Digitales Antennenfernsehen startet im Mai in Thüringen

Dem digitalen Antennenfernsehen in Mitteldeutschland droht ein Fehlstart, denn von den großen Privatsendern gibt es bislang keine Signale für einen Einstieg.

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Von
  • Christian Wiesel
  • dpa

Mit Laptop und notizbuchgroßer Steckkarte vor Goethes Gartenhaus in Weimar sitzen und digitales Fernsehen empfangen -- Anfang Mai soll das Realität werden. Mit dem Start des digitalen Antennenfernsehens (DVB-T) im Großraum Erfurt-Weimar können sich Thüringer künftig Fernsehprogramme ohne Kabel und Satellitenschüssel ins Wohnzimmer oder aber auf ein tragbares Empfangsgerät holen. Vorteil der neuen Übertragungsform sei vor allem die sehr gute Qualität, sagt Nikola Marquardt vom Projektbüro Digitaler Rundfunk in Halle, das die Umstellung mit koordiniert. Auch könnten damit dann voraussichtlich zwölf statt bisher drei Programme über Antenne empfangen werden.

Zeitgleich mit Erfurt und Weimar wollen MDR und ZDF auch den Großraum Leipzig-Halle umstellen. Doch dem digitalen Antennenfernsehen in Mitteldeutschland droht ein Fehlstart, denn von den großen Privatsendern gibt es bislang keine Signale für einen Einstieg. Weil die Landesmedienanstalten nicht sämtliche Sendekosten übernehmen, scheuen die Privaten zusätzliche Aufwendungen. Die Mittel für den technischen Betrieb eines digitalen Bündels (Multiplex) mit vier Programmplätzen werden auf mehr als eine Million Euro im Jahr geschätzt.

Wann in ganz Thüringen das "Überall-Fernsehen" empfangen werden kann, steht noch nicht fest. "Das hängt vom Erfolg ab", sagt Andreas Vierling, Leiter des Geschäftsbereiches Technische Zentralaufgaben beim MDR. Denkbar sei, als zweiten Schritt die Region Jena-Gera digitaltauglich zu machen. Bundesweit soll DVB-T bis 2010 den Standard des bisherigen analogen Antennen-Empfangs ablösen. Mit DVB-T werden Fernsehprogramme digital ausgestrahlt und über eine kleine Antenne empfangen. Außer der Antenne ist zum Fernsehschauen eine Set-Top-Box notwendig. Ein Kabelanschluss oder eine Satellitenschüssel werden nicht gebraucht.

Im Großraum Berlin/Potsdam werden über Antenne empfangbare TV- Programme schon seit August 2003 nur noch digital ausgestrahlt. Beim Kabel- und Satellitenempfang ist alles beim Alten geblieben. Im vergangenen Jahr wurden der Großraum Frankfurt/Main, weite Teile Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins sowie die Hansestädte Bremen und Hamburg umgestellt. Die Einführung sei in den Gebieten durchweg ohne große Komplikationen erfolgt, sagt Marquardt.

Nach Zahlen der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) empfingen 1993 noch 43 Prozent der deutschen Haushalte Antennenfernsehen. Mitte 2004 waren es sechs Prozent. Im Raum Erfurt- Weimar sind es "nicht messbare rund zwei Prozent", sagt Technikreferent Thomas Heyer von der Thüringer Landesmedienanstalt, die neben ZDF und MDR ebenfalls Projektpartner ist. Der althergebrachte Empfangsweg wurde von Kabel- und Satellitenfernsehen zurückgedrängt.

Für Kritiker ist es daher nicht nachvollziehbar, warum die Umstellung trotz dieses Umstandes derart forciert wird. Die Hoffnung, dass die Digitalisierung dem Antennenfernsehen mehr Zulauf beschert, erfüllt sich laut dem Geschäftsführer der GfK Fernsehforschung, Michael Darkow, nicht: "Wie sich in bereits umgestellten Gebieten gezeigt hat, werden keine großen Wanderungsbewegungen einsetzen." Für den selbstständigen Kommunikationsexperten Ralf Sürtenich ist die Umstellung gar wirtschaftlicher Unsinn: "Die öffentlich-rechtlichen Anstalten nutzen die enormen und krisensicheren Einnahmen aus den Rundfunkgebühren, um realitätsferne Technik-Spiele durchzuführen." ( Christian Wiesel, dpa) / (tol)