Digitalgipfel: Disput über Künstliche Intelligenz

Am zweiten Tag des Digitalgipfels in Jena rügte ein Minister wieder einmal die Kommunen, ein anderer Minister geriet in einen Disput.

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Bundeskanzler Olaf Scholz erschien am zweiten Tag des Digitalgipfels in Jena.

(Bild: BMWK)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Der zweite Tag des Digitalgipfels begann mit Verbrüderungsgesten zwischen Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) und Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing: Sie würden sich blendend verstehen. Da die für die Verwaltungsdigitalisierung zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) es nicht nach Jena schaffte, übernahm Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing den Part des Verwaltungsdigitalisierers. Er erneuerte am heutigen Dienstag seine Kritik an den Kommunen, die nach wie vor zu wenig von den bereits verfügbaren Möglichkeiten einsetzen würden.

Srini Gopalan von der Deutschen Telekom berichtete, dass nicht einmal die Behörden in Bonn, am Heimatstandort der Telekom, weitgehend digital organisiert seien. Er höre immer Entschuldigungen, wenn es um Digitalisierung gehe – die er als Ausrede werte. Indien etwa sei nicht nur ein Land mit vielen Bundesstaaten, sondern auch noch mit vielen Sprachen. Auch andere Ausreden seien nicht stichhaltig, ob es der Datenschutz oder der Fachkräftemangel sei.

Wie die Mittel der Digitalisierung genutzt werden können, schilderte für die Deutsche Bahn Daniela Gerd tom Markotten. 1500 Projekte würden derzeit mithilfe von Building Information Modeling (BIM) bei der DB umgesetzt. Die Vorplanung für den Brenner-Zulauf, die wichtige Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen in Richtung Italien etwa habe damit drei Monate statt sonst zwei Jahren gedauert. Jetzt allerdings komme der Part mit den zuständigen Behörden.

Und auch Augmented Reality solle verstärkt eingesetzt werden: Etwa damit die Fahrgäste den Schienenersatzverkehr während der Sanierung des Hochgeschwindigkeitskorridors zwischen Frankfurt am Main und Mannheim finden. Dort wird ab Januar 2024 immer wieder vollständig die stark befahrene Strecke gesperrt. Ein Thema, mit dem sich Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing sichtlich wohl fühlte: "Wir müssen uns alle verantwortlich fühlen", meinte der Minister. "Wir neigen dazu, zu sagen, der eine muss es dem anderen bringen. Jeder kann und muss einen Beitrag leisten. Wir dürfen auch die Erfolge nicht übersehen. Wir müssen die Dinge gemeinsam hebeln und sie vergrößern." Das fange schon dabei an, Daten möglichst zum Wohle der Gemeinschaft zu teilen.

Kernthema des Gipfels blieb aber auch am zweiten Tag die Frage der Künstlichen Intelligenz. Dafür hatte die Bundesregierung mit einem Non-Paper zur KI-Regulierung auf europäischer Ebene selbst schon vorab einen Debattenbeitrag geleistet, Deutschland will nämlich offiziell auf eine direkte Regulierung von Foundation Models verzichten. Ein Disput entspann sich dabei auf offener Bühne zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Matthias Spielkamp von Algorithm Watch. Der kritisierte Habeck scharf: "Ein Foundation Model ist nicht einfach Grundlagenforschung", kritisierte er. "Wenn man darauf dann reagiert, indem man sagt, man möchte überhaupt keine Regulierung außer Selbstregulierung, von der die meisten hier wissen, was davon zu halten hat, dann wird das der Herausforderung nicht gerecht." Es gehe um gute Regulierung. Robert Habeck erwiderte, "wenn KI eine Anwendung ist, dann ist im Grunde jede Technik eine Anwendung", und das teile er nicht. Er würde ja auch Atomforschung nicht verbieten wollen. Allerdings, und das verschwieg Habeck in seinem Argument, unterliegt die fast auf der ganzen Welt strenger Regulierung.

Scharfe Kritik an der Position der Bundesregierung kam aus der Ferne vom CDU-Europaabgeordneten Axel Voss. Der Vorschlag der Bundesregierung, Frankreichs und Italiens sei untragbar. Auch bei verpflichtender Selbstregulierung müssten Mindestanforderungen erfüllt sein. Das betreffe sowohl die Transparenzvorgaben als auch die Cybersicherheit. Dies würde das Europaparlament zum AI Act bereits vorschlagen.

Der Digitalgipfel, der eigentlich schon 2021 in Jena hätte gastieren sollen, ging am späteren Dienstagnachmittag mit einem Auftritt des Bundeskanzlers Olaf Scholz zu Ende. Dessen Ampel-Halbzeitbilanz ist gemischt. Nüchtern betrachtet sei es so: "Wir stehen auf sehr unterschiedlichen Feldern unterschiedlich gut." Die digitale Infrastruktur bessere sich, es gebe aber auch noch einiges zu tun, zum Beispiel in der Verwaltung. Aber selbst darin sieht Scholz eine Chance: Das KI-Thema würde dabei nun sofort aufgegriffen und solle von vornherein bei der Verwaltungsdigitalisierung mitgedacht werden – und das möglichst mit hier ansässigen Anbietern.

Fast schon nebenbei erklärte Scholz auch, dass ihm die Halbleiterindustrie am Herzen liege. Das kann als Rückenwind für Habecks am Mittag geäußerten Wunsch gedeutet werden, auch nach dem Scheitern der Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds an den Förderungen für Intel und TSMC festzuhalten. Zugleich mahnte der Kanzler, dass jetzt nicht alle Wünsche für unverzichtbare Vorhaben öffentlich vorgetragen werden sollten. In der ihm eigenen Art formulierte er einen Ausblick auf das Finanzproblem: "Sie sehen mich hier jetzt nicht als einen Menschen ohne Zuversicht." Was vielleicht anders wäre, wenn Scholz längere Zeit auf dem Digitalgipfel der von ihm geführten Bundesregierung geblieben wäre.

(anw)