Diskussionen um den neuen Datenschutzbeauftragten

Der grünen Bundestagsfraktion droht eines ihrer bürgerrechtlichen Prestigeprojekte zu kippen: die Bestellung des nächsten Bundesdatenschutzbeauftragten.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Der grünen Bundestagsfraktion droht eines ihrer bürgerrechtlichen Prestigeprojekte zu kippen: die Bestellung des nächsten Bundesdatenschutzbeauftragten. Zwar hat der von der grünen Bundestagsfraktion designierte Peter Schaar inzwischen ein Vorstellungsgespräch mit Bundesinnenminister Otto Schily absolviert. Doch Schily hat sich bislang noch nicht öffentlich zu Schaar bekannt. Dabei lief die Amtszeit von Jacob rein formell bereits am 2. Juli aus.

Bestellt wird der Bundesdatenschutzbeauftragte allerdings nicht vom Bundesinnenminister, dem er später unterstellt ist, sondern vom Bundestag. Doch die Wahl wird jetzt wohl erst im Herbst stattfinden. Ob Schaar Unterstützung vom Grünen-Koalitionspartner SPD erhält, ist noch fraglich. Bis heute haben die Bündnisgrünen der SPD-Fraktion den Nachfolger des Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob nicht einmal vorgestellt.

Jörg Tauss, Datenschutzexperte der SPD-Fraktion, versucht denn auch seit Wochen mit den Grünen ins Gespräch gekommen, doch bislang ist kein Termin zu Stande gekommen. Tauss zeigt sich gegenüber heise online etwas erstaunt: "Frau Sager reagiert nicht und Frau Göring-Eckert hat meine Handy-Nummer seit Wochen." Es sei wichtig, dass die Grünen mit den Fraktionen ins Gespräch kommen. Tauss: "Wir haben mehrfach telefonisch nachgehakt -- ohne Ergebnis." Aus dem Büro der bündnisgrünen Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckert hingegen hieß es, beide hätten sich bislang vergeblich um einen Gesprächstermin bemüht. Der Posten des Bundesdatenschutzbeauftragten braucht nach Ansicht von Jörg Tauss eine breite Unterstützung im Bundestag. Joachim Jacob, seit 1993 im Amt, wurde 1998 immerhin mit großer Mehrheit und nur 15 Gegenstimmen wiedergewählt.

Der Frankfurter Datenschutzexperte Professor Spiros Simitis will sich zu dem "traurigen Vorgang" gegenüber heise online nicht äußern. In der langen Wartezeit auf den künftigen Bundesdatenschutzbeauftragten rückt nun auch das klandestine Auswahlverfahren der grünen Bundestagsfraktion in die Kritik. Die Auswahlkriterien der Fraktion waren alles andere als transparent. Bekannt ist immerhin, dass die Kandidaten ein grünes Parteibuch haben sollten. Die Kandidaten Thilo Weichert und Peter Schaar waren beide grüne Parteimitglieder und stellvertretende Landesdatenschützer. Doch im Gegensatz zu Thilo Weichert, der auch als Bürgerrechtler aktiv ist, bekleidete Peter Schaar von 1997 bis 2000 auch den Posten des Grünen-Chefs in Hamburg. Damals, so schrieb jetzt die taz, war auch die heutige Fraktionschefin Krista Sager Senatorin in Hamburg. Beobachter sehen in der Wahl von Schaar deshalb vorwiegend den Sieg der Hamburg-Connection.

Mehr an fachlichen Kriterien orientiert sich der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Helmut Bäumler: Er hält eine Person für den Posten des Bundesdatenschutzbeauftragten für ideal, die "das Thema Datenschutz aus der Defensive in die Offensive bringen und ausbauen kann." Er will "einen Reformer, einen Modernisierer, einen Erneuerer". Bäumler selbst hat seit seinem Amtsantritt in Schleswig-Holstein seine Dienststelle sachte, aber beständig umgebaut. Heute ist sie die modernste Datenschutzdienststelle der Republik. Thilo Weichert ist sein Vize. Das Anforderungsprofil ist für Bäumler ganz klar: Der neue Bundesdatenschutzbeauftragte sollte "ein versierter Jurist sein, der so viel wie möglich von Technik versteht. Er muss wissen, dass der Datenschutz ein neues Erscheinungsbild braucht. Er muss ökonomisch denken und dem Datenschutz eine marktwirtschaftliche Komponente geben." Schaar aber ist Diplom-Volkswirt.

Bäumler fordert einen Imagewechsel für das Amt: Der Datenschutzbeauftragte müsse sich generell vom Bedenkenträger zum innovativen Zukunftsgestalter wandeln. Er müsse daran arbeiten, "dass ein gutes Datenschutz-Niveau in Deutschland international kein Nachteil für den Standort ist, sondern ein Standortvorteil sein kann". Bäumler fordert von grünen und roten Politikern "einen Aufbruch in alle Richtungen, ohne dass die verfassungsrechtliche Verankerung und damit die grundrechtlichen Wurzeln des Datenschutzes preisgegeben werden." Für den neuen Bundesdatenschutzbeauftragten gäbe es also viel zu tun. Kommunikativ sollte er neben aller Fachkompetenz übrigens auch sein: Bäumler wies gegenüber heise online darauf hin, dass es bedenklich sei, wenn drei Viertel der Bevölkerung noch nie etwas von Datenschutzbeauftragten gehört haben. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)