Digitaler Behördenfunk: NRW will zur Fußball-WM starten

Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen will bis 2006 zumindest die Spielorte der Weltmeisterschaft versorgen. Die Aachener Polizei nutzt seit 2001 Digitalfunk im Tetra-Standard.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die heute erfolgte Einigung auf ein bundeseinheitlich und technisch kompatibles Digitalfunksystem für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) war nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministers Dr. Fritz Behrens (SPD) "überfällig". Behrens kündigte an, das BOS-Funknetz in seinem Bundesland "so schnell wie möglich" aufzubauen. Man arbeite "mit Hochdruck" daran, den digitalen Polizeifunk bei der Fußball-WM zumindest an den Austragungsorten einzusetzen. Nordrhein-Westfalen (NRW) besitzt mit Dortmund, Gelsenkirchen und Köln gleich drei Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft, die am 9. Juni 2006 beginnen wird. Auch hat das Land seit Jahren Haushaltsmittel für den Digitalfunk reserviert, um den maroden Analog-Funk ersetzen zu können.

In Aachen (NRW) startete Mitte 2001 ein Pilotversuch, bei dem Polizei und Feuerwehr in einem Versorgungsbereich von 715 Quadratkilometern die Anwendung des Digitalfunks sowohl im städtischen Bereich wie auch im Umland, das Höhenzüge bis zu 600 Metern aufweist, getestet haben. Wie die Digitalfunknetze in den Nachbarländern Belgien und Niederlande basiert der Aachener Pilot auf Tetra-Technologie. Im Dreiländereck testeten Sicherheitsbehörden der drei Länder grenzüberschreitende Sprachkommunikation und dokumentierten die Ergebnisse des Three-Country Pilot. Der Aachener Pilot endete offziell Mitte 2003. Seither will die Polizei in der Region Aachen auf die vorhandene Infrastruktur nicht mehr verzichten und nutzt sie weiter im Alltagsbetrieb. Auf den analogen 4m-Funk greifen die Aachener nur noch zurück, um mit externen BOS zu kommunizieren.

Die Beschränkung auf einen "Pilotversuch" hat vor allem vergaberechtliche Gründe. Anbieter anderer Technologien könnten sonst ein Vergabeverfahren anfechten, da dieses gemäß europäischen Rechts technikneutral sein muss. Die Tageszeitung Die Welt meldet in ihrer heutigen Ausgabe, dass der Bund sich in einer "Vorabfestlegung" für den Tetra-Standard entschieden habe. Einen Beleg für diese Entscheidung liefert die Zeitung freilich nicht. Die Sympathien, die im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW für Tetra offenkundig vorhanden sind, nähren die Spekulationen ebenso wie die Tatsache, dass Tetra-Anbieter Nokia seine Deutschlandzentrale in der Landeshauptstadt Düsseldorf angesiedelt hat und mit Bochum einen Fertigungsstandort mitten im wirtschaftlich gebeutelten Ruhrgebiet besitzt.

Tetra-Hersteller wie Motorola oder R&S Bick nutzen jede Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Tetra der einzige Standard im professionellen Digitalfunk ist, der vom European Telecommunications Standards Institute ETSI zertifiziert wurde. Auch verweisen die Tetra-Anbieter darauf, dass sich ihre Funknetze in mittlerweile über 65 Ländern auch unter schwierigen Bedingungen bewähren.

Außerhalb des Tetra-Lagers setzt der Luft- und Rüstungskonzern EADS auf den von ihm enwickelten Standard Tetrapol -- der nicht mit Tetra kompatibel ist -- und verweist auf Referenzen in Frankreich, der Schweiz oder Tschechien. Sollte sich die öffentliche Hand dazu entscheiden, ein "multi vendor"-Netz aufzubauen, in dem nicht nur Endgeräte, sondern auch Netzinfrastruktur verschiedener Ausrüster kompatibel sein müssen, schwinden die Chancen der EADS auf einen Auftrag, da der Konzern derzeit der einzige Anbieter von Tetrapol-Netztechnik ist. Andererseits reklamiert EADS für seine Technologie Vorteile gegenüber Tetra -- zum Beispiel seien dank größerer Reichweite weniger Basisstationen erforderlich. Die Bundeswehr nutzt Tetrapol bei ihren Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo. Allerdings zählt die Armee nicht zu den BOS. Ergebnisse eines Tetrapol-Tests, den die Bundeswehr unter dem Nanem "Kintop" in der Eifel durchgeführt hatte, sind nicht öffentlich zugänglich, dürften den Digitalfunkexperten der BOS jedoch im Wege der Amtshilfe verfügbar sein. (ssu)