Digitalwährung: Deutsche Industrie drängelt beim digitalen Euro

Angesichts des Vorsprungs anderer Länder droht Europa beim digitalen Zentralbankgeld den Anschluss zu verlieren, warnt der BDI. Er will viele Zusatzfunktionen.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hält die Einführung eines digitalen Euros für unabdingbar. Ein solcher wäre ihm zufolge nicht nur für Privatpersonen als weitere Bezahlart neben Scheinen und Münzen ein Fortschritt, sondern auch für Unternehmen. Die digitale Variante des europäischen Zentralbankgeldes könnte sogar "als Katalysator für die Digitalisierungsvorhaben" von Firmen dienen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte im Juli 2021 eine zweijährige Untersuchungsphase rund um die Digitalwährung mit dem Fokus auf Technologie und Datenschutz an. Im Oktober 2023 will sie die Entscheidung über eine mögliche Umsetzung dieses Vorhabens verkünden. Diese Prüfung "kommt zwar spät, ist aber zielführend", schreibt der BDI in einem jetzt publik gemachten Positionspapier von Ende September. Aufgrund des hohen Komplexitätsgrads sei es richtig, elementare Aspekte mit allen Beteiligten ausreichend zu diskutieren.

Angesichts des teils großen Vorsprungs anderer Zentralbanken etwa in Kanada und China sowie der treibenden Kraft von Kryptowährungen wie Bitcoin drohe Europa auf diesem Gebiet den Anschluss zu verlieren, mahnt die Lobby-Organisation zur Eile. Dies gelte insbesondere für die Nutzung durch Unternehmen etwa im Lieferkettenmanagement. Sowohl politische Entscheider als auch die hierfür verantwortlichen Währungshüter sollten gerade bei den für die Industrie relevanten Ausgestaltungsmerkmale zügig zu Potte kommen. Zu groß sei die Gefahr, "dass durch zu langes Abwarten Wettbewerbsnachteile entstünden, die nur schwer aufzuholen wären".

Der BDI erwartet, dass "mit der Einführung eines digitalen und programmierbaren Euros die Transaktionskosten im währungsrauminternen und übergreifenden Zahlungsverkehr weiter sinken und positive Effekte auf die Geschwindigkeit in der wechselseitigen Wertstellung erzielt würden". Beides dürfte eine möglichst breite Anwendung forcieren, was wiederum zu einer hohen Akzeptanz des Zahlungsmittels im globalen Handel führen könnte.

Durch die digitale Eigenschaft ließen sich dann je nach Ausgestaltungsform der digitalen Währung "Zahlungsvorgänge wesentlich tiefer in den Ablauf von Geschäftsvorgängen in individualisierter Weise" integrieren, schätzen die Autoren. Dabei entstünden innovative Möglichkeiten, die deutlich über die Funktionalitäten des heutigen elektronischen Zahlungsverkehrs – also etwa der regelmäßigen Überweisung per Dauerauftrag – hinausgehen.

Für Privatpersonen möge in der Debatte über den digitalen Euro vor allem eine größtmögliche Anonymität bei Zahlvorgängen vergleichbar zum Bargeld bedeutend sein, konstatiert der BDI. Für die Industrie komme es dagegen hauptsächlich auf die Fähigkeit der Programmierbarkeit an.

"Aktuell beschäftigen sich viele Unternehmen mit der datengestützten Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle", begründet die Lobby ihren Ansatz. Dabei spielten technologisch unterstützte Verträge (Smart Contracts) sowie eindeutig identifizierbare Datenquellen (Sensoren) eine große Rolle. Um das volle Potenzial dieser Weiterentwicklungsmöglichkeiten nutzen zu können, würden "funktionalisierbare, an Bedingungen knüpfbare Zahlungsprozesse benötigt".

Für die Handhabe komplexerer Vorgänge und um das gesamte Potenzial einer digitalen Währung zu nutzen, müsse die Programmierfähigkeit des gesamten Zahlungsprozesses etwa durch den Einsatz von "Distributed Ledger"-Technologien (DLT) wie der Blockchain erweitert werden, heißt es in dem Papier weiter. Damit entstünde eine flexiblere Automatisierung von Zahlungsvorgängen beziehungsweise eine individualisierte Ausgestaltung von Zahlungsmodalitäten. Potenzial gebe es etwa bei leistungsabhängigen Micropayments zwischen Maschinen oder Objekten im Internet der Dinge, der bidirektionalen Verrechnung von Forderungen zwischen Geschäftspartnern und der direkten Erfüllung einer Leistung mit zugehöriger Zahlung.

Für den Fall, dass Unternehmensbedarfe kein ausreichendes Gehör finden, müssten privatwirtschaftliche Lösungen wie Token-basiertes Buchgeld "die Anwendungslücken übergangsweise schließen", fordert der BDI zugleich. Eine andere wichtige Komponente müsse die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sein: Eine energieeffiziente Ausgabe und Verwaltung des digitalen Euros sollten daher mit zu Ausgestaltungsmerkmalen werden.

"Aus Gründen der Vertrauensbildung, Akzeptanz und Rechtsbeständigkeit" sollte eine digitale Währung immer von einer regulierten Einheit ausgegeben werden, unterstreichen die Verfasser. Die Stabilität der Finanzmärkte dürfe nicht negativ beeinflusst werden, was auch ein Anliegen der Bundesregierung ist. Vor allem müsse verhindert werden, dass der Digitaleuro klassische Kundeneinlagen bei Geschäftsbanken ersetze. Unkontrollierte Abflüsse von Konten würden sich durch den damit verknüpften Stabilitätsverlust solcher Institute negativ auf die Kreditverfügbarkeit und die Finanzierungskosten auswirken. Anreizfunktionen zum Sparen oder Investieren sollte der digitale Euro so nicht enthalten.

Zugleich bedarf der Zahlungsverkehr zur Sicherung und Nachvollziehbarkeit von Transaktionen dem Standpunkt zufolge einer einheitlichen und interoperablen Infrastruktur. Identitätsnachweise spielten dafür eine große Rolle. Neben natürlichen Identitäten von Privatpersonen sollten auch solche für juristische Personen, Maschinen oder sonstige Entitäten bereitgestellt werden.

Ferner verweist der BDI auf eine Fülle operativer Umsetzungsfragen. So müsse der digitale Euro eine Standardlösung beinhalten, die mit anderen Zahlungssystemen inklusive Kryptowährungen "uneingeschränkt interoperabel ist". Es sei zu gewährleisten, dass bei Zahlungen außerhalb der EU diese unter Nutzung der künftigen europäischen Infrastruktur einfach und bequem abgewickelt werden können. Der Grad der Interoperabilität werde sich direkt "auf die Durchsetzungsfähigkeit und Attraktivität des digitalen Euros im internationalen Einsatz" auswirken.

"Die Nutzung von Sub-Cent-Beträgen beurteilen wir bereits heute als wichtige Funktionalität", hat der Verband weiter auf seiner Wunschliste. Ebenso wichtig sei aus unternehmerischer Sicht, mit sehr hohen Beträgen arbeiten zu können. Ähnlich hohe Ansprüche seien an die Verfügbarkeit zu stellen. Sollten sich Zahler beziehungsweise Zahlungsempfänger außerhalb des Datennetzes befinden, müsse "zumindest in einem beschränkten Umfang gewährleistet sein, dass der digitale Euro über eine lokale, sichere Infrastruktur eingesetzt werden kann (Offline-Funktion)".

(mho)