Digital Rights Management: Technik, Macht und Vertrauen

Eine DRM-Konferenz in Berlin sucht nach Möglichkeiten, mit Hilfe der Kontrolltechnologie einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und der Rechteinhaber zu erreichen.

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Auf einer Konferenz zum Thema Digital Rights Management (DRM) wollen Forscher, Entwickler, Interessenvertreter und Politiker am heutigen Donnerstag und am morgigen Freitag in Berlin nach Möglichkeiten suchen, mit Hilfe der Kontrolltechnologie einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und der Rechteinhaber zu erreichen. Auf der einen Seite macht die Medienindustrie unmissverständlich klar, dass ihre Produkte im digitalen Zeitalter nicht vogelfrei werden dürfen. Andererseits kann die Wirtschaft Kopierschutzmaßnahmen nicht gegen den Willen der Verbraucher durchsetzen. Gleichzeitig dringen auch Wissenschaftler auf einen möglichst freien Zugang zu den digitalen Wissensarchiven.

DRM kann nach Ansicht von Hartmut Krebs, Staatssekretär im Forschungsministerium Nordrhein-Westfalen, prinzipiell durchaus helfen, die Probleme der Inhalteverbreitung im vernetzten Zeitalter zu lösen. Die Diskussion gehe jetzt nicht mehr so sehr um die "technische Machbarkeit" oder "Albträume über den Missbrauch" der Technologie. Vielmehr sei es jetzt erforderlich, dass DRM auf breiter Basis in die Märkte eingeführt werden. Um die Erfolgsgeschichte voranzubringen, müsse die Technologie drei Bedingungen erfüllen: Sie müsse "vertrauenswürdig" sein, es müsse sich dabei tatsächlich um DRM, also um eine Technik zum Urheberrechtsschutz und nicht etwa um eine Methode zur Marktabschottung handeln, und sie dürfe nicht zu stark in die bisherigen Nutzungsrechte und -gewohnheiten eingreifen.

Von der Konferenz erhofft sich Krebs daher auch positive Auswirkungen auf die Debatte um die zweite Reformstufe des Urheberrechts. Hier übte der Landespolitiker heftige Kritik an dem bisherigen Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium: Der Gesetzgebungsvorschlag erweckt für ihn in weiten Bereichen den Eindruck, dass damit "allein der Medienindustrie" gedient werden solle. Der Schwerpunkt liege zu sehr auf rein vertraglichen Regelungen mit individuellen, über DRM abgesicherten Verträgen, während Pauschalvergütungen etwa für die Aufrechterhaltung der bestehenden Kopiermöglichkeiten im wissenschaftlichen Bereich zu kurz kämen. Krebs machte sich dafür stark, dass "öffentliche Bibliotheken besondere Freiheit der Nutzung haben sollen". Mit dem Referentenentwurf würde sich der "digitale Kopienversand auf Bestellung" jedoch "außerordentlich problematisch" gestalten. "Wir haben Subito öffentlich gefördert", empörte sich Krebs unter Hinweis auf den wichtigsten Bibliothekendienst für die Wissenschaft. "Nun kommt durch diese Regelung das Aus."

Auch Eberhard Becker, Rektor der Universität Dortmund und gemeinsam mit dem Forschungsministerium NRW einer der Hauptorganisatoren der Veranstaltung, fürchtet durch Gesetz und Technik "tiefe Eingriffe in die Freiheit der Wissenschaft". Jetzt gebe es eine "prinzipielle Zugänglichkeit" zu den Wissensbeständen der vergangenen Jahrhunderte, gleichzeitig "aber werden Schranken aufgebaut." Gemeinsam mit Krebs beklagte er, dass die im ersten Schritt der Urheberrechtsnovelle getroffenen Regelungen zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Unterrichtszwecke im Artikel 52a auf drei Jahre beschränkt worden seien und gegenwärtig nicht über eine Verlängerung diskutiert werde.

Die Medienindustrie selbst hat nach Angaben von Johannes Mohn, bei Bertelsmann für Medientechnologien zuständig, dazugelernt. "Wir dürfen diese neue Welt nicht in irgendeiner Weise verhindern", erklärte er am Rande der Konferenz. Die Herangehensweise der Musikindustrie, die Mohn mit den Worten: "Dies ist mein Businessmodell, das müsst ihr Konsumenten schlucken" umschrieb, habe nicht funktioniert. "Wir müssen Kompromisse machen", sagt der Medienmanager. Mohn meinte zudem, dass das Reizthema DRM und die damit geregelten Schutzrechte auch für die Medienindustrie nach wie vor sehr komplex ist: "Schon Juristen haben Probleme zu verstehen, wie das eigentlich geht. Ich selber kann ihnen nicht erklären, wer was darf."

In der alt-neuen Unübersichtlichkeit sieht Pamela Samuelson, Rechtsprofessorin an der University of California in Berkely, einen der Hauptgründe dafür, dass sich DRM langsamer als von der Wirtschaft erwartet durchsetze. Da die Technologie auch teilweise "sehr restriktiv" angelegt gewesen sei, hätten auch die Verbraucher mit Widerstand auf die Kopierschutztechniken reagiert. Vernachlässigt worden sei, dass DRM auch für die Verbraucher eine Art Schutztechnologie werden müsse. Zum Beispiel dürften die Nutzergewohnheiten nicht gespeichert werden, da die Verbraucher sonst ihre Privatsphäre in Gefahr sähen.

Wolfgang Coy, Informatikprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin, setzte mit seiner Kritik grundsätzlicher an. Er sei bereits mit dem Begriff DRM unzufrieden, erklärte er: "Es geht eigentlich um Technik und Macht an dieser Stelle", genauso wie "um Eigentum und Teilhabe". Er erinnerte an den Grundsatz im Grundgesetz, wonach "Eigentum verpflichtet". Dies werde in der Debatte häufig vergessen. Die Kontrolltechnologie sei nur durchsetzungsfähig, wenn die Nutzer damit "wie mit den klassischen Regelungen" und im Urheberrecht gewährten Kopiermöglichkeiten leben können. (Stefan Krempl) / (jk)