Diskussion um neues Bezeichnungsschema für Linux 2.6

Der Linux-Kernel-Entwickler Linus Torvalds hat auf Kritik am Entwicklungstil des Kernel 2.6 reagiert und auf der Kernel-Mailingliste eine neue Vorgehensweise und ein zugehöriges Bezeichnungsschema zur Diskussion gestellt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 162 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis

Der Linux-Kernel-Entwickler Linus Torvalds hat auf der Kernel-Mailingliste ein neues Bezeichnungsschema für die Linux-Kernel 2.6 zur Diskussion vorgeschlagen. Auf ungerade Zahlen endende Kernel-Versionen sollen demnach als Entwicklerkernel gelten. Aus diesem würde dann ein bis zwei Wochen später ein darauf aufbauender "stabiler" Kernel hervorgehen, in dem gefundene Probleme korrigiert werden. Vor der Freigabe der Kernel sollen wie bisher Zwischenversionen für Entwickler und Tester veröffentlicht werden. Von diesem Verfahren verspricht sich Torvalds besser getestete stabile Kernelversionen.

In letzter Zeit war Kritik an dem Entwicklungsstil beim Kernel 2.6 laut geworden. Manche Programmierer und Anwender sehen die aktuelle Kernelserie als nicht so stabil und zuverlässig an. Unter anderem meinte auch Kernel-Programmierer Alan Cox im Rahmen des Free and Open Source Developers' European Meeting (FOSDEM), dass Torvalds ein guter Entwickler, aber ein schrecklicher Ingenieur sei. Laut Cox plagen die Entwicklung des Kernels 2.6 diverse kleinere Fehler, an denen vor allem der Vater von Linux nicht ganz unschuldig sei.

Viele Programmierer bevorzugten das bisherige Linux-Entwicklungsschema. Bei diesem wurden nach der ersten Stabilisierungsphase der Kernel 2.2 oder 2.4 eine neue Entwicklerreihe mit 2.3- oder 2.5-Nummerierung gestartet. In diese Serien wurden alle größeren Neuerungen integriert, während in den stabilen Versionen zumeist nur kleine Änderungen und neue Treiber integriert wurden. Eine Entwicklerreihe 2.7, die zu einem stabilen Kernel 2.8 führen könnte, ist derweil jedoch nicht im Planung. Torvalds und der Maintainer des Kernel 2.6, Andrew Morton, haben vom bisherigem Schema vorerst Abstand genommen, weil sich ihrer Ansicht nach die Entwicklung des 2.6-Kernels als sehr erfolgreich erwiesen hat. Neue Erweiterungen und Treiber werden dabei zuerst in der auf dem jeweils neusten Kernel basierenden mm-Serie von Andrew Morton ausgetestet. Von dort werden die Erweiterungen, wenn sie sich denn als stabil und würdig erwiesen haben, kurz nach der Veröffentlichung eines Kernels in die rc-Reihe integriert, aus der die nächste stabile Kernel-Version hervorgeht.

Dies hat den Vorteil, dass neue Erweiterungen schneller in den Linux-Distributionen verfügbar sind -- die Entwicklerserie 2.5 brauchte über zwei Jahre, bis aus ihr die stabile Version 2.6 hervorging. Das hatte unter anderem dazu geführt, dass viele Linux-Distributoren Teile des 2.5-Kernels in ihre auf einem Kernel 2.4 basierenden Produkte integrierten, was zu Inkompatibilitäten zwischen den unterschiedlichen Distributionen führte.

Eine Reihe von Kernel-Entwicklern kritisiert jedoch auch das neue Bezeichnungsschema. Sie fordern, dass dem Kernel einfach eine weitere Nummer angehängt werden soll, um parallel zur eigentlichen Weiterentwicklung neue, fehlerbereinigte Versionen des letzten stabilen Kernels zu veröffentlichen. Dies wurde beim Kernel 2.6.8.1 schon einmal genutzt, um einen größeren Bug im Kernel 2.6.8 zu beseitigen. Andere befürworten, dass ähnlich wie zuletzt beim Kernel 2.4 größere Neuerungen zuerst in pre-Kerneln Einzug finden sollen. Darauf aufbauend soll es mehrere Release-Candidates (RC) geben, in die nur noch Bugfixes aufgenommen würden.

Unterdessen plant Andrew Morton bereits, welche Erweiterungen in den nächsten Kernel aufgenommen werden sollen -- unter anderem das Filesystem in Userspace (FUSE). Ob das umstrittene Dateisystem Reiser4 hinzukommt, ist noch unklar. (thl)