Digitaler Uhrentest: Mit neuronalen Netzen Demenz erkennen

Der Uhrentest wird seit Jahrzehnten herangezogen, um kognitive Störungen festzustellen. Demnächst soll er per App auswertbar sein.

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Verschiedene Ausführungen des Uhrentests. Ab einer Ausführung wie rechts oben gehen Mediziner:innen von einer kognitiven Störung aus.

(Bild: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)

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Erlanger Forschende haben künstliche neuronale Netze mit Uhrentests beschäftigt, um ihnen beizubringen, diese selbstständig auszuwerten. Auf dieser Basis wollen sie eine Open-Source-Software herausbringen, die neurologischen Fachkräften die Diagnose von Demenz erleichtern soll.

Bei dem 1993 vom Psychiater Kenneth Shulman publizierten Uhrentest sollen die Probanden in einem auf einem Blatt Papier aufgedruckten Kreis die Tagesuhrzeiten eintragen und dazu die Zeiger, die eine vorgegebene Uhrzeit darstellen sollen. Er soll räumliche Orientierungsstörungen und Demenzen diagnostizieren helfen.

Forschende am Lehrstuhl für Mustererkennung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben künstliche neuronale Netze mit 2500 solcher Tests gefüttert. Die Tests stammen vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. Markus Weih, der sie vier Jahre lang in seiner Praxis von 1315 Patient:innen gesammelt hat. Die Daten wurden digitalisiert und in die neuronalen Netze eingegeben. Diese sollen mittlerweile in über 96 Prozent der Fälle richtig zuordnen können, ob es sich um einen pathologischen Befund handelt; in über 98 Prozent sei die zugeordnete Erkrankungsstufe richtig, heißt es in einem Beitrag des Fachmagazins Nature.

Die behandelnde medizinische Fachperson vergibt in der Bewertung des Tests üblicherweise Punkte, ähnlich wie Schulnoten zwischen eins und sechs. Ein Punkt bedeutet eine perfekte Lösung, bei drei ist die Uhr schon fehlerhaft, so ist vielleicht nur ein Zeiger eingezeichnet, aber die visuell-räumliche Darstellung ist noch in Ordnung. Mit steigender Punktzahl werden die gezeichneten Uhren immer unklarer: Die Zwischenräume zwischen den Ziffern sind ungleichmäßig, die Reihenfolge stimmt nicht, nur wenige Ziffern sind eingetragen, sie stehen außerhalb des Kreises, sind nur noch Kritzeleien. Ab drei Punkten gehen Mediziner:innen von einer relevanten kognitiven Störung aus, oft im Rahmen einer Demenz.

In Erlangen werden sonst Aufnahmen von Computertomographien und Magnetresonanztomographien und Röntgenbilder in die künstlichen Netze gespeist, um sie für die Diagnostik verwenden zu können. Bei den Uhrentests handelte es sich im Gegensatz dazu um Zeichnungen, erklärt Prof. Andreas Maier vom Lehrstuhl für Mustererkennung. Medizinische Fachkräfte müssten auch künftig den Uhrentest anwenden können, mit Hilfe einer speziellen App, die noch auf den Markt kommen soll, könnten sie Tests abfotografieren und sofort eine Auswertung bekommen. Wer sich in der Bewertung eines Tests unsicher sei, erhalte so eine Art Zweitmeinung.

(anw)