Digitale Schwarzweiß-Fotografie

Mit digitaler Technik kennen Bildbearbeitung und Farbgebung heute zwar keine Grenzen mehr, doch auch hier gibt es den Trend zurück zu den Wurzeln der Fotografie. Wir zeigen, wie man faszinierende Schwarzweiß-Bilder herstellt und auch schon bei der Aufnahme einen Blick für die spätere Digitalentwicklung in Schwarzweiß bekommt.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Reinhard Merz
  • Erich Baier

Farbe oder Schwarzweiß? Was besser wirkt, hängt immer vom Motiv ab.

(Bild: Scott Prokap, shutterstock.com)

Mehr als 150 Jahre lang war Schwarzweiß-Fotografie gleichbedeutend mit Arbeit im eigenen Fotolabor. Dort war der Vergrößerer die Schaltzentrale, mit dem man eine Aufnahme in einem zweiten kreativen Schritt perfektionieren konnte. Nur zur Erinnerung: Man musste sich tatsächlich schon vor der Aufnahme für einen Film entscheiden – Farbe oder Schwarzweiß. Man musste wissen, wie man durch die richtige Auswahl von Filtern und Filmen das Motiv optimal abbildet und letztendlich entstand das fertige Schwarzweiß-Bild im Muff von Essigsäure und Fixierbad. Heute übernimmt der PC diese Aufgabe, und er macht die Schwarzweiß-Fotografie ungleich einfacher. Der digitale Workflow versorgt uns mit exzellentem Rohmaterial, das wir anschließend nach Belieben verändern können.

Doch warum überhaupt Schwarzweiß? Ist es die Tradition, weil viele noch mit Schwarzweiß-Bildern aufgewachsen sind? Vielleicht spielt das eine Rolle. Viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass gute Fotografien immer eine subjektive Interpretation einer Szene sind. Jedes Foto friert eine dreidimensionale, oft bewegte Szene in zwei Dimensionen ein. Der Verzicht auf Farbe führt obendrein zu einer noch stärkeren Abstraktion. Dadurch werden Bilder nicht zwangsläufig besser oder schlechter, sie werden vor allem anders. Vergleichbar etwa mit einem Musikstück, das in der Big-Band-Version ganz anders klingt als am Soloklavier vorgetragen.

Analysiert man die Unterschiede zwischen guten Farb- und Schwarzweiß-Bildern, so erkennt man, dass Schwarzweiß-Fotos vor allem durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten, Muster und Symmetrie leben. Sind diese Kriterien in einer Aufnahme sehr ausgeprägt, wirkt sie in Schwarzweiß oft besser als in Farbe. Umgekehrt gibt es Motive, die vor allem durch das Spiel der Farben wirken. Dazu gehört der Laubwald im Herbst sicher genauso wie ein Sonnenuntergang oder das Blütenmeer einer Gartenschau. Diese Motive verlieren in Schwarzweiß ihre Wirkung.

Farbe oder Schwarzweiß? Was besser wirkt, hängt immer vom Motiv ab.

(Bild: Mellow, fotolia.com)

Fotografieren für Schwarzweiß heißt heute aber nicht mehr schwarzweiß fotografieren. Vermeiden Sie grundsätzlich den Schwarzweiß-Modus, wenn Ihre Digitalkamera einen solchen bietet. Denn Sie fotografieren nicht für den Moment, sondern für die Nachbearbeitung. Nur der Farbmodus hält möglichst viele Informationen in der Aufnahme fest. SW-Bilder leben viel mehr noch als bunte von Details – fotografieren Sie deshalb immer im Raw-Format, wenn die Kamera diese Möglichkeit bietet. Die Daten werden dann mit 12, 14 oder gar 16 Bit Farbtiefe gespeichert, im Unterschied zu 8 Bit beim JPEG-Format. Das Raw-Format ermöglicht später einen höheren Tonwertumfang.

Trotz aller Möglichkeiten der Nachbearbeitung fällt die elementare Entscheidung über die Qualität einer Aufnahme schon mit dem Druck auf den Auslöser – etwa die richtige Blende (Schärfentiefe) und Verschlusszeit (Bewegungsschärfe) oder der Aufnahmewinkel. Im Zweifelsfall sollte man sich für möglichst viele Varianten entscheiden, so bekommt man reichlich Futter für die spätere Bildbearbeitung. Die Aufnahme liefert das Ausgangsmaterial und was man hier vermasselt, lässt sich – wenn überhaupt – nur noch mit übermäßigem Aufwand korrigieren.

Was haben gute Schwarzweiß-Aufnahmen gemeinsam? Vor allem eins: Ihr Ausdrucksmittel ist Kontrast. Die Beherrschung des Kontrastes – im technischen wie im gestalterischen Sinn – ist es, die eine Allerweltsaufnahme von einem Spitzenfoto unterscheidet. Deshalb profitieren vor allem solche Motive von der SW-Umsetzung, die vom Motiv und vom Bildaufbau bereits genügend Kontraste in sich tragen: Lichter gegen Schatten, Flächen gegen Linien, Rundes gegen Eckiges. Diese Grundstrukturen lenken das Auge des Betrachters. Wichtig ist neben der Auswahl auch die Platzierung der einzelnen Elemente zueinander, da sie sich im Unterschied zum Bildausschnitt anschließend nicht mehr korrigieren lässt.

Bei der Bildkomposition ist es wichtiger zu sehen, dass keine störenden Details im Bild sind, als um die letzten Millimeter Bildausschnitt zu kämpfen; den besten Ausschnitt wählt man ohnehin später am Rechner. Auch die Darstellung der einzelnen Tonwerte geschieht dort. Deshalb ist es bei der Aufnahme nur entscheidend, sich den nötigen Spielraum zu bewahren.

Licht gegen Schatten: Weitwinkelperspektive, Panorama-Ausschnitt und die tief stehende Sonne zaubern aus einem Allerweltsmotiv einen Hingucker.

Auch wiederkehrende Muster sind ein sehr dankbares SW-Motiv. Sie können künstlich arrangiert sein, wie etwa Schuhe im Regal oder Rekruten beim Morgenappell. Sie können aber auch natürlicher Art sein, von Wellenmustern am Strand über Vogelschwärme bis zu Autoreifen und Dachziegel. Jedes Motiv konfrontiert den Fotografen zudem mit den Fragen: Will man eine Geschichte erzählen, eine Stimmung lebendig werden lassen oder einfach einen Gegenstand beschreiben? Und welche Stimmung oder welche Eigenschaft ist es, die herausgestellt werden soll? Stellen Sie sich die unterschiedlichen SW-Versionen schon bei der Aufnahme vor – und Sie kommen mit besseren Bildern nach Hause.

Mehr lesen Sie in Ausgabe 03/11 der c't Digitale Fotografie.

Weitere Themen zu dem Schwerpunkt im Heft:

  • Schwarzweiß-Bilder erzeugen
  • Schwarzweiß-Bilder optimieren
  • Menschen in Schwarzweiß
  • Schwarzweiß-Effekte

(rst)