen sich die Hersteller langsam wieder zu trauen, diesen Pfad zu verlassen, finden die Kollegen von TechStage.

Mit einem Fingerabdrucksensor und einem Deal mit Paypal soll das Galaxy S5 mobiles Bezahlen salonfÀhig machen.

Mit einem Fingerabdrucksensor und einem Deal mit Paypal soll das Galaxy S5 mobiles Bezahlen salonfÀhig machen.

Top: Neue Technologien erhalten Einzug – etwa ein Bildsensor mit Autofokus und ein Fingerabdruck fĂŒrs Bezahlsystem beim Galaxy S5. Es gibt Experimente mit neuen Formfaktoren (Huawei-Smartwatch mit herausnehmbaren Bluetooth-Headset) und es passiert viel bei der Software (Energiesparmodi).

Flop: Nokia-Smartphones mit Android sind leider nicht als farbenfrohe Alternative zu den bekannten Modellen von Samsung, HTC & Co., sondern als Billig-Smartphones fĂŒr SchwellenlĂ€nder gedacht.

Die Tops und Flops des Mobile World Congress

Eine Zusammenfassung des Mobile World Congress finden Sie außer in den Abschlussberichten auf heise online (Messe-Highlights 2014: Phones, Phablets und acht Kerne [13], Alles wird vernetzt: Der Mobile World Congress 2014 schließt [14]) in einem ausfĂŒhrlichen Bericht in der kommenden Ausgabe von c't. Bis dahin bereiten sich Hannover und heise online erst einmal auf die CeBIT vor, und die MWC-Crew versucht, etwas Schlaf nachzuholen.

Allerdings dĂŒrfen wir uns leider noch nicht mit der smarten ZahnbĂŒrste von Oral B bettfertig machen. Schade, denn auf deren Zahnputztipps per Bluetooth sind wir alle schon gespannt.

MWC 2014 - Smartphones und Tablets (0 Bilder) [15]

[16]

(bbe [17])


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[3] https://www.heise.de/news/Messe-Highlights-2014-Phones-Phablets-und-acht-Kerne-2126495.html
[4] https://www.heise.de/news/Vorne-AMOLED-hinten-E-Ink-Ein-erster-Blick-auf-das-Yotaphone-2-2124316.html
[5] https://www.heise.de/news/Das-Blackphone-in-Aktion-die-eigenen-Daten-wieder-unter-Kontrolle-2122756.html
[6] https://www.heise.de/news/Achtkern-Prozessor-und-Entwicklungskit-fuer-Linux-2124217.html
[7] https://www.heise.de/news/Sechs-und-Achtkerner-von-Samsung-2124293.html
[8] https://www.heise.de/news/Blick-in-die-Zukunft-Startups-auf-Investorensuche-2122653.html
[9] https://www.heise.de/news/Data-Mining-in-den-Verbindungsdaten-der-Mobilfunkkunden-2124221.html
[10] https://www.heise.de/news/Preisgekroente-Apps-auf-den-Mobile-Premier-Awards-2122988.html
[11] https://www.heise.de/news/Startup-Preis-fuer-Spar-SIM-Karte-2124257.html
[12] https://www.heise.de/news/Facebook-und-WhatsApp-auf-Partnersuche-2124269.html
[13] https://www.heise.de/news/Messe-Highlights-2014-Phones-Phablets-und-acht-Kerne-2126495.html
[14] https://www.heise.de/news/Alles-wird-vernetzt-Der-Mobile-World-Congress-2014-schliesst-2126736.html
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