Digitale Mentalität: Werbeblocker, Inhalte und Anonymität stark gefragt

50 Prozent aller Internetnutzer blenden Banner beim Surfen aus, elf Prozent haben hauptsächlich illegal kopierte Inhalte auf ihrem Rechner. Das geht aus einer jetzt vorgestellten Studie hervor. Bei "Web-Aktiven" liegen diese Werte noch höher.

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50 Prozent aller Internetnutzer blenden Banner beim Surfen aus, elf Prozent haben zumindest im Musikbereich hauptsächlich illegal kopierte Inhalte auf ihrem Rechner. Dies geht aus einer am Freitag in Berlin vorgestellten Studie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) zur "Digitalen Mentalität" hervor. Bei "Power-Nutzern", die mit 173 Minuten pro Tag fast doppelt so lang vor dem privaten Computer sitzen als der Durchschnitt der Onliner und die übermäßig stark bloggen und twittern, liegen die Werte noch deutlich höher: Knapp 80 Prozent dieser Gruppe setzen Werbeblocker ein; der Anteil der rechtswidrig erlangten Songs auf ihren Festplatten liegt bei 47 Prozent.

Für die Untersuchung hat das privat finanzierte An-Institut der Universität Witten-Herdecke zuletzt im Frühjahr 2012 eine repräsentative Online-Umfrage unter allen deutschen Internetnutzern zwischen 14 und 69 Jahren durchführen lassen. Ein Teilergebnis davon, wonach 44 Prozent der Befragten ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet ablehnten, hatte das IFSE bereits voriges Jahr publik gemacht. Die Auswertung des restlichen Materials habe noch längere Zeit in Anspruch genommen, erläuterte Institutsleiter Hergen Wöbken am Freitag. Zudem habe man die Gesamtresultate nicht im Wahlkampf veröffentlichen wollen.

Generell sei das Interesse an professionell gemachten Medieninhalten bei den Netznutzern groß, führte Wöbken aus. Die kostenlose Verfügbarkeit unlizenzierter Musik-, Film- oder Buchkopien werde nach wie vor als Hauptgrund für die Inanspruchnahme von "Raubkopien" genannt, deren Phänomen das IFSE bereits 2004 im Auftrag von Microsoft genauer untersuchte. Unter den besonders "Web-Aktiven", deren Anteil an den Onlinern bei rund zehn Prozent liege, sei auch noch ein Fünftel der Auffassung, dass alle Online-Inhalte gratis sein sollten.

Legale Alternativen zum Filesharing hätten aber Boden gut gemacht, meinte Wöbken: "Die Gruppe der Hobby-Sammler, die alles auf der Festplatte hortet, wird kleiner." 37 Prozent der "Meinungsführer" hätten angegeben, dass ihre persönliche illegale Mediennutzung in den vergangenen drei Jahren gesunken sei. Insgesamt sei der Höhepunkt der Urheberrechtsdebatte wohl überschritten. Viele Inhalteproduzenten glaubten auch gar nicht, dass sie mit ihrem Kampf für die Copyright-Ausweitung Erfolg hätten. Sie setzen vielmehr darauf, möglichst lange weiterzumachen wie bisher und Zeit zu gewinnen für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle, die viele Probleme mit dem Urheberrecht lösen könnten.

78 Prozent aller Surfer stimmten der Aussage zu, dass nicht ein finanzieller Anreiz allein, sondern auch der "verlorene Kontakt" zwischen Labels und Kunden ein Grund sei für die Verbreitung rechtswidriger Kopien. Vielen gehe es auch um das "Kennenlernen" von Inhalten, was mittlerweile größtenteils Streaming-Dienste legal ermöglichten. Was Sanktionen für private Urheberrechtsverletzungen angehe, tue sich eine Einschätzungskluft zwischen Web-Aktiven und dem Großteil der Onliner auf. So seien unter ersteren nur 20 Prozent für Strafen, bei letzterem 56.

Als Finanzierungsmodelle erfreuten sich theoretisch die Kulturflatrate, Abo- und Freemium-Modelle sowie, ­ dem Einsatz von Ad-Blockern zum Trotz, ­ Werbung bei Power Usern großer Beliebtheit. Die prinzipielle Bereitschaft, eine Monatspauschale im Gegenzug zur legalen Nutzung von Tauschbörsen zu zahlen, sei im Vergleich zu 2009 sogar von knapp 50 auf über 70 Prozent gestiegen.

Im Bereich Datenschutz und Sicherheit sprachen sich 73 Prozent der Web-Aktiven für grundsätzliche Möglichkeiten zur anonymen Internetnutzung aus. Einen Klarnamenzwang befürworteten nur drei Prozent. Mehr als die Hälfte dieser Fraktion erachtet eine absolute Transparenz bei wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen für wichtig. Über 60 Prozent beider Vergleichsgruppen spricht sich für möglichst strenge Datenschutzvoreinstellungen gemäß dem "Privacy by Default"-Ansatz aus.

Genau gespalten ist die Allgemeinheit der Onliner in der Frage, ob die Vorratsdatenspeicherung "als Instrument zur Verbrechensbekämpfung" wieder eingeführt werden solle. Die digitalen Vorreiter sind zu 75 Prozent gegen eine ständige Aufzeichnung der elektronischen Spuren. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Einschätzung heimlicher Online-Durchsuchungen. Insgesamt wünschen sich 82 Prozent der Nutzer "mehr gesetzlichen Schutz im Internet". Bei den im Durchschnitt jüngeren Web-Aktiven fordert dies nur eine Minderheit. Diese haben auch weniger Angst, selbst Opfer von Cybercrime oder Datenmissbrauch zu werden.

Überwiegend für staatliches Handeln sprechen sich die Power-Nutzer zum Absichern der Netzneutralität aus, die 83 Prozent von ihnen für wichtig halten. Nur 17 Prozent plädieren für eine unterschiedliche Behandlung von Datenpaketen.

Zum Zeitpunkt der Umfrage erfreuten sich in dieser Gruppe die Piraten noch größter Beliebtheit: 81 Prozent der Webaktiven hielten die bei der Bundestagswahl gescheiterte Partei für den Ausdruck einer neuen und aussichtsreichen Form transparenter Demokratiegestaltung mit Instrumenten wie Liquid Democracy. Sonst wird nur den Grünen von einer Mehrheit aller Nutzer eine eher hohe Internetkompetenz zugeschrieben.

Auch auf gesellschaftliche Werte bezog sich das Panel, dessen Ergebnisse demnächst über die Webseite des Instituts zum Download bereit stehen sollen. Demnach vertreten 78 Prozent der Surfer die Auffassung, dass die Bedeutung von Flexibilität in der Gesellschaft durch das Internet zunimmt. Andere Eigenschaften wie Toleranz, Solidarität und insbesondere Höflichkeit sehen sie dagegen eher auf dem absteigenden Ast. Allgemein liest Wöbken aus der Sondierung heraus, dass sich der Diskurs im Netz zwischen Alt und Jung beziehungsweise wenig und stark digital Versierten aufgeteilt habe. Von einer "Netzgemeinde" mit gleichlautenden Ansichten oder Universalanspruch könne keine Rede sein. Die Meinung einiger "Nerds" sei nicht immer verallgemeinerbar.
(js)