Die haarige Sprache und die Massentäuschung: Noam Chomsky zum 80. Geburtstag

Neben Beiträgen zur theoretischen Informatik, etwa der Klassifizierung von Grammatiken formaler Programmiersprachen, und linguistischen Arbeiten zur Universalgrammatik hat sich Chomsky politisch als Kritiker der US-amerikanischen Politik profiliert.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 80 Jahren wurde der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky in Philadelphia geboren. Jeder Informatiker kennt die Chomsky-Hierarchien, mit denen die Grammatiken von formalen Programmiersprachen klassifiziert werden. Neben seinen Beiträgen zur theoretischen Informatik und seinen linguistischen Arbeiten zur Universalgrammatik hat sich Chomsky politisch als wichtiger Kritiker der US-amerikanischen Politik profiliert. Seine Essays über die "Weapons of Mass Deception" lassen zudem kein gutes Haar an den Massenmedien.

Als Wissenschaftler wurde Noam Chomsky gleich mit seiner ersten wissenschaftlichen Arbeit über "Syntaktische Strukturen" im Jahre 1957 weltbekannt. In ihr stellte Chomsky die These vor, dass alle Menschen mit einer Art universaler Sprach- und Grammatikfähigkeit geboren werden. Nach einem bekannten Chomsky-Witz wächst die Fähigkeit zum Sprechen automatisch wie die ersten Haare auf dem Kopf. Ein Kind lernt Worte, initialisiert mit diesen Werten als Input sein vorhandenes Sprach-Betriebssystem und kann dann sprechen. Diese Theorie stand damals in scharfem Kontrast zu allen Lernmodellen der beobachtenden Wissenschaften.

Seine Sprachgrammatiken, Prinzipien und Parameter arbeitete Chomsky am Massachusetts Institute of Technology aus, wo er viele Freiheiten besaß, auch für seine politischen Ansichten, die aus der Opposition gegen den Vietnam-Krieg entwuchsen. Mit der 1969 veröffentlichten Aufsatzsammlung "Amerika und die neuen Mandarine" wurde er einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als er die Verantwortlichkeit der Intellektuellen zum Thema machte. Nach einer Durststrecke in den 80er Jahren zählt Chomsky heute zu den beliebtesten Denkern der Anti-Globalisierungsbewegung, der unermüdlich die verheerende Rolle der Massenmedien anprangert.

Entsprechend seiner Bedeutung als linke Galionsfigur wird der Geburtstag von Chomsky ausführlich im Feuilleton gefeiert. Während die tageszeitung den Chefankläger der USA als politisches Fossil charakterisiert, zerlegt ihn die Süddeutsche Zeitung in zwei Personen und feiert den Sprachwissenschaftler ebenso wie den politischen Aktivisten als Stimme der Jugend mit zwei Artikeln. Als meistzitierter Außenseiter der Welt wird er von der Deutschen Presseagentur charakterisiert, während der österreichische Standard den Kritiker in Aktion zeigt und Chomskys Bemerkungen zu Barak Obama veröffentlicht.

Es gibt viele Wege, Chomsky abseits der theoretischen Informatik kennenzulernen. Man kann sich seinem Denken über Comics nähern oder das Streitgespräch zwischen Chomsky und Foucault anschauen oder nachlesen. Die offizielle Website ist mittlerweile Chomsky.Info, im Deutschen gibt es es unter anderem das Chomsky-Forum. Als meistzitierter lebender Autor ist Chomsky Rekordhalter der Wikiquote, als Blogger ist er im Z-Space zu finden, das häufig von Chomsky-Gegnern attackiert wird und nur schwer erreichbar ist. (Detlef Borchers) / (map)